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Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Gerhard Schmid (MdEP, SPD): "Der Überwachungsonkel bin ich nicht "

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/8104/1.html


Der Überwachungsonkel bin ich nicht

Patrick Goltzsch 03.05.2000

Ein Gespräch mit dem EP-Abgeordneten Gerhard Schmid (SPD) über die Forderung, zur Bekämpfung von Kinderpornographie Email-Nutzer identifizieren zu können

Im April verabschiedete das Europäische Parlament einen Bericht zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet (Das Europäische Parlament verlangt ein Ende der Anonymität im Internet). Verantwortlich zeichnete der Ausschuss für die "Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten".

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Gibt es so etwas wie ein Recht auf Anonymität?

Gerhard Schmid: Bezogen auf Straftaten kann es das nicht geben. Oder man muss schlicht feststellen: Wir können in dem Bereich nichts tun, wir lassen die Dinge treiben. Das wäre dann eine ehrliche Position. Will ich dagegen strafrechtlich etwas gegen diese Art von Pornographie unternehmen, brauche ich Anhaltspunkte. Ich betone: Es geht mir dabei nicht um Pornographie als solche, sondern mir geht es um die Kinder.

Reden Sie fünf Minuten mit irgendeinem der Polizeibeamten bei uns, der in der Praxis mit der Strafverfolgung in diesem Bereich zu tun hat. Alle werden ihnen sagen, dass sie immer wieder darauf stoßen, dass Kinderpornographie anonym eingestellt wurde. An dem Punkt ist dann jede Ermittlung zu Ende. Ich bin für ein Stück Ehrlichkeit: Wir müssen die Güterabwägung treffen, ob denn die Anonymität als Gut höher steht als Maßnahmen gegen Kinderpornographie.

Es handelt sich um die gleiche Entscheidung, die sich bei allen anderen Eingriffen in die Privatsphäre auch stellt. Wenn die Polizei in einem Drogenfall zum Staatsanwalt geht und die Überwachung des Telefons beantragt, entscheidet darüber ein Richter. Für gewisse Zeit wird dann das Telefon abgehört. Das ist ein klarer Eingriff in die Privatsphäre. Zugrunde liegt eine Güterabwägung, die das eine Ziel als höherrangiger und wichtiger einstuft als das andere. Wesentlich ist dabei, dass die Behörden nicht nach Belieben handeln können.

Ihr Antrag hätte zur Folge, das ganze Netzwerke von Remailern und Mixmastern, die Kommunikation verschleiern, abgeschafft werden müssten. Zur Zeit sind diese Netzwerke in Gebrauch, und sie scheinen durchaus sinnvoll benutzt zu werden.

Gerhard Schmid: Ja, noch einmal: Es ist eine einfache Verzweigungsentscheidung. Wer Anonymität verlangt, muss gleichzeitig eingestehen, dass wir dann gegen Kinderpornographie nichts tun können. Punkt. Ich bin da anderer Meinung. Die Entscheidung ist immer an irgendeiner Stelle problematisch.

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