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Re: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI



> > Was hat denn Haftung mit Patentschutz zu tun ?
> 
> Zugegeben, war nur ein vielleicht zu kurz geratener Schlenker.
> Auch bei der Anmeldung eines Softwarepatentes muss ja voll der
> Stand der Technik geprueft werden. Geschieht dies durch den
> Patentanwalt nicht ordnungsgemaess, ist schon die Haftungsfrage
> auf dem Tisch. Ich frage mich allerdings, wie denn wohl eine
> solche Neuheitsrecherche funktionieren soll. Vielleicht kennt
> jemand die Ueberlegungen der Oberdruiden insoweit. 

Normalerweise erledigt das Patentamt die Recherche.
Der Patentanwalt ist dazu nicht verpflichtet.
Es ist allenfalls moeglich, gegen absichtliches Verschweigen bekannter
Technik zu klagen, aber dieser Tatbestand ist kaum nachweisbar.

Angesichts der Wertlosigkeit der Patentpruefung ist Frankreichs Position
vernuenftig:  es findet keine Sachpruefung sondern nur eine Normalpruefung
statt.  Dadurch laesst sich ein franzoesisches Patent immerhin schnell und
billig erwerben.

Als Beispiel fuer einen Patentanspruch, wie er typischerweise von
Sachpruefern des EPA gewaehrt und von Gerichten nicht beanstandet wird,
sei nochmals auf das BPatG-Urteil 17W/69/98 von Ende Juli 2000 verwiesen:

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html

--------------------
   
   Der geltende Patentanspruch 1 vom 10. Februar 1998, eingegangen am 12.
   Februar 1998, lautet:
   
     Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer
     fehlerhaften Zeichenkette F_i in einem digital gespeicherten Text,
     der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S_i enthält,
     
     dadurch gekennzeichnet, dass
     
    a. die Auftretenshäufigkeit H(S_i) der fehlerfreien Zeichenkette S_i
       ermittelt wird
    b. die fehlerfreie Zeichenkette S_i nach einer Regel R_j verändert
       wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f_ij erzeugt
       wird,
    c. die Auftretenshäufigkeit H(_ij) der Zeichenkette f_ij in dem Text
       ermittelt wird,
    d. die Auftretenshäufigkeiten H(_ij) und H(S_i) verglichen werden und
    e. basierend auf dem Vergleich in Schritt (d) entschieden wird, ob
       die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(_ij) die gesuchte
       fehlerhafte Zeichenkette F(_j) ist.
       

Auch das BPatG hatte an der Qualitaet des obigen Hauptanspruchs nichts
auszusetzen.

Unbedingt lesenswert sind jedoch die klaerenden Worte des BPatG zum
"Computerprogramm als solchen" und den diversen Scheinargumenten des EPA
und BGH, die hier schoen und klar widerlegt werden:

   ...
   
   Eine Definition des Begriffs "Programms als solchen" ist weder dem
   Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung noch der bisherigen
   höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen... In der Entscheidung
   "Logikverifikation" (Mitt 2000, 293) hat der BGH nunmehr jedoch hierzu
   Ausführungen gemacht und auf im wesentlichen drei unterschiedliche
   Meinungen hingewiesen. Danach könne hierunter zum einen das
   gedankliche Konzept, das sich durch die jeweilige Anwendung
   erschließe, verstanden werde, zum anderen das Produkt der eigentlichen
   Programmierung, also die kodierten Befehlsfolgen für den Computer; die
   dritte Meinung liege den Entscheidungen "Computerprogrammprodukt" und
   "Computer program product II" der Beschwerdekammer 3.5.1 des EPA
   zugrunde. Der Senat schließt sich der zweiten Meinung an.
   
   Ausgehend davon, dass Programme für Datenverarbeitungsanlagen das
   Gebiet der Datenverarbeitung bzw Computertechnik betreffen, orientiert
   sich der Senat bei seiner Interpretation des Begriffs "Programm für
   eine Datenverarbeitungsanlage als solches" am Verständnis des
   Computerfachmanns. In der Fachsprache wird der Begriff "Programm"
   mehrdeutig verwendet, bspw für Programmentwürfe, Programmdarstellungen
   in höherer Programmiersprache, ablauffähige Maschinenprogramme und
   auch für die unmittelbar Schaltglieder steuernden Bitmuster eines
   Mikroprogramms (vgl "Das Computerprogramm im Recht" Dr. M.M. König,
   Verlag Dr. Otto Schmidt KG, 1991, Rdn 150-155). Im weiteresten Sinne
   umfasst der Begriff "Programm" die verschiedenen Entwurfsstufen und
   Ausführungsformen eines Programms und wird sowohl für dessen
   Aufzeichnung als auch für ein auf einem Computersystem ablaufendes,
   d.h. aktives Programm verwendet (vgl "Lexikon Informatik und
   Datenverarbeitung", 4. Aufl, R. Oldenbourg Verlag, München Wien, 1998,
   S 652f). Im engeren Sinne verwendet der Fachmann den Begriff
   "Programm" jedoch für den Programmcode und dessen Aufzeichnungen auf
   Klarschriftdatenträgern wie Papier oder maschinenlesbaren
   Speichermedien.
   
