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Re: Leibeigenschaft und Geisteigenschaft



> > Erst gerade argumentierte Axel Horns hier, man brauche zumindest für
> > gewisse Bereiche der Softwareentwicklung Patente, um zu verhindern,
> > dass ein Mitarbeiter sein Knowhow zur Konkurrenz mitnimmt.
> 
> Also, ich hatte nur ein Statement von phm kommentiert, wonach es 
> "hervorragende Moeglichkeiten des Insvestitionsschutzes" u.a. durch 
> "Betriebsgeheimnis" gaebe. Das funktioniert nicht, habe ich dazu 
> gesagt, und dabei darauf hingewiesen, dass niemendem verwehrt werden 
> kann, beim Stellenwechsel das mitzunehmen, was man beim bisherigen 
> Arbeitgeber dazugelernt hat, abzueglich konkrete Rezepte, Codes und 
> Plaene. Auf letztere kommt es in vielen praktischen Situationen auch 
> nicht an, und sowohl der AG als auch der ex-AN weisen das. Daran ist 
> nicht zu ruetteln. 

Wie bereits gesagt: dieser Knowhow-Verlust ist für den alten Arbeitgeber
deshalb zumutbar, weil

- ein gut funktionierendes Programm immer einigen Aufwand an
  Programmierung und pflegefähigen Leuten bedeutet
- ein kleiner Zeitvorsprung schon viel bedeuten
- zahlreiche weitere Faktoren für eine gewisse Viskosität der
  Kundenbindungen sorgen.

> Es geht also bei meinem Hinweis gerade nicht um einen Zwang zur
> "Geisteigenschaft".
 
> _Wenn_ ein Arbeitgeber statt der Geheimhaltung als Betriebsgeheimnis 
> den Weg einer Patentierung waehlt, verhaelt er sich geradezu 
> "klassisch" nach dem Ur-Paradigma des Patentrechtes: Zeitlich 
> befristetes Monopolrecht gegen oeffentlichen Informationsfluss.  

Was im Falle der typischen Swpat-Trivialpatente leider weitgehend graue
Theorie bleibt.  Auf die Veröffentlichung dieser Ideen könnte die
Öffentlichkeit gut verzichten.  Aber durch die Existenz zahlreicher
Patente wird vieles unbeweglich, und dadurch kommt indirekt der
Informationsfluss ins Stocken.

Was ich sage, mag auch nach Theorie klingen.  Aber ich habe es im
wesentlichen aus Gesprächen mit Managern von Telekommunikations-Großfirmen
erfahren.  Die schätzten auch den Investitionsschutz ohne Patente als
ausreichend ein und hielten Swpat vor allem für einen Bremsklotz.
 
> > Das von Axel Horns angeführte Argument, die Abwanderung von Wissen
> > müsse durch Patente verhindert werden, greift ähnlich kurz.  
> 
> Also nee, wirklich. Man lese meine Aeusserungen nach. Ich habe nie 
> vertreten, dass "Abwanderung von Wissen durch Patente verhindert 
> werden muesse". 

Ich meinte das, was du oben schreibst:  es wird verhindert, dass in einem
Unternehmen erlerntes Wissen einem anderen Unternehmen zugute kommen kann.
Indirekt bindet das natürlich auch die Mitarbeiter an das Unternehmen.

> Das ist das genaue Gegenteil der "klassischen"  Patentheorie, die ja
> in Softwerkerkreisen schon als tot gilt, aber angesichts dieses
> Vorbringens von phm sozusagen geradezu noch ihre "Wiederauferstehung"
> erlebt (siehe meine Bemerkung oben).

Die Forderung "Befristetes Monopolrecht gegen besseren Informationsfluss"
ist noch quicklebendig, und insoweit wie die Wirklichkeit ihr nicht
gerecht wird, führt das zur Kritik am Patentwesen.

> > Wäre das
> > wirklich ein vordringliches Anliegen, so müsste man als aller erstes
> > den Absolventen unserer Universitäten auferlegen, dass sie bis zum
> > Rentenalter im Lande zu bleiben haben.  Eine solche
> > Freiheitseinschränkung geht auch nicht weiter als die durch Swpat der
> > Allgemeinheit auferlegte Einschränkung. 
> 
> ???

Seit langem gelten Menschen als besonders wichtiges Kapital.

