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[FYI] Reinhold Grether: "Mailinglisten verkörpern die Ideologie des Immer-so-weiter"



http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/8212/1.html

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Von der Netzkritik zur Politik des Code

Reinhold Grether   01.06.2000  

Blueprint für TOYWAR II  

[...]

Aktionsfelder einer progressiven  Politik des Code  

Abschließend eine kleine Skizze möglicher Aktionsfelder, die sich - 
wie Dotcoms und wir alle - die Fragen gefallen lassen müssen: Was 
soll denn vernetzt werden? Warum eigentlich? Welche Arten von 
Netzwissen werden professionalisiert? Kommt das Internet als 
Weltkulturmedium voran? Eröffnen sich neue Chancen für 
Weltkulturkapitalproduktion?  

1.) ICANN.  ICANN steht für eine totale Kontrolle des Internets durch 
die US-Regierung und für eine künstliche Verknappung von Domainnamen. 
ICANN soll das Management des A-Root-Servers übernehmen und oberste 
Regulierungsbehörde des Internets werden. Daraus ergibt sich die 
Doppelstrategie einer unerbittlichen Delegitimierung von außen und 
einer massierten Demokratisierungsbewegung von innen. Einerseits eine 
Implementierung neuer Toplevel-Domains durch das bestehende System 
hindurch, andererseits Erwerb der ICANN-Mitgliedschaft und 
progressive Politik von innen.  

2.) Ausrichtung der Entwicklungspolitik auf die Finanzierung von 
Wireless-broadband-Netzen für Entwicklungsregionen.  

3.) Eine weltweite Kampagne für die Einführung von Open Source in 
internationalen Organisationen, Regierungen, Verwaltungseinheiten, 
Firmennetzwerken und Schulen.  

4.) Globalisierung der Sprachenvielfalt. 90% der Netzintelligenz 
fällt durch das Zwangsdiktat des Englischen durch den Rost. Die 
Anglokraten sind das Gegenstück der Digerati.  

5.) Entwicklung von Peer-to-Peer-Architekturen. Peer-to-Peer 
bedeutet, dass User Dateien ihrer Festplatte für das Netz freigeben, 
ohne dass ein Server dazwischen geschaltet wird. Die Zukunft gehört 
Open-Source-Projekten wie  Freenet, insbesondere wenn sie alle 
Dateiformate exportieren, alle Dateien verschlüsseln und alle Rechner 
anonymisieren.  

6.) Einlösung alter Protokollversprechen. Weiterentwicklung des WWW 
zur Versionsvielfalt userveränderbarer Webseiten (editierbare 
Dokumente) und zur freien Verlinkung in existierende Webseiten hinein 
(reversible Links).  

7.) Etablierung browserloser Netze in Weiterentwicklung von  Netomat. 
 
8.) Technisierung der Netzkultur. Mailinglisten verkörpern die 
Ideologie des Immer-so-weiter. Sie können in echte 
Kooperationsplattformen umgewandelt werden, sodaß eine Vielzahl von 
Arbeitsgruppen parallele Projekte bearbeitet. Mailinglistenarchive 
gewinnen an Wert, werden die Beiträge untereinander ständig neu 
verlinkt. Die Blastertechnologie kann das: sie assoziiert 
Themenbezüge automatisch.  

9.) Aufbau technischer, medialer und sozialer Infrastrukturen 
virtuellen Protests. So entwickelt  Alvar Freude, Co-Autor des  
"Assoziations-Blasters", als Semesterarbeit des "Active Link"-
Seminars  Olia Lialinas an der Stuttgarter  Merz-Akademie ein 
"Virtuelles Demonstrations-Netzwerk", das für Virtuelle Sit-ins 
eingesetzt werden kann. Parallel dazu hat sich eine Begleitgruppe aus 
Juristen, Politologen und Publizisten gebildet, die die Diskussion um 
Legitimität und Legalität des Netzaktivismus in die Öffentlichkeit 
tragen will.  

[...]

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