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Software-Innovation und Monopole



Xuan Baldauf schrieb:

> Ich denke, dass es einleuchtend ist, dass bei sequentiellen
> Erfindungen (z.B. hypothetisch: Glühdraht in Vakuum -> Glühbirne ->
> Glühlampe mit Ausschmückungen, etc.) jeder Schritt in der Sequenz im
> schlimmsten Fall (und das kann der Regelfall sein) solange dauert, wie
> die Monopol-Zeit (20 Jahre?) für ein Patent ist. Sobald jemand
> schneller als das Monopol-Interval im Nachdenken über mögliche
> Verbesserungen (oder Aufbauten auf eine bestehende Erfindung) ist,
> wird er ausgebremst.

Ganz so ist es auch nicht.  Patente bieten sogar Konkurrenten einen
Ansporn fuer Nachfolge-Erfindungen.  Eine besonders bei japanischen Firmen
beliebte Taktik ist es, um das Patent eines Gegners herum weitere
Nachfolge-Patente zu bauen.  Man darf diese Techniken dann zwar selber
vielleicht nicht benutzen, aber auch der Gegner wird zermuerbt.  
Irgendwann gibt er auf, und beide Seiten tauschen unter sich
Patentlizenzen.  Dadurch haben beide Seiten zuungunsten Dritter einen
Wettbewerbsvorteil erworben.  

Ueber die Wirkung von Patenten auf sequentielle Innovation, insbesondere
Software-Innovation haben Bessen & Maskin (MIT) recherchiert

	http://www.researchoninnovation.org/patent.pdf

und festgestellt, dass in diesem Bereich der oben beschriebene
Zermuerbungskrieg zu hohe Transaktionskosten erzeugt, waehrend der
Wettbewerb durch kleine Zeitvorspruenge, Betriebsgeheimnis, Urheberrecht
etc viel reibungsaermer an die Gegebenheiten der sequentiellen Innovation
angepasst ist.

> In der Computer-Technologie sind die Entwicklungs-Zyklen viel kürzer
> (u.U. eine Minute...), da sind 20 Jahre nicht mehr ganz zeitgemäß.

Was verstehst du unter einem "Entwicklungszyklus"?  Oft ist auch von
"Innovationszyklen" die Rede. 

Ist es die Zeit, innerhalb derer sich eine Innovatios-Investition
amortisiert?  Oder die Zeit, die der Konkurrent benoetigt, um den
Vorsprung aufzuhalten?  Oder die Zeit zwischen zwei
Versions-Veroeffentlichungen?  Was ist daran zyklisch?

> Sobald also eine Anwendung einer Erfindung entwickelt wird, die selber
> wieder eine Erfindung ist, aber die Entwicklung innerhalb der
> Schutz-Zeit fertiggestellt ist, ist der Nachteil sichtbar. Patente
> verhindern also Innovation, wenn die Innovation schneller ist. Die
> einzige Ausnahme ist, wenn man selbst Eigentümer des Patents ist, oder
> man die Zustimmung des Eigentümers hat.

Man brauechte da ein etwas besseres Rechenmodell, wie etwa Bessen & Maskin
es vorschlagen.  Hieran weiter zu arbeiten und Wirtschaftswissenschaftler
zu suchen, die es tun, ist eine der Aufgaben in unserer Aufgabentabelle

	http://swpat.ffii.org/girzu/task/

> Das aber widerspricht ganz den Grundsätzen der Marktwirtschaft, dass
> jemand ein Monopol auf Innovationen (nämlich die, die auf das Patent
> aufbauen) hat. Und es widerspricht auch dem Gleichheitsgrundsatz.

