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Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Lutz Donnerhacke: Nachruf auf Wau Holland - "Ein ständiger Denkanstoß"

[Diesmal _ausnahmsweise_ ein Volltext-Quote. --AHH]

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,147844,00.html


SPIEGEL ONLINE - 30. Juli 2001, 19:50 URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,147844,00.html

Nachruf auf Wau Holland Ein ständiger Denkanstoß

Von Lutz Donnerhacke

Der Alterspräsident des Chaos Computer Clubs, Wau Holland, ist im Alter von 49 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Ein Nachruf.

Wau war stets von Grund auf anders als die ihn umgebende Welt, da sein freier Geist sich nicht in konforme Bahnen lenken lassen wollte. Die Netz-Welt hat sich seinen Vorstellungen oft gebeugt, anderenfalls hat es ihn nicht gestört. Wer Anstoß an seinen Eigenheiten nahm, den hat er nicht weiter belästigt. Scheinbar ziellos, aber doch immer zielstrebig ist Wau seinen eigenem Weg gefolgt. Versuche, ihm zu einem gutbürgerlichen Leben zu verhelfen, prallten lange Zeit an ihm ab. Er war noch nicht so weit, sich fest an einen Ort zu binden.

Sein Engagement galt der Wissensvermittlung für Mitdenker: Wer ihm zuhörte, konnte stets neue Einsichten gewinnen. Seine prägnanten Merksätze wie "Suchanfragen mit mehr als 23 Treffern sind zu allgemein" fanden über seine unmittelbare Umgebung hinaus Eingang in die Ausbildung. Oft verblüffte er mit abwegig erscheinendem Material, seien es Bilder von Zuses Rechenmaschinen, Telefone mit abschließbarem Hörer und ohne Wählscheibe oder einfach nur Dinge aus "anderen" Zeiten. Seine Arbeit mit Jugendlichen führte an dieser Stelle oft zu Konflikten mit der schnelllebigen Konsumgesellschaft, deren typische Vertreter ihm nichts entgegenzusetzen hatten.

Wau beherrschte die Kunst, einen stets neuen Standpunkt einzunehmen und so Schranken niederzureißen. Voreingenommenheit und Engstirnigkeit zerschellten an seiner Argumentation. Seine Vorträge - oft Monologe der Erinnerung - wurden weithin geschätzt. Ein echtes Feindbild, eine persönliche Schublade war ihm fremd. Er vertrat konsequent die Freiheit der Meinungsäußerung, nicht nur die Meinungsfreiheit. So richtig übel nehmen konnte man ihm nie etwas. Seine ruhige Art wirkte wie ein Ölfilm auf rauer See.

Waus privates Chaos war von Lebens- und Experimentierfreude durchtränkt. Zahnstocherige Aldi-Gurkenkakteen in roter Grütze mit Weintrauben und Käse gespickt sind eben nicht alltäglich. Ob er eine giftgrüne Soße kredenzte oder ein eigenwillig zusammengebautes Telefon anschloss, stets verschwamm die Grenze zwischen Gefahr und Spaß. Er hat es verstanden, sich eine kindliche Neugierde und den dazugehörigen Spieltrieb sein ganzes Leben lang zu bewahren.

Kurzfristige Umplanungen, selbst gewählte Verpflichtungen ließen ihm selten die Chance, sich an einem Punkt fest zu binden. Er wählte unbewusst stets das Neue, Unbekannte. So schlug er sichere Anstellungen aus: Sie entsprachen nicht seinem Naturell.

Egal was passierte, Waus bedingungsloser Glauben an die positive Natur der Dinge übertrug sich auf seine Umgebung. "Think positive" war einer seiner Leitsprüche. Wie oft hat er kurzfristig eine persönliche Finanzlage zu klären verstanden? Wie oft hat er in letzter Sekunde doch noch einen Unterschlupf gefunden? Er war sicher nicht stets und überall willkommen, aber er hat immer einen Platz zum Leben und Schlafen gefunden.

In diesem Sommer sollte seine Wanderung ein Ende finden. Das Haus in Berlin war bezugsfertig. Wenige Tage vor der Einzugsfeier wurde seine Planung durchkreuzt, er erlitt einen Schlaganfall. Nach Wochen komatöser Bewegungslosigkeit geht sein Weg nun weiter in Gebiete, in die ihm alle folgen müssen. Sein ruheloser Geist wird unsere Gedanken hoffentlich noch oft aufrütteln.

"Ich bin nur ein genetisches Experiment." (Wau über Wau)

Es ist schön, dass wir so lange daran teilhaben durften.

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