FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Europaweit Abhören

http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/nf/0,1518,68384,00.html


SPIEGEL ONLINE - 10. März 2000, 10:29 URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,68384,00.html

Netzdepesche Europaweit Abhören

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Seine Richtlinie 201-671 soll den Zugriff auf alle nutzbaren Daten in den Telekommunikationsnetzen möglich machen: Telefonanrufe, SMS- Messages, Handy-Gespräche und sogar Internet-Telefonie sollen nun europaweit per Knopfdruck abgehört werden. Die Voraussetzung: eine europaweit einheitliche Telekommunikationsnetztechnik.

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss zeigte sich von den ETSI- Aktivitäten gegenüber SPIEGEL ONLINE überrascht: "Die technischen Vorschriften der ETSI-Norm waren mir nicht bekannt." Tauss hat sich die öffentliche Debatte, die er im Zusammenhang mit den Enfopol- Abhörplänen ankündigte, allerdings "so nicht vorgestellt". Offensichtlich sei Öffentlichkeit "unerwünscht", schlussfolgerte Tauss. Wie alle einschlägigen Richtlinien in Deutschland sei nun auch die ETSI-Richtlinie "öffentlichkeitsscheu" erarbeitet worden.

Sind nun auch Internet-Provider betroffen? Vorerst nicht, denn tatsächlich bezieht sich die Richtlinie vor allem auf ISDN-Telefonie und Mobilfunk. Doch sie sei, so meint Lutz Donnerhacke, Sprecher des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG), so formuliert, "dass sowohl die Besitzer von Telefonhausanlagen, als auch Internet-Service-Provider davon erfasst sind."

Donnerhacke bezweifelt allerdings, dass die in der Richtlinie gemachten Vorgaben in der Praxis überhaupt funktionieren. Denn sie beziehen sich nur auf Telefonie. Würde jedes Internet-Packet, jede TCP-Verbindung als Verbindung im Sinne der Richtlinie separat erfasst, "scheitert das Vorhaben wegen falscher Voraussetzungen". Denn die Definitionen seien zu unklar: Zwar sei offensichtlich jede Art von Datenübermittlung über Netze gemeint, doch das Sprachvokabular stammt aus der herkömmlichen Sprachtelefonie.

Werner Hülsmann vom "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" (FIfF) warnt allerdings vor einer Entwarnung in Sachen Internet: "Aufatmen können Internet-Provider keineswegs." Denn schon in der Vergangenheit habe sich gezeigt, "wie schnell und unbemerkt Überwachungsvorschriften zu technischen Normen gemacht werden, die dann Netzwerkanbieter anzuwenden haben."

Hülsmann hält es für ein "Armutszeugnis", sollten die Europäer ausgerechnet durch die Internet-Überwachung ihre Normierungsrückstände aufholen wollen. Und tatsächlich arbeitet bereits eine ETSI-Arbeitsgruppe an einer eigenen Richtlinie zur Internet-Überwachung. Angesichts der Definitionsprobleme ist ein Erfolg vorerst jedoch nicht abzusehen.

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