   ...
   
   Nach alledem ist der Senat daher der Auffassung, dass unter einem
   "Programm als solchen", das nach §1 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PatG vom
   Patentschutz ausgeschlossen ist, der Programmcode und dessen
   Aufzeichnung auf einem Speichermedium gleich welcher Art, sei es
   Papier oder ein elektronisches Medium, zu verstehen ist. Eine in einem
   Programm enthaltene Lehre - idR ein Arbeitsverfahren - kann hingegen
   eine Erfindung im Sinne des §1 Abs 1 PatG sein, sofern diese Lehre
   technischen Charkter hat, dh Wirkungen entfaltet, die über das übliche
   Zusammenwirken von Programmaufzeichnung und Computersystem
   hinausgehen, und damit den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur
   Erreichung eines Erfolges lehrt.
   
   ...
   
   Eine andere Meinung vom "Programm als solchen" ergibt sich aus der
   Entscheidung "Computerprogrammprodukt/IBM" bzw aus "Computer program
   product II/IBM" (T 0935/97-3.5.1 vom 4. Februar 1999); gemäß der dort
   vorgenommenen Interpretation können Aufzeichnungen von Programmen auf
   Speichermedien patentfähig sein. ...
   
   Dem dort vertretenen Verständnis eines Programms als solchen vermag
   der Senat jedoch nicht zu folgen. Nach den Ausführungen in der
   Entscheidung "Computerprogrammprodukt/IBM" wird der Begriff
   "Computerprogramme" ebenso wie "Computerprogramme als solche"
   unterschiedslos für Programminhalt, d.h. aktiv ablaufende Programme,
   und Programmaufzeichnungen auf Speichermdien verwendet. Eine
   Unterscheidung zwischen dem "Programm als solchen" und dem Programm im
   weiteren Sinn wird dort allein an Hand des rechtlichen Maßstabs des
   "technischen Charakters" getroffen. Danach ist einem auf einem
   Speichermedium gespeicherten Programm technischer Charakter
   zuzusprechen, wenn bei der Auführung der Programmbefehle physikalische
   Veränderungen bei der Hardware (d.h. bei dem ausführenden
   Computersystem) mit weiteren technischen Effekten einhergehen, die
   über das übliche Zusammenwirken von Programmaufzeichnung und
   Computersystem nausgehen. Abgesehen davon, dass sich bei einer
   derartigen Auslegung die Frage stellt, ob überhaupt noch
   Anwendungsfälle für den Ausschlusstatbestand "Programm für eine
   Datenverarbeitungsanlage als solches" verbleiben, werden aber bei
   einer solche Betrachtungsweise dem beanspruchten Gegenstand
   Eigenschaften zugeschrieben, die ihm objektiv nicht zukommen.
   Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 22 ist ein digitales
   Speichermedium, dessen elektronisch auslesbare Steuersignale so mit
   einem programmierbaren Computersystem zusammenwirken können, dass das
   Such- und Korrekturverfahren ausgeführt wird. Wie unter 1.2.1
   erläutert, versteht der Fachmann unter den im Anspruch genannten
   Steuersignalen die Signale, die der Abfolge der aufgebrachten Daten
   entsprechen. Steuersignale, die repräsentativ sind für die Ausführung
   des Such- und Korrekturverfahrens, vermag das beanspruchte
   Speichermdium für sich nicht hervorzubringen. Es vermag nicht zu
   überzeugen, die Patentfähigkeit eines Gegenstandes mit technischen
   Wirkungen oder einem zusätzlichen technischen Effekt zu begründen, die
   dieser Gegenstand nicht - jedenfalls nicht allein - hervorbringen
   kann. Ein "Potential zur Erzeugung eines technischen Effekts", wie es
   in der zitierten Entscheidung einer Aufzeichnung auf einem
   Speichermedium zugeschrieben wird kommt einem Aufzeichnungsträger
   allein nicht zu, sondern erst dem Computersystem mit dem vom
   Speichermedium in den Arbeitsspeicher geladenen Programm, das
   tatsächlich in der Lage ist, ein ggf technisches Verfahren
   auszuführen.
   
