Re: [FYI] Provider gehen gegen Sofortsperrungen in dienächste Runde

[Florian Weimer <fw@deneb.enyo.de>]

Rigo Wenning <rigo@fitug.de> writes:

> Nun ist der Einzelfall erstinstanzlich abgesegnet. Das bedeutet,
> dass auch die Justiz freiheitsfeindlich geworden ist. (wenn sie es
> nicht immer schon war).

Die Juristerei war es jedenfalls schon immer, und das wird auch auf
die Justiz abgefärbt haben. Freiheit ist für den Deutschen
gefährlicher als für andere Nationen. Das ganze deutsche Rechtssystem
nach dem zweiten Weltkrieg gründet darauf, daß man dem Deutschen nur
Freiheit in homöopathischen Dosen geben könne, da er sonst sofort den
Umsturz plane und durchführe. Es gibt durchaus Leute, die der Ansicht
sind, die Weimarer Republik wäre nicht am Mangel an Republikanern
zugrundegegangen, sondern daran, daß sie den Bürgern zu viele
Freiheiten einräumte.

> Das Notventil des Art. 5 wird verkannt. Man kontrolliert alle meine
> Anfragen im Netz und verkennt mein Recht, mir solche Dinge anzusehen.
> Ich werde als Bürger entmündigt.

Das ist nur Wiedereinsetzung in den alten Zustand. Das deutsche
Rechtssystem ist es nicht gewohnt, daß gewöhnliche Bürger sich Zugang
zu gewissen Informationen verschaffen, interpretiert allein deren
Verfügbarkeit als Bedrohung und versucht diesen Mißstand mit allen
Möglichkeiten abzuwehren. Da es dabei um nichts weniger als den
Fortbestand der Demokratie geht, ist die Verhältnismäßigkeit der
Mittel selten ein Problem, sie ist aufgrund der Bedrohung von selbst
gegeben.

> Ein Kernsatz des Urteils ist,

Gibt es schon ein Urteil?

> dass das Gericht anerkennt, dass es Jahre dauern kann bis eine
> endgültige Entscheidung getroffen ist. (Das ist schon in sich ein
> Verstoss der Justiz gegen die europäische Menschrechtskonvention und
> eine Verweigerung rechtlichen Gehörs)

Momentan sind es nicht natürliche Personen, die versuchen, gegen die
Sperrung vorzugehen. (Mittlerweile ist mir klar, daß auch in
Deutschland Menschenrechte für juristische Personen, aber nicht für
Ausländer gelten

> Nach Compuserve ist dies der zweite Fall, indem die Justiz sich direkt
> an einem Affront gegen die Netzwelt und ihre Bewohner beteiligt.

Beim Compuserve-Fall hat der Angeklagte aber sich erfolgreich ein Bein
gestellt und die Zumutbarkeit demonstriert.

> zweiten Mal werden wirklich grundlegende Prinzipien der Freiheit
> missachtet. 

Wie gesagt, Deine Freiheit mag der Untergang der anderen sein, von
daher ist eine solche Position gar nicht so völlig inkonsistent,
zumindest nicht in jenem Bezugssystem.

> Informationsgesellschaft ist mit solch einer Bezirksregierung eine
> Illusion.

Das liegt nicht so sehr an der Bezirksregierung, sondern daran, daß
der Deutsche als solcher die Informationsgesellschaft zum Umsturz
wird, zwangsläufig.

Ich bin mit der Weise, wie das läuft, schon verhältnismäßig glücklich.
Immerhin wird das ganze ziemlich öffentlich diskutiert (auch wenn den
meisten das natürlich völlig egal ist). Alle anderen Versuche in
dieser Richtung (also Verzögerung der Informationsgesellschaft, um die
althergebrachten Auffassungen davon, was der Deutsche verträgt, zu
berücksichtigten) laufen völlig undurchsichtig ab.

Wenn wir an der Uni etwas externes sperren, wird dies automatisch
öffentlich dokumentiert. Irgendwie hab' ich das Gefühl, daß dieser
Automatismus gerade noch rechtzeitig implementiert wurde.

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