[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Dem Internet ist es egal, wie man es speichert



> 
> Holger Veit, potthäßlich gequotet:
> 
> >>
> Ist es tatsaechlich mittlerweile so weit, dass ein Joke nur noch als
> solcher
> erkannt wird, wenn er von Doppelpunkt-Strich-Klammerzu gefolgt wird, Ironie
> ohne Semikolon-Kennzeichnung zum Flamewar fuehrt, weil unter Garantie
> die Haelfte der "Leser" den Sinngehalt nicht mehr schnallen und ein Viertel
> davon sich dann zu einem MeNot oder MeToo-*plonk* berufen fuehlen?
> <<
> 
> 
> leider ist es noch nicht so weit, daß alle feststellen, daß es tatsächlich
> so ist, wie du beschreibst.
> Wenn PILCH unter seinen Messis ein "<zynic grin>" geschrieben hätte, hätte
> ich ihm das genauso geglaubt, und mich über seine vernünftigen Ansichten
> und seinen schrägen Humor gefreut <g>.

In diesem Falle muesste man die Frage nach der Intention des Schreibers
stellen: wer ausschliesslich nur ge-smiley-te Texte postet, gelangt schnell
in die Richtung alt.gruppen-kasper, wer kontroverse Texte ohne :-) postet,
der meint es moeglicherweise tatsaechlich so (Fanatiker?) oder spielt
Agent provocateur - die Folgereaktionen auf Einwuerfe der anderen Seite und
sein Umgang damit sind dann zu analysieren, um ihn hinreichend genau zu
einzuschaetzen.

> Ernsthaftigkeit oder Ironie sieht man den geschriebenen Texten hier im
> Schreiberspace nicht an. Das leistet das Medium nicht. Allenfalls wenn man
> sich schon mal im Real Life getroffen hat, und weiß, wie der andere drauf
> und das Gelesene zu interpretieren ist.

Es gibt seit mehreren tausend Jahren Schrift und Schriftwerke (selbst wenn
breite Alphabetisierung der Bevoelkerung noch nicht mal 200 Jahre alt ist),
und ich finde in keinem Kant, oder Brecht, oder Konsalik