   Ebensowenig vermag der Senat der in der Literatur vertretenen dritten
   grundsätzlichen Meinung zum dem Begriff "Programms als solchen" zu
   folgen, wonach hierunter das gedankliche Konzept anzusehen sei, das
   keinen Schutz durch ein Patent verdiene (vgl Mellulis, GRUR 1998, 843,
   850 ff).
   
   Begründet wird diese Meinung aus der Vorstellung, dass jedes
   Datenverarbeitungsprogramm einen vom Verstand des Menschen unabhänigen
   Vorgang in der Datenverarbeitungsanlage steuern könne, so dass jedem
   Programm technischer Charakter zukomme. Die hinter dem Programm
   stehende Konzeption hingegen sei lediglich gedanklicher Natur und
   verdiene deshalb keinen Patentschutz. Eine ggf vorliegende technische
   und erfinderische Leistung werde durch den Fachmann bei der Umsetzung
   der gedankliche Konzeption in eine konkrete Programmausführung
   erbracht.
   
   Hinsichtlich dieser Meinung hat der Senat folgende Bedenken. Es ist
   als grundlegende Tatsache anzusehen, dass hinter jeder Erfindung eine
   geistige, dh gedankliche Leistung steckt. Der geistige Weg zum
   Auffinden einer Problemlösung ist für sich als gedankliche Tätigkeit
   nach §1 Abs 2 und 3 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen. Führt eine
   gedankliche Leistung jedoch zur Lösung einer technischen
   Aufgabenstellung unter Einsatz technischer Mittel, wie bspw zu dem
   erteilten Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur,
   so kann diese angewandte Lehre sehr wohl patentfähig sein. Dies trifft
   auch dann zu, wenn die "Lehre mit dem alle vorgeschlagenen Mittel
   kennzeichnenden Prinzip im Patentanspruch" umschrieben ist, also nur
   das Lösungskonzept angegeben ist (vgl BGH GRUR 1984, 849, 851 -
   Antiblockiersystem). Würde der dargestellten Meinung gefolgt, so hätte
   dies die Konsequenz, dass eine erfinderische Leistung nicht durch die
   grundlegende Konzeption eines Verfahrens bzw Programminhaltes erbracht
   werden kann, sondern lediglich durch die Umsetzung dieser Konzeption
   in konkrete Programmschritte. Aus der Praxis ergibt sich aber, dass
   eine erfinderische Leistung idR gerade in dem grundlegenden Entwurf
   des Systemdesigners zu sehen ist, während die Umsetzung dieses
   Entwurfs in die eine oder andere Befehlsfolge regelmäßig im Bereich
   des fachmännischen Handelns angesiedelt ist, wie auch der vorliegende
   Anspruch 1 erkennen lässt.
   
   ...
   
   Auch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des
   geistigen Eigentums (Trade Related Aspects of Intellectual Property
   Rights = TRIPS) führt zu keiner anderen Beurteilung der
   Patentfähigkeit. Abgesehen von der Frage, in welcher Form das
   TRIPS-Abkommen - unmittelbar oder mittelbar - anwendbar ist (vgl die
   Senatsentscheidung 17 W (pat) 68/98 vom 18. Januar 2000, zur
   Veröffentlichung vorgesehen), würde nämlich auch die Heranziehung von
   Art 27 Abs 1 TRIPS-Abkommen hier nicht zu einem weitergehenden Schutz
   führen. Mit der dortigen Formulierung, wonach Patente für Erfindungen
   auf allen Gebieten der Technik erhältlich sein sollen, wird nämlich im
   Grunde nur die bisher schon im deutschen Patentrecht vorherrschende
   Auffassung bestätigt, wonach der Begriff der Technik das einzig
   brauchbare Kriterium für die Abgrenzung von Erfindungen gegenüber
   andersartigen geistigen Leistungen, mithin die Technizität
   Voraussetzung für die Patentfähigkeit ist (in der Entscheidung des BGH
   "Logikverifikation" ist insoweit die Rede von "nachträglicher
   Bestätigung" der Rechtsprechung durch die Regelung in Art 27 Abs 1
   TRIPS-Abkommen). Auch der Ausschlusstatbestand des §1 Abs 2 Nr 3 und
   Abs 3 PatG kann vor dem Hintergrund, dass er auf dem Gedanken des
   fehlenden technischen Charakters dieser Gegenstände beruht (vgl die
   Ausführungen unter 1.4.1) nicht im Widerspruch zu Art 27 Abs 1
   TRIPS-Abkommen gesehen werden.
   
