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[FYI] Leben unsere Schüler auf dem Mond?
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] Leben unsere Schüler auf dem Mond?
- From: Kristian Köhntopp <kris@koehntopp.de>
- Date: Sun, 05 Mar 2000 14:40:35 +0100
- >Received: from koehntopp.de (valiant.koehntopp.de [193.102.57.3])by white.koehntopp.de (8.9.3/8.9.3/SuSE Linux 8.9.3-0.1) with ESMTP id OAA05321for <debate@fitug.de>; Sun, 5 Mar 2000 14:41:31 +0100
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http://www.kn-online.de/htm/aktuell/lok/c-Wirtschafts-Junioren.htm
http://www.kn-online.de/htm/aktuell/lok/c-kpmmentar.htm
Leben unsere Schüler auf dem Mond?
Berufsbörse: Veranstalter enttäuscht über
Desinteresse und falsche Vorstellungen
"Mit einer Drei in Mathematik könnte ich noch
leben", sagt Knut Nicholas Krause: "Mit mangelnder
Motivation nicht." Die 20 Schüler im Klassenraum
des Gymnasiums Elmschenhagen machen große Augen,
als der Geschäftsführer und Gründer des Kieler
Software-Unternehmens KNK in punkto
Einstellungsvoraussetzungen für Fach-Informatiker
Klartext redet. Wie und wo es in den Betrieben
wirklich langgeht, vermittelten Unternehmer und
leitende Angestellte den Schülern bei einer
Vorstellung von 17 Berufen.
Trotz der Beteiligung von rund 230 Gymnasiasten
machten die Veranstalter keinen Hehl aus ihrer
Enttäuschung. "Wir haben 31 Schulen vom Gymnasium
bis zur Hauptschule angeschrieben - angemeldet
haben sich aber nur vier Gymnasien", berichtet
der Mitbegründer des Arbeitskreises Schule/Wirtschaft
der Kieler Wirtschaftsjunioren, Berndt Schmidt,
von den umfangreichen Vorbereitungen des
Pilotprojektes.
Auch an den seit einem Jahr stattfindenden Treffen
von Unternehmern mit Pädagogen zur Verbesserung
der Übergangs von Schule ins Berufsleben nähmen
maximal sechs Lehrer teil - fast ausschließlich
von Gymnasien. Als Begründung für das mangelnde
Interesse vermutet Schmidt: "Die meisten Lehrer
sind froh, wenn sie mit ihrem Stoff durchkommen.
Da wird dann keine Zeit mehr für außerschulische
Veranstaltungen investiert." Dabei sei
Handlungsbedarf an der Schnittstelle von Schule
und Ausbildung dringend geboten. Schmidt: "Die
Erwartungen der Unternehmen an ihre künftigen
Auszubildenden und die Vorstellung der Jugendlichen
von ihrer beruflichen Zukunft klaffen immer weiter
auseinander."
Diese Diskrepanz spürten auch die Jung-Unternehmer
des Arbeitskreises bei ihren Vorträgen in
den Klassenzimmern des Gymnasiums Elmschenhagen.
"Irgendwann will ich doch auch mal richtig Geld
verdienen", meinte eine Schülerin, als ihr die
schmalen Einstiegsgehälter im Lebensmittel-Einzelhandel
genannt wurden. Marten Freund, Geschäftsführer eines
Kieler Schlemmermarktes, konterte trocken: "Kannst
du auch, aber erst will ich Leistung sehen. Wer um
17 Uhr schon ungeduldig wird und nach Hause will,
der hat schlechte Karten."
Wie ein roter Faden zog sich das Rezept für einen
erfolgreichen Berufseinstieg durch die Vorträge
der Referenten: Lust auf den Job, Engagement auch
über die Regelarbeitszeit hinaus, Bereitschaft
zu permanenter Fortbildung, Fähigkeit zur Kommunikation
mit Kunden und Kollegen. "Da haben viele Schüler
einen ganz schönen Schreck bekommen", zog Berndt
Schmidt sein Fazit. Nicht planbare Freizeit, viele
fachliche und persönliche Voraussetzungen - das
habe viele der Schüler bei ihren Berufswünschen
"ziemlich verunsichert". Doch diese Verunsicherung
hält der Prokurist einer Großbank für fruchtbar:
"Denn erst diese Unsicherheit sensibilisiert die
Schüler für die Realität." Um deren Realitätssinn
weiter zu steigern, soll die Veranstaltung im
kommenden Jahr wiederholt werden. Doch damit nicht
genug. Schmidt: "Die dem Arbeitskreis angeschlossenen
Unternehmer werden in Zukunft zusätzliche Praktika
für Jugendliche anbieten, die trotz eigener Bemühungen
keine ausreichenden Möglichkeiten hatten, ihre
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen." Die
zunehmende Orientierungslosigkeit in punkto
Berufswahl und die oft unrealistische Einschätzung
ihrer Fähigkeiten erklärt sich Schmidt so: "Viele
leben in der Schule wie unter einer Glocke, unter
der sie ohne Ende behütet werden." JÜRGEN KÜPPERS
Kommentar Seite 2
Interessierte Pädagogen aller Schularten können am
nächsten Treffen der Wirtschaftsjunioren am 13.
März ab 20 Uhr im Max-Filmcafé (Eichhofstraße 1)
teilnehmen.
Der Kommentar zur Initiative der Kieler Wirtschaftsjunioren
Pädagogen ignorieren Chance
Die Jung-Unternehmer aus dem Kreis der Kieler
Wirtschaftsjunioren haben ein ungewöhnliches
Zeichen gesetzt. Statt in den von Misstönen
begleiteten Klage-Chor von Arbeitgebern über
unzureichende Motivation und Qualifikation
von Schülern für das Berufsleben mit einzustimmen,
greifen sie zur Selbsthilfe - reden in Schulen
Klartext über ihre Erwartungen, suchen auch das
Gespräch mit Lehrern. Doch nur wenige Pädagogen
nehmen davon Notiz.
31 Kieler Schulen von der Hauptschule bis zum
Gymnasium wurden für das nun gestartete
Pilot-Projekt "Vorstellung von Berufsfeldern"
angeschrieben. Ganze vier davon haben die
Möglichkeit zum direkten Gespräch mit den
Praktikern aus der Wirtschaft genutzt. Auch
bei den anderen Aktivitäten der Jung-Unternehmer
ist die Resonanz kaum besser. Praktikumsplätze
in den Betrieben für Lehrer bleiben unbesetzt.
Zum Erfahrungsaustausch mit Unternehmern kommen
- wenn überhaupt - maximal sechs Pädagogen.
Was die Unternehmer hier auf den Weg gebracht
haben, ist die Chance zu einer Verbesserung des
Übergangs von Schule in den Beruf, an dem es
noch gewaltig knirscht. Denn die Erwartungen von
Jugendlichen und die berufliche Realität driften
immer weiter auseinander. Wer Angebote für eine
Verbesserung weiter ignoriert, darf sich nicht
wundern, wenn sich das Klischee vom trägen
Beamten-Lehrertum weiter verfestigt.
JÜRGEN KÜPPERS
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"At the end of the day, a culture is ruled not just by its laws but by
its
social norms. The social norms of the Internet and of the Open Source
community, which have proven so productive in the development of the
Web,
need to be recognized, honored, and upheld." -- Tim O'Reilly