FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Das Phänomen Napster und Kopierschutz im Internetzeitalter

http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/bp_artikel/strucid/PAGE_200104/pageid/PAGE_201403/docid/315136/SH/0/depot/0/index.html


Das Phänomen Napster und Kopierschutz im Internetzeitalter

Kolumne: Nur Peitsche und kein Zuckerbrot

[...]

Ergo das Dilemma: Napster ist nach heutiger Rechtslage in seiner derzeitigen Form illegal. Aber eine kategorisches Verbot von Napster wird mehr schaden als nützen. Bei der Hektik dieser Tage lohnt es sich vielleicht, ganz gegen den Usus des schnellebigen Internetzeitalters, eine historische Perspektive zu geben.

1. Der Ursprung des Kopierschutzes im späten Mittelalter in Venedig und England war nicht etwa der Schutz der Autoren, sondern die Erhöhung der Staatseinnahmen und die Sicherung der staatlichen Kontrolle (sprich: Zensur) durch exklusive Veröffentlichungsrechte. Damals wie heute hat der Widerstand dagegen, wenn auch formal illegal, immer ein Element "zivilen Ungehorsams", insbesondere wenn Kopien gratis sind. Ein Napsterino wie FreeNet vermarktet seine Software explizit als Werkzeug für Dissidenten in autoritären Staaten: Die Softare verteilt verschlüsselte digitale Dateien und kommt nicht nur ohne zentrales Verzeichnis aus, sondern macht zudem den Urheber der Datei unkenntlich. Im modernen Recht sind Urherberrecht und Kopierschutz ein schwieriger Balanceakt zwischen wirtschaftlichem Anreiz für kreative Leistungen und Interesse der Allgemeinheit. Diese Balance ist im Internetzeitalter noch nicht gefunden worden, aber Medienunternehmen können nicht mit einer bedingungslosen Absegnung ihrer heutigen Geschäftsgrundlage rechnen.

2. Die Medienindustrie hat schon mehrfach in der Verfolgung von Technologien geirrt. Am bekanntesten ist wohl der fast ein Jahrzehnt dauernde Prozess Hollywoods gegen Sonys Videorekordertechnologie. Heute sind Videos eine der wichtigsten Säulen für Filmeinnahmen. Und wenn später digitale Vervielfältigungsmaschinen kategorisch verboten worden wären, gäbe es heute keine PCs mehr. Glücklicherweise wurde der PC in der diesbezüglichen US-Gesetzgebung der frühen neunziger Jahre explizit ausgenommen. Napster ist sicherlich ungewöhnlich explosiv, aber bisher hat es CD-Umsätze sogar noch steigen lassen.

3. Legal und wirtschaftlich fragwürdige Systeme wie Napster sind außerdem keineswegs die größte Bedrohung für Geschäfte mit digitalisierbaren Waren und Dienstleistungen. Die größte Wertvernichtungsmaschine auf dem Internet in dieser Hinsicht ist Yahoo. Der Dienst lebt von Werbeeinnahmen und bietet eine unvorstellbare Fülle von digitalen Leistungen - völlig legal - umsonst an. Hierbei zerstört es das Geschäftssystem unzähliger Serviceanbieter auf dem Internet.

[...]


Zurück