[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI



> Obiges ist die die Privatmeinung des Präsidenten, kein Beschluß der
> GI.

Leider nicht.  Es handelt sich hier um eine Presseerklaerung der GI.

 URL  : http://www.gi-ev.de/informatik/presse/presse_000913.shtml
 Titel: 
   GI Gesellschaft fuer Informatik e.V. - Pressemitteilung
   Softwarepatentierung: Wissenschaftliche Leistung muss geschuetzt werden!

die in der Presse wird das mit "Informatiker fordern Softwarepatente"
referiert wird, z.B.

	http://www.zdnet.de/feedback/news/show-wc.php3?n=2000-09-14011

Dort wird auch von Lesern ein Ruecktritt des Prof. Mayr gefordert.

Aus Antwortschreiben von der GI an Kritiker geht hervor, dass die
Erklaerung im "mit vielen Fachleuten aus der GI beraten und abgestimmt"
wurde.

Es folgen meine Kritik an Mayrs PE und die des Ruecktrittsforderers auf
ZDNet.

-------------------------------
>    Softwarepatentierung: Wissenschaftliche Leistung muss geschützt werden!

Eine gewagte These.

Laut traditionellem Verstaendnis des Patentrechts sind gerade
wissenschaftliche Theorien vom Patentschutz ausgenommen.

Oder meint Mayr vielleicht, das Urheberrecht an wissenschaftlichen
Leistungen muesse vor Softwarepatenten in Schutz genommen werden?

Softwarepatente hoehlen bekanntlich den Urheberrechtschutz aus.  Sie
fuehren dazu, dass ein Programmierer die Fruechte von jahrelanger
Programmierarbeit nicht mehr sein eigen nennen darf.

> Bonn, 13. September 2000 Als "zu emotional" und "den Sachverhalt verzerrend"
> hat der Präsident der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI), Prof. Dr.
> Heinrich C. Mayr, die aktuelle Diskussion um Pro und Contra der
> Softwarepatentierung bezeichnet.

Leider beginnt gerade Herrn Mayrs PE recht emotional mit einem gewagten
Ausruf.
 
> Durch den Paradigmenwechsel von ,der Kunst der Computerprogrammierung' zur
> ,Softwaretechnik', also der ingenieurmäßigen Konstruktion und Entwicklung von
> Software, sei dieser Zweig der Informatik zu einer Ingenieurdisziplin
> geworden.

Wann hat dieser Paradigmenwechsel stattgefunden?

Was sind die Kennzeichen einer "Ingenieursdisziplin" im Gegensatz zu einer
"Programmierkunst"?

Mir fiele ein
1 generalstabsmaessige Organisation in relativ grossen Unternehmen
2 Laborexperimente mit Natuerkraeften

Was noch?

Die Computerprogrammierung hat zeitweilig, etwa in den spaeten 80er und
fruehen 90er Jahren das Merkmal 1 aufgewiesen.  Mit dem Aufstieg des
Internet ist diese Tendenz aber wieder zurueckgegangen.  Merkmal 2 hat
es nie gegeben und wird es per Definition nie geben.

Das Patentwesen ist ziemlich genau dort anwendbar, wo beide oben
angefuehrten Merkmale gegeben sind.

Moeglicherweise liegt bei Herrn Mayr eine Verwechslung vor.  Durch die
theoretischen Leistungen der Informatik ist in die "Programmierkunst"
zunehmend System und Methode gekommen.  Aehnlich wie bei den
Ingenieursdisziplinen gibt es einen regen Dialog zwischen der "Kunst" und
den ihr zugeordneten Grundlagenwissenschaften.

Einen solchen Dialog gibt es allerdings auch in anderen Disziplinen,
z.B. bei der musikalischen Komposition. 

Mitunter ist die Frage der Einordnung der Informatik eine Prestigefrage.  
In den Ingenieurwissenschaften wird viel Geld verdient, das den
Naturwissenschaftlern zugute kommt und ihr Prestige erhoeht.  Deshalb
versuchen Geisteswissenschaftler bisweilen gerne, ihre Diszplin an dem
Paradigma der Naturwissenschaften zu orientieren und dort einzuordnen.
Begriffe wie "Datentechnik" und "software engineering" haben ebenso wie
die von Sozialwissenschaftlern gerne postulierte "Exaktheit" ihrer Methode
sowie der von ihnen gebrauchte Begriff "social engineering" viel mit dem
Versuch zu tun, bei den von unserem Wirtschaftssystem besonders
beguenstigten Disziplinen etwas Prestige zu leihen. 