   Zum Anspruch 23:
   
   Gemäß seinem Wortlaut bezieht sich dr Anspruch auf ein
   Computerprogrammprodukt. Der Begriff "Computerprogrammprodukt"
   entspricht nicht dem üblichen Sprachgebrauch des Computerfachmanns.
   Die Anmelderin will unter diesem Begriff jegliche zur Verbreitung von
   Programmen geeignete Form verstanden wissen. Im vorliegenden Fall ist
   das Computerprogrammprodukt dadurch näher definiert, dass es auf einem
   maschinenlesbaren Träger gespeicherten Programmcode aufweist. Dieser
   Programmcode soll so beschaffen sein, dass er zur Durchführung des
   Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 16 führt, wenn er auf einem
   Rechner abläuft.
   
   Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung stellt sich das
   "Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 dem Fachmann als
   maschinenlesbares Speichermedium mit einer Programmaufzeichnung dar,
   die ein Rechner so interpretieren kann, dass er das Verfahren nach den
   Ansprüchen 1 bis 16 ausführt. In diesem Sinne versteht auch die
   Anmelderin den Anspruch 23. Nach ihren Ausführungen soll der
   Anspruchsgegenstand bspw ein Programmpaket mit mehreren Disketten
   sein, das als handelbares Produkt angeboten wird.
   
   Das Computerprogrammprodukt nach dem Anspruch 23 ist gemäß §1 Abs 1
   und Abs 2 Nr 3 iVm Abs 3 PatG nicht patentfähig.
   
   Dem Verständnis des Fachmanns und den Erläuterungen der Anmelderin
   nach ist unter dem im Anspruch 23 spezifizierten
   Computerprogrammprodukt mit gespeichertem Programmcode sonach nichts
   anderes zu verstehen als unter dem Gegenstand des Anspruchs 22,
   nämlich (mindestens) ein Speichermedium auf dem ein Programm zur
   Ausführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 16
   aufgezeichnet ist.
   
   Das "Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 ist deshalb auch
   nicht anders zu bewerten als das Speichermedium nach dem Anspruch 22,
   so dass auf die Gründe unter 1.3 und 1.4 verwiesen wird. Daher kann in
   dem "Computerprogrammprodukt" nach dem Anspruch 23 keine Erfindung iSd
   §1 Abs 1 PatG erkannt werden; ebenso ist es als "Programm für eine
   Datenverarbeitungsanlage als solches" nicht als Erfindung anzusehen
   (§1 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PatG).
   
   Zum Anspruch 24:
   
   Dem Anspruchswortlaut nach begehrt die Anmelderin Schutz für den
   Programmcode eines Datenverarbeitungsprogrammes, ohne dass dieser auf
   einem Speichermedium aufgezeichnet zu sein braucht. Ihren Erklärungen
   nach möchte sie mit dieser Anspruchsfassung gegen Verletzungen
   vorgehen können, bei denen der Programmcode für das Such- und/oder
   Korrekturverfahren nicht auf einem Speichermedium vertrieben wird,
   sondern über Datennetze, bspw das Internet, übertragen wird.
   
   Gegenstand des Computerprogramms nach dem Anspruch 24 ist sonach
   jeglicher Programmcode, der ein geeignetes Computersystem dazu
   veranlassen kann, das Such- und/oder Korrekturverfahren auszuführen.
   Im Programmcode selbst kann .. nur ein "Programm für eine
   Datenverarbeitungsanlage als solches" erkannt werden, das nach §1 Abs
   2 Nr 3 und Abs 3 PatG nicht als Erfindung anzusehen ist.
   
   Die mit den Ansprüchen 22 bis 24 beanspruchten Gegenstände sind sonach
   keine patentfähigen Erfindungen, so dass die gegen die Zurückweisung
   des Hauptantrags gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen
   war.
   
   Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §100 Abs 2 PatG zuzulassen, da die
   Frage des "Programms als solchen" noch nicht abschließend
   höchstrichterlich geklärt ist.
     _________________________________________________________________
   
                                                                         
    http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html
    2000-07 SWPAT-AG des FFII