FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Haben die Regierungen das Vertrauen der Internet-User verloren?

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/5932/1.html


Haben die Regierungen das Vertrauen der Internet-User verloren?

Armin Medosch 22.03.2000

Konferenz über britisches Überwachungsgesetz macht tiefe Gräben sichtbar.

Der britische Parlamentarier und Minister im Home Office (Innenministerium) Alan Clark verstand nicht, warum das Publikum lachte, als er davon sprach, dass es bei dem neuen Überwachungsgesetz darum gehen würde, den Strafverfolgern geeignete Mittel für die Verfolgung von Kinderpornoringen, organisiertem Verbrechen und Terroristen in die Hand zu geben. Das Publikum wusste aber sehr wohl, warum es lachte. Und es setzte sich allem Anschein nach nicht aus Anarchisten zusammen, sondern bestand aus Rechtsanwälten, IT- Experten, Geschäftsleuten und Journalisten. "Scrambling for Safety" an der London School of Economics offenbarte die tiefen Gräben, welche Info-Elite aber auch normale Netznutzer von Innenministeriumsbeamten und -politikern trennen.

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Was die britischen Verhandlungen für Deutschland so relevant macht, ist, dass sich der Minister explizit auf Gespräche der Innenminister im G8-Kreis bezog. Alan Clark lobte sich im Parlament öffentlich dafür, dass Großbritannien das erste Land ist, das im Begriff ist, eine derartige Gesetzgebung zu verabschieden. Doch er kann darauf vertrauen, dass Janet Reno und Otto Schily ähnliche Pläne verfolgen. Die unter dem Codenamen ENFOPOL bekanntgewordenen Überwachungspläne sind in den Köpfen der Innenminister der westlichen Führungsnationen wach und lebendig.

Doch zugleich machte "Scrambling for Safety" auch sichtbar, dass Widerstand nicht zwecklos ist. Die Regierung braucht, um die RIP-Bill durchzubringen, die Unterstützung der Wirtschaft aber auch des juristischen Sektors. New Labour kann es sich nicht leisten, dass britische E-Commerce-Unternehmen ihre Server auf den Bermudas und British-Aguilla stationieren, was unter heutigen technologischen Bedingungen keine unüberwindlichen Barrieren aufwirft. Und das Land kann sich auch keine Flut von Gerichtsverfahren leisten. So legte etwa der Anwalt Tim Eicke in seiner Analyse des die Kryptographie betreffenden Paragraphen dar, dass jeder Betroffene damit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gehen kann, weil das Recht auf die "Unschuldsvermutung" von diesen Abschnitten verletzt wird. Da potentiell jeder betroffen ist, auch ohne bereits in den "Genuss" einer "Entschlüsselungsanordnung" gekommen zu sein, hätten Cyberrights-Aktivisten hier ein leichtes Ziel, sollte das Gesetz tatsächlich in derzeitiger Form verabschiedet werden.


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