Ganz so einfach laesst sich nicht argumentieren.  Die Grundsaetze der
reinen Marktwirtschaft passen ohnehin nicht zu den Gegebenheiten
informationeller Gueter.  Diese tendieren dazu, schnell Gemeingut zu
werden.  Beim marktwirtschaftlichen Wettbewerb zielen die Parteien aber
auf den Aufbau von Privateigentum.  Wo die Fruechte privater Investitionen
sofort zu Gemeingut werden, mag es einen freien Wettbewerb geben, aber
dieser freie Wettbewerb boete dann keinen Anreiz zur Schaffung von
Informationswerten sondern nur Anreize zum Abschoepfen der Fruechte.

In Wirklichkeit werden allerdings auch ohne Patentrecht die Fruechte
privater Software-Innovationen bei weitem nicht sofort zu Gemeingut.
Es entstehen genuegend private Vorteile, und kaum irgendwo ist ein Mangel
an Anreizen festzustellen.  Dieser Mangel existiert nur in der Fantasie
einiger Patentjuristen wie BGH-Richter Mellulis

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-mellu98de.html

und selbst dort, wo er existiert, tragen Patente nicht unbedingt etwas zu
einer Problemloesung bei.

> Auszug aus: http://www.vwler.de/Who_is_Who_/Adam_Smith/adam_smith.html:
> 
> "Das vorliegen vollständiger Konkurrenz und die Stabilität des privaten
> Sektors sorgt für eine automatische Bewegung des Preises hin zum
> Gleichgewichtsniveau. Anhaltende Ungleichgewichte mit Unterbeschäftigung
> sind nicht möglich."

Das ist natuerlich auch graue Theorie.  Es kann schon mal einen jahrelange
krasse Unterbeschaeftigung geben, die dann auf einmal in jahrelangen
krassen Arbeitskraeftemangel umschwappt.  Auch wenn theoretisch alles auf
ein Gleichgewicht zusteuert, koennen die Wellenbewegungen so stark sein,
dass keine Gesellschaft sie aushaelt. 
 
> Wo die vollständige Konkurrenz nicht da ist, funktioniert der Markt nicht.
> Unser lieben europäischen Liberalisierungsanhänger sollten also in Richtung
> Liberalisierung gehen, so wie sie es immer preisen, und Konkurrenz
> ermöglichen, und zumindest Software-Patente abschaffen.
> 
> Vielleicht kann jemand ja diese Wirtschafts-theoretischen Gedankengänge
> einem einflussreichen Politiker erklären...

Zumindest sollten die Liberalisierungs-Anhaenger mal sich dessen bewusst
werden, wie weit die heutige Wirklichkeit von der des Adam Smith aus dem
Lehrbuch entfernt ist.

Leider wird in den VWL-Studiengaengen der Unis so gut wie nie ueber die
Oekonomie der Information geredet.  Es geht immer nur um materielle
Gegenstaende, die ohne weiteres privat besitzbar sind.  Auch in Klassikern
der Volkswirtschaftslehre (sowohl bei Liberalen als auch bei Befuerwortern
staatlicher Planung) kommt die Problematik meist nur indirekt zum
Vorschein.

Kenneth Galbraith etwa stellt fest, dass die Marktwirtschaft heutzutage
eine Wirtschaft der relativen Monopole ist, und dass das nicht anders sein
kann.  Jeder Wettbewerb ist ein Wettbewerb um relative Monopolpositionen.
Der von jeglicher Monopol-Krampfader befreite reine Leistungs-Wettbewerb
wuerde laut Galbraith wenig Anreize zur Leistung bieten.  Er wuerde nur
alle Parteien auslaugen und niemandem Luft fuer Investitionen lassen.

Galbraith stellte in den 70er Jahren fest, dass dies fuer den damals
modernen Kapitalismus kennzeichnend gewesen sei. Das hat vermutlich viel
mit der Bedeutung von Gemeinguetern und der Bedeutungszunahmen des Faktors
Information zu tun.  Aber es wird meist nicht so gesehen.  Studien zum
Thema Software-Innovation sind erst recht wie die Nadel im Heuhaufen zu
suchen.

-phm