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BGH-Entscheidung: T-Online darf Verbindungsdaten nicht mehr speichern



Holger Voss
[...]                                          E-Mail: hvoss@muenster.de
481[...] Münster                                 Tel.: +49 251 [...]


                                           Münster, den 6. November 2006



                     BGH-Entscheidung: T-Online darf
                  Verbindungsdaten nicht mehr speichern


Der Bundesgerichtshof hat am 26. Oktober eine Beschwerde der Deutschen
Telekom AG zurückgewiesen 1). Damit wird ein Urteil des Landgerichts
Darmstadt 2) rechtskräftig, das T-Online verpflichtet, die jeweils
dynamisch vergebene Internetadresse (IP-Adresse) des Klägers unmittelbar
nach Verbindungsende zu löschen.


Der Internet-Anbieter T-Online speichert von seinen Kundinnen und
Kunden, mit welcher Internetadresse ("dynamische IP-Adresse") sie sich
jeweils im Internet bewegen. In Verbindung mit sogenannten Logfiles
ermöglicht es diese Speicherung, angesurfte Internetseiten,
E-Mail-Kontakte und anderes von vielen tausend T-Online-Nutzerinnen und
-Nutzern minutiös nachzuvollziehen. Diese IP-Adressen und weitere Daten
werden mehrere Monate lang (80 Tage nach Rechnungsversand) aufbewahrt.

Gegen diese Praxis hatte ein 33jähriger T-Online-Kunde aus Münster
geklagt, der mit Hilfe von T-Online-Daten 2002 zu Unrecht angeklagt
worden war. Von dem Vorwurf, er habe in einem Internetforum Straftaten
gebilligt, wurde er erst vor Gericht freigesprochen. 3) Das Amtsgericht
Darmstadt 4) und in der Berufung das Landgericht Darmstadt haben
T-Online dazu verurteilt, die Zuordnung der jeweiligen IP-Adresse zum
Kläger zu löschen. Eine Revision gegen sein Urteil hatte das Landgericht
Darmstadt nicht zugelassen.

T-Online hat gegen diese Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim
Bundesgerichtshof eingelegt. Diese Beschwerde wurde jetzt abgelehnt.
Damit wurde das Urteil des Landgerichts Darmstadt rechtskräftig. Die
Deutsche Telekom AG (zu der T-Online seit Juni 2006 wieder gehört) muss
jetzt

- "nach Beendigung der jeweiligen Nutzung des Internetzugangs durch den
Kläger alle Daten, die eine Verbindung zwischen der zugeteilten
IP-Adresse und dem Kläger bzw. dem technischen Zugang des Klägers
herstellen, umgehend [...] löschen",

- "es [...] unterlassen, das bei der Nutzung des Internetzugangs durch
den Kläger im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden
Vertragsverhältnisses nach dem Tarif T-Online DSL flat bekannt gewordene
Volumen der übertragenen Daten zu erheben und auf Datenträgern jeglicher
Art zu speichern"

- die entsprechenden Daten, soweit sie schon erhoben bzw. gespeichert
wurden, löschen.


Die Speicherung der strittigen Verbindungsdaten verbietet das
Telekommunikationsgesetz 5). Das Urteil ist aber nur zwischen dem Kläger
und der Deutschen Telekom unmittelbar wirksam. Die Deutsche Telekom will
dem Urteil daher nur für den Kläger nachkommen. Die Löschung der Daten
anderer Kundinnen und Kunden verweigert das Unternehmen bislang.
Infolgedessen hat der Frankfurter Jurist Patrick Breyer einen Mustertext
für eine Klage entworfen, mit dem auch andere Kundinnen bzw. Kunden
gegen die Speicherung ihrer Daten klagen können:
http://www.kein1984.de/musterklage.html


Möglicherweise wird es ab 2009 6) für Internetprovider zur Pflicht, die
Internetverbindungen ihrer Kundinnen und Kunden zu protokollieren. Das
Bundesjustizministerium arbeitet jedenfalls an einem entsprechenden
Gesetzesentwurf 7), obwohl auch der Wissenschaftliche Dienst des
Bundestags erhebliche Zweifel daran hat, ob eine solche
Überwachungspflicht nicht gegen Grundrechte verstößt 8).


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1) BGH, Entscheidung vom 26. Oktober 2006 - III ZR 40/06 -
   Text der Entscheidung: http://www.kein1984.de/bgh-entscheidung.pdf

2) LG Darmstadt, Entscheidung vom 7. Dezember 2005 - 25 S 118/2005 -
   Text der Entscheidung:
http://www.olnhausen.com/law/olg/lgda-verbindungsdaten.html

3) "Freispruch für Telepolis-Forenteilnehmer Holger Voss" vom 8. Januar
2003, http://www.heise.de/newsticker/meldung/33483

4) AG Darmstadt, Entscheidung vom 30. Juni 2005 - 300 C 397/04 -
   Text der Entscheidung:
http://www.ag-darmstadt.justiz.hessen.de/C1256BA7002F9EC4/CurrentBaseLink/B9EAB4DD2A4E426EC1257031004D3209/$File/Urteil%20AG%20Darmstadt%20300%20C%20397_04.pdf

5) aus § 96 Telekommunikationsgesetz (TKG):
   "(1) Der Diensteanbieter darf folgende Verkehrsdaten erheben und
verwenden, soweit dies für die in diesem Abschnitt genannten Zwecke
erforderlich ist:
      1. die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse oder der
Endeinrichtung, personenbezogene Berechtigungskennungen, bei Verwendung
von Kundenkarten auch die Kartennummer, bei mobilen Anschlüssen auch die
Standortdaten,
      2. den Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum
und Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon abhängen, die übermittelten
Datenmengen,
      3. den vom Nutzer in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienst,
      4. die Endpunkte von festgeschalteten Verbindungen, ihren Beginn
und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon
abhängen, die übermittelten Datenmengen,
      5. sonstige zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der
Telekommunikation sowie zur Entgeltabrechnung notwendige Verkehrsdaten.
   (2) Die gespeicherten Verkehrsdaten dürfen über das Ende der
Verbindung hinaus nur verwendet werden, soweit sie zum Aufbau weiterer
Verbindungen oder für die in den §§ 97, 99, 100 und 101 genannten Zwecke
erforderlich sind. Im Übrigen sind Verkehrsdaten vom Diensteanbieter
nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen."

6)
http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/06/st05/st05777-ad02re02co01.de06.pdf

7) "Bundesjustizministerium hält an TK-Vorratsdatenspeicherung fest" vom
23. August 2006, http://www.heise.de/newsticker/meldung/77185

8) "Neue Zweifel an der Rechtmäßigkeit der TK-Vorratsdatenspeicherung"
vom 16. August 2006, http://www.heise.de/newsticker/meldung/76921

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