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[FYI] (Fwd) Pressemitteilung: Bundesratsmehrheit plant Anschlag auf Recht auf unbeobachtete Kommunikation




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Date sent:      	Wed, 29 May 2002 10:07:01 +0200
To:             	vpo-presse-list@datenschutz.de
From:           	Unabhängiges Landeszentrum für 
	Datenschutz S-H <mail@datenschutzzentrum.de>
Subject:        	Pressemitteilung: Bundesratsmehrheit plant Anschlag auf das
 	Recht auf unbeobachtete Kommunikation

Kiel, 29. Mai 2002
P R E S S E M I T T E I L U N G

Bundesratsmehrheit plant Anschlag auf das Recht auf unbeobachtete
Kommunikation

Zum letztmöglichen Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode, versteckt in
einem ganzen Paket von Gesetzesanträgen, wird im Bundesrat zum
wiederholten Mal der Versuch gestartet, den Datenschutz für Internet
und Telekommunikation fast vollkommen auszuhebeln. Am Freitag, den 31.
Mai 2002, stimmt das Plenum über den im Rechtsausschuss bereits
mehrheitlich angenommenen Vorschlag ab, die Internet- und
Telekommunikations-Provider zur zwangsweisen Vorratsspeicherung
sämtlicher Daten ihrer Kunden zu verpflichten. Es würde sich dabei um
eine Systemveränderung von gravierendem Ausmaß handeln. Die Verfechter
des Gesetzesvorschlages scheuen sich nicht einmal,  ihr Vorhaben
ausdrücklich als “Vorratsspeicherung”  zu bezeichnen. In der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht die
“Vorratsspeicherung” seit fast 20 Jahren als Synonym für eine
verfassungswidrige staatliche Sammelwut, bei der Daten, die vielleicht
irgendeinmal für staatliche Zwecke nützlich sein könnten, gespeichert
werden. 

Nachdem bereits mehrere Vorstöße im Bundesrat, Mindestspeicherfristen
für Internet und Telekommunikation einzuführen, gescheitert waren
(zuletzt im März 2002), gehen die Saboteure am Grundrecht auf
unbeobachtete Kommunikation nun aufs Ganze: Nicht nur zur
Strafverfolgung, sondern für die Erfüllung sämtlicher Aufgaben von
Polizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischem
Abschirmdienst und Zollkriminalamt sollen die ins Blaue hinein
gesammelten Verbindungs-, Nutzungs-, Bestands- und Abrechnungsdaten
von Millionen rechtstreuer Bürger genutzt werden können. Wie lange die
Provider die Daten speichern müssen und unter welchen Voraussetzungen
die Sicherheitsbehörden Zugriff auf diesen riesigen Datenbestand
nehmen dürfen, soll nicht der Gesetzgeber, sondern die Exekutive per
Rechtsverordnung festlegen. Dies allein verstößt gegen den
verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach die wesentlichen
Entscheidungen über Grundrechtseingriffe dem Parlament vorbehalten
sind.

Datenschutz bei der Telekommunikation und den Internet-Telediensten
bedeutet bislang die gesetzlich verbriefte Sicherheit aller
Bürgerinnen und Bürger, dass nur die für die Abwicklung und Abrechnung
der Nutzung erforderlichen Daten gespeichert werden dürfen. Erst
kürzlich sind die Grundsätze der Datenvermeidung, Datensparsamkeit und
der Möglichkeit anonymer Nutzungen für das Internet im Elektronischen
Geschäftsverkehr-Gesetz (EGV) vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt
worden. Sie garantieren, dass die weit überwiegende Mehrheit
rechtstreuer Nutzender ohne die Befürchtung, zwangsweise ihre
Konsumgewohnheiten, Interessen oder politischen Ansichten dem Staat
oder privaten Datenhaien offenbaren zu müssen, an der
Informationsgesellschaft teilnehmen können. Das EGV ist kaum im
Gesetzblatt veröffentlicht worden, da will die Mehrheit des
Bundesrates das bisherige Teledienstedatenschutzrecht auf den Kopf
stellen. Das Vorhaben des Bundesrates würde, verabschiedet am Ende der
Legislaturperiode, ohne die erforderliche öffentliche und sorgfältige
parlamentarische Diskussion im Windschatten des Bundestagswahlkampfes
weitreichende Folgen haben. Dieses Vorgehen zeugt von beispielloser
Bedenkenlosigkeit. 

Was will die Bundesratsmehrheit konkret?

Stellen Sie sich vor, sie würden beim Betreten jedes Einkaufszentrums
registriert und es würde genau notiert, was Sie dort ansehen, wie
lange Sie ein Buch oder irgendeine Ware in der Hand halten, welche
Zeitschriften Sie kaufen, von welchem Laden Sie in welches Geschäft
gehen und für welche Produkte Sie sich interessieren, usw.

Absurd? Genau das würde die Protokollierung aller Internetaktivitäten
bedeuten. Wer plant, jeden Klick im Internet, jede E-Mail, jede
Pager-Nachricht und jede SMS aufzuzeichnen und durch Polizei und
Geheimdienste auswerten zu lassen, der legt das Fundament für eine
Gedankenpolizei.


Das Gegenteil dessen, was der Bundesrat will, wäre eigentlich
notwendig. Wenn wir auf dem Weg in die demokratische
Informationsgesellschaft, nicht zuletzt auch wirtschaftlich und
kulturell, vorankommen wollen, muss es das Ziel aller Beteiligten in
Politik und Wirtschaft sein, die Garantie unbeobachteter Teilnahme an
Telekommunikation und Internet endlich effizient durchzusetzen . 

Die vorgesehene Protokollierungspflicht ist ein so gewichtiger
Vorgang, dass er weitere massive Datenschutzverschlechterungen, die im
Gesetzespaket des Bundesrates darüberhinaus enthalten sind, wie z. B.
eine noch weitergehende Zweckentfremdung von Verbindungsdaten und eine
deutliche Ausweitung des Einsatzes der IMSI-Catcher, in den
Hintergrund rückt.

Wir rufen die politischen Entscheidungsträger dazu auf, am Freitag im
Bundesratsplenum bei diesem geplanten Anschlag auf den Datenschutz und
das Telekommunikationsgeheimnis nicht mit zu machen und gegen das
Gesetzesvorhaben zu stimmen.

P.S. 
Das ebenfalls am Freitag auf der Tagesordnung des Bundesrates stehende
Verbraucherinformationsgesetz, das die Bürgerrechte wenigstens ein
bißchen verbessert hätte, will die Bundesratsmehrheit ablehnen.


Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein
Holstenstraße 98 / 24103 Kiel
Telefon: 0431/988-1200 / Telefax: 0431/988-1223
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