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Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Pressemitteilung Kriminalität im Internet

------- Forwarded message follows ------- Date sent: Thu, 15 Aug 2002 10:01:57 +0200 From: Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein <mail@datenschutzzentrum.de> To: vpo-presse-list@datenschutz.de Subject: Pressemitteilung Kriminalität im Internet

15. August 2002

P R E S S E M I T T E I L U N G

Kriminalität im Internet offenbar weit geringer als bislang angenommen

Die Veröffentlichungen über einzelne spektakuläre Ermittlungsverfahren erwecken bei vielen den Eindruck, als werde das Internet überproportional für kriminelle Zwecke genutzt. Eine Untersuchung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein und der Technischen Universität Dresden zeigt, dass dies nicht zutrifft.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz und die Technische Universität Dresden betreiben im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsminister geförderten Modellprojekts den Anonymisierungsdienst AN.ON. Für diesen Dienst wurde das Programm JAP entwickelt, das Internetnutzern ein anonymes Surfen im WorldWideWeb ermöglicht. Nach 13 Monaten Projektlaufzeit wurde nun eine erste Bilanz gezogen. Wegen der den Nutzern zugesicherten Anonymität verfügen die Projektpartner nur in sehr eingeschränktem Maße über statistisches Material. Gleichwohl lassen sich daraus bemerkenswerte Schlüsse ziehen. Insgesamt haben weltweit rund 100.000 Surfer das im Rahmen des Modellprojekts entwickelte Programm JAP heruntergeladen. Nach vorsichtigen Schätzungen wird der JAP inzwischen durchschnittlich 5000 mal täglich genutzt. Rechnet man die tägliche Nutzung auf den bisherigen 13-monatigen Betrieb hoch, so ergeben sich circa 1,2 Millionen Nutzungsfälle.

Dieser Zahl stehen insgesamt 17 Anfragen von Strafverfolgungsbehörden im Rahmen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts gegenüber. Die Anfragen umfassten Verdachtsfälle auf Kreditkarten- und Bestellbetrug, in zwei Fällen Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie sowie Angriffe auf Internetserver. In 15 Fällen wandten sich außerdem Privatpersonen an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz, wobei beispielsweise der Vorwurf der Beleidigung und der Störung von Diskussionsforen gemacht wurde. Vielfach ging es dabei auch um das Ausnutzen von Sicherheitslücken auf Webservern, die mit besseren Datensicherheitsmaßnahmen hätten geschlossen werden können. Diese Anfragen erreichten das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz deshalb, weil beim Rückverfolgen von Web-Nutzeradressen die IP-Adresse des Anonymisierungsdienstes erscheint, für den das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz die rechtliche Betreuung übernommen hat. Da es gerade eine Eigenschaft des Anonymisierungsdienstes ist, keine Verbindungsdaten zu speichern, die eine spätere Identifizierung der Nutzer zulassen, wurde den Anfragern in allen Fällen mitgeteilt, dass die Erteilung derartiger Auskünfte nicht möglich ist.

Aus diesen Zahlen lässt sich bei aller Vorsicht der Schluss ziehen, dass offenbar die überwältigende Mehrzahl der Internet-Nutzungen nicht zu kriminellen Zwecken erfolgt. Nur bei einem verschwindend geringen Prozentsatz ergab sich überhaupt ein Verdacht in diese Richtung. Dies ist umso überraschender, als man kriminellen Missbrauch gerade bei garantierter Anonymität vermuten könnte. Auch wenn man die nunmehr festgestellten Zahlen nicht ohne Weiteres verallgemeinern kann, so erscheint es doch in hohem Maße unzutreffend, wenn aus einzelnen aufsehenerregenden Verdachtsfällen in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, als sei das Internet generell ein kriminalitätsbelasteter Raum. Im Internet werden allem Anschein nach nicht mehr Straftaten begangen als im realen Leben.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz und die Technische Universität Dresden sehen in dieser Auswertung ein positives Zeichen. Sie beabsichtigen, AN.ON systematisch weiter auszubauen. Vor wenigen Tag hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz einen eigenen Anonymitätsserver in Betrieb genommen. Dem Projekt kommt deswegen inzwischen eine besondere Bedeutung zu, weil dieser Anonymitätsdienst nach Einstellung des Betriebs anderer starker Internet-Anonymisierungsdienste (z. B. Network von Zero-Knowledge-Systems, Safeweb) als einziger weiterhin nicht kommerziell das anonyme Surfen auf dem bestmöglichen Niveau ermöglicht. Soeben hat die Zeitschrift CHIP (Heft 9 2002, S. 207 ff) AN.ON zum Sieger eines Vergleichstests erklärt, weil damit "beste Anonymität im Web" geboten werde.

Letztlich geht es bei AN.ON um die Verwirklichung des Teledienstedatenschutzgesetzes. Dort heißt es in § 4 Abs. 6 wörtlich:

"Der Diensteanbieter hat dem Nutzer die Inanspruchnahme von Telediensten und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeiten zu informieren."

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein Holstenstraße 98, 24103 Kiel Tel.: 0431/988-1200 Fax: 0431/988-1223 E-Mail: mail@datenschutzzentrum.de Internet: www.datenschutzzentrum.de Informationen über AN.ON unter:

http://www.datenschutzzentrum.de

oder

http://anon.inf.tu-dresden.de ------- End of forwarded message -------

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