Staaten investieren in das Universitätswesen, um möglichst viel von diesem
"Humankapital" an sich zu binden.  Sie haben hier ein ähnliches Interesse
wie Unternehmen.  Eine Pflicht für Universitätsabsolventen zum Dienst im
eigenen Land wäre eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen.

> > Und eines bedingt das andere:
> > wenn ein deutscher Uni-Absolvent nach San Francisco geht und dort für
> > ein amerikanisches Unternehmen Patente erwirbt, die wiederum den
> > Aktionsradius aller Leute in Deutschland einengen, während die USA an
> > der Bildung im eigenen Lande sparen, stimmt etwas nicht.
> 
> Was stimmt daran nicht?  Das Kapital und der Unternehmungsgeist liegen 
> in diesem Beispiel eben in den USA. 

Dass der deutsche Staat in Humankapital der USA investiert, mit dem dann
hinterher noch daran gearbeitet wird, Freiheiten in Deutschland zu
beschneiden.  Möglicherweise muss sogar die Mutter-Uni Lizenzgebühren an
jenen amerikanischen Kapitalgeber abführen, der vielleicht 3 Monate Gehalt
für den Erwerb dieses Patentes investiert hat, während der deutsche Staat
20 Jahre Ausbildung finanziert hat.

> Ich nehme mal an, der fiktive Uni- Absolvent ist _freiwillig_ in die
> USA gegangen und nicht etwa auf dem Sklavenmarkt dorthin verkauft
> worden. Irgendwelche _Gruende_ wird er daher schon gehabt haben, sich
> _dort_ und nicht in _DE_ zu verdingen.

Z.B. den Grund, dass Unternehmen in US weniger Steuern zahlen.
 
> > Reglementierungen erzeugen häufig eine Kettenreaktion:  eine ruft die
> > andere.  Am Ende der Geisteigenschaft kann dann tatsächlich die
> > Leibeigenschaft stehen.
> 
> Wie saehe das konkret aus?

Bereits jetzt gibt es eine aus einer Art Wettrüsten geborene
Patentinflation.  Große Unternehmen wollen im internationalen
Patentwettbewerb mithalten und wollen daher, dass man vor der Tür all das
anmelden kann, was beim großzügigsten Patentamt der Welt angemeldet werden
kann.  Nur wenn Patente auch zu Hause gelten, sind die Mitarbeiter zu
Höchstleistung beim Patentanmelden anzuspornen.

Ferner ist auch die Bundesregierung seit einigen Jahren zunehmend auf
diesen Zug aufgesprungen.  Das BMBF will 100 Millionen DEM ausgeben, um
das Patentwesen an den Unis auszubauen, in der Hoffnung, dass die Unis
sich weitgehend privatisieren lassen.

Auch hier geht ein Sog von den USA aus:  es zahlt sich aus, Talente von
anderen Ländern (z.B. IT-Inder) abzuziehen und selber eher wenig in
öffentliche Infrastrukturen zu investieren.  Wenn Indien oder DE gegen
diesen Sog rudern möchten, liegt die Möglichkeit nahe, die eigenen
qualifizierten Leuten per Vertrag o.ä. zu verpflichten, sich nicht in
andere Länder abziehen zu lassen.  Sonst ist der Sog möglicherweise schwer
zu durchbrechen. 
 
> > Risikokapital wirkt auf IT-Unternehmen häufig nachteilhaft. 
> 
> Tja, gut ist es natuerlich immer, die erste Megamark eigenen Geldes 
> schon in der Tasche zu haben, bevor man richtig anfaengt. Oder in 
> einer Nische werkeln zu duerfen, in der man auf dem Weg zur ersten 
> Megamark genuegend ungestoerte Zeit zur Verfuegung hat. Wenn dies 
> alles nicht zutrifft, bleibt oft nur noch die Wahl zwischen 
> Angestelltenjob und Risikokapital ...
> 
> Manche waehlen dann lieber die zweite Alternative.

Natürlich ist die oft notwendig und vernünftig.
Das muss jeder wissen, und hier ist einigermaßen darauf Verlass, dass der
Markt die richtigen Leute zusammenführt.  Oder gibt es da ein
Marktversagen, dem der Staat durch Patente oder sonstige Maßnahmen
abhelfen muss?

-phm