In Wirklichkeit ist jede Diszplin eigenstaendig und sollte sich ihre Werte
auf Grund ihrer Gegebenheiten und Erfordernisse selber setzen.

> Die Qualität und Zuverlässigkeit heutiger, von Informatiker/inne/n
> entwickelter Softwaresysteme seien diesem Wechsel zu verdanken. 

Der bekannteste Vertreter der "Kunst des Programmierens" ist der
Informatiker Donald Knuth. Ist sein System TeX weniger hochwertig oder
zuverlaessig als heute entwickelte kommerzielle Softwaresysteme?

> Damit sei es nur folgerichtig, auch die Spielregeln der Technik auf
> neue Erfindungen im Bereich der Softwareentwicklung anzuwenden und für
> diese einen patentrechtlichen Schutz zu ermöglichen.

bitte "folgerichtig" begruenden.
Was folgt wie woraus?
 
>      "In der Vergangenheit hatten die deutsche Ingenieurausbildung und die
>      aus ihr hervorgehenden Patente einen sehr guten Ruf. Die
>      Patentierbarkeit von Software-Erfindungen könnte der deutschen, aber
>      auch der europäischen Softwareindustrie die Chance eröffnen, hieran
>      anzuknüpfen",

Heute haben deutsche Programmierer noch immer einen guten Ruf. Aber sie
wollen groesstenteils nicht an die Ingenieurstradition anknuepfen.  
Studien wie die in

	http://swpat.ffii.org/xatra/epue28/epue28de.pdf

Anhang G erwaehnte "Acceptable Forms of Protection of Software IP" zeigen,
dass auch in den USA 10 Jahre nach Einfuehrung von Softwarepatenten 84%
der Programmierer kommerzieller Grossunternehmen diese fuer ein
untaugliches Mittel zum Schutz ihres "geistigen Eigentums" halten und dem
Urheberrecht den Vorzug geben.
 
> so Mayr.  Denn gerade die Kreativität unserer Informatiker und
> Informatikerinnen brauche den internationalen Vergleich nicht zu
> scheuen.

Wer sagt das? 

"Unsere Informatiker ..." wandern schon heute gerne nach Kalifornien aus,
und bei den wenigen Grossunternehmen, die unter einem Softwarepatentsystem
amerikanischen Typs auf Dauer ueberleben, werden in kurzer Zeit viele
Patente einfahren.

> Natürlich ginge es nicht an, einfache Standards zu schützen, und damit
> Quasi-Monopolstellungen zu ermöglichen. 

Ja, und welche Mittel bietet das Patentwesen, um dies zu verhindern?
Zwangslizenz fuer Verfahren, die Bestandteil von Standards werden?
Derzeit nicht einmal im Gespraech und auch nicht leicht zu realisieren.
Bekanntlich neigen alle informatischen Verfahren dazu, Teil von Standards
zu werden.

> Dies müsse durch eine strenge Prüfpraxis verhindert werden, die den
> jeweiligen Stand der Technik umfassend berücksichtige.

Wie soll das funktionieren?
Wie laesst sich verhindern, dass ein neues Verfahren nach seiner
Patentierung zum Standard wird (Beispiel GIF, ASF, MP3, WAP) ?


> Dafür sei es insbesondere nötig, Informatiker/innen zu Prüfern zu
> bestellen, was derzeit praktisch nicht der Fall sei. Auf diese Weise
> könnten auch den Bedenken der Open Source Bewegung Rechnung getragen
> werden, erläuterte Mayr.

Die Bedenken werden von der "OS-Bewegung" am lautesten geaeussert.
Aber sie werden von fast allen Softwareunternehmen Europas geteilt.
Und eine Verbesserung der Pruefungspraxis loest keines der
grundsaetzlichen Probleme.

Hat Prof. Mayr die inzwischen recht umfangreiche Fachliteratur zu dieser
Diskussion gelesen?

Einige Hinweise gibt es im Anhang von

	http://swpat.ffii.org/xatra/epue28/epue28de.pdf

Wir hoffen auf eine baldige Antwort.

Unsere Diskussion kann von einem serioesen Gegenpol nur gewinnen.  Dieser
hat bisher gefehlt.  Aber Herr Mayr sollte erkennen, dass es nicht leicht
ist, ihn aufzubauen, und dass eine Lobby von Patentjuristen im Moment
bestrebt ist, vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor die Diskussion sich
ueberhaupt entfalten kann.  Jeder, dem jetzt an einer
"unemotionalen" sachlichen Diskussion gelegen ist, muss mit uns ein
Moratorium auf die Ausweitung der Patentierbarkeit fordern. 
 
----------------

Von: crazy
Am: 14.9.2000, 11:21 Uhr
Thema:  Ruecktritt gefordert

Meinung:

Susanne Rieger schrieb ueber Heinrich Mayr:

Die Kunst der Programmierung sei zur Softwaretechnik geworden.
falsch, denn : Die Programmierung, die mithilfe Softwaretechnik (case,
came tools, etc) durchgefuehrt wird, fuehrt zu viel zu einfachen
Ergebnissen und ist zu aufwendig.  Dem müsse nun mit der Möglichkeit
der Patentierung Rechnung getragen werden.

falsch: schluss nicht nachvollziehbar, da gute Programme immer noch
Programmierkunst sind. (kurz, gut lesbar, schnell, portierbar,
schnell zu verstehen und zu bedienen, doch leider werden solche
Programme viel zu schnell als 'selbstverstaendlich weil einfach'
hingenommen) Software werde mittlerweile nach industriellen Standards
konstruiert und entwickelt.  allerhoechstens schnittstellen,
dateiformate oder protokolle sind industrielle Standards, aber nicht
die software selber.  Daher sei auch die Qualität der Systeme
gestiegen.

falsch: nicht nachvollziehbar, Softwarequalitaet nicht messbar.
obendrein habe ich genau den entgegengesetzten eindruck.  Wenn man
sich vorstellt, dass aufgrund immer schneller werdender Rechner die
schlampigkeit der programmierer zunimmt, dass statt Baeumen listen
oder gar arrays verwendet werden und gigabyteweise speicher durch die
gegend kopiert wird, kann man sich das gegenteil etwas genauer
vorstellen.  Bedingt durch diesen Paradigmenwechsel ...
Paradigmenwechsel somit frei erfunden.  sei es nun folgerichtig, die
Spielregeln der Technik auf neue Software-Enwicklungen anzuwenden.
Auch Programme sollten patentrechtlichen Schutz erfahren können.

falsch: schluss somit nicht nachvollziehbar.

Mayr wandte sich aber dagegen, einfache Standards zu schüzten und
damit de-facto-Monopole zu erreichten.  ein funken gewissen schlaegt
mit entgegen. Aber an welcher Stelle hoehren einfache Standards auf
und werden zu kompilizierten Standards?  oder gar zu einfachen
nichtstandards?  Dies müsse gemäß dem jeweiligen Stand der Technik
streng überprüft werden.  skepsis macht sich breit. Der Stand der
Technik ist nicht definierbar, welches obendrein durch den
Modewortcharakter von 'Stand der Technik' untermauert wird.

Die Prüfer müssten unbedingt aus den Reihen der Informatiker
rekrutiert werden, da nur sie die Sachlage richtig einschätzen
könnten.  Die Sachlage ist aber leider immer prinzipiell dieselbe,
naemlich die, dass der programmierer unter bestimmten vorraussetzungen
einen bestimmten weg gegangen ist, der zur loesung gefuehrt hat.
Laesst sich also feststellen, dass die loesung kurz uns praezise ist,
und ein anderer Weg um laengen aufwendiger, und die Idee erscheint und
genial und schutzwuerdig, so stellt sich gleichzeitig immer die frage,
in wieviel entwicklungen sich dieses Konzept wiederfinden wird oder
bereits jetzt wiederfinden laesst, wann also das Problem bereits
aufgetaucht war und somit zum Werkzeug, genauer zu einer
geisteshaltung des Programmierers geworden ist, welche Ihn beim
programmieren immer begleiten wird und immer gegenwaertig ist.  Darf
er an diesen gedanken nicht mehr denken, da das patentrecht ihm dies
bis auf nutzung einer lizens verbietet, wird seine leistung
automatisch eingeschraenkt werden und seine entwicklungen merklich
verlangsamt.

Die Billigung von Softwarepatenten ist Zensur von Gedanken und
verstoesst in aller Form gegen die im Grundgesetz festgehaltene
Freiheit des Wortes und der Gedanken.

Ich fordere den Ruecktritt vom Präsident der Gesellschaft für
Informatik, Heinrich Mayr aufgrund fehlender Eignung fuer diesen
Posten und die durch diese Aeusserung offengelegte Absicht elitaere
Organisationen zu schaffen und Ihnen zu Macht zu verhelfen. Weiterhin
bezichtige Ich Herrn Heinrich Mayr zur Beihilfe am Verstoss gegen das
Grundgesetz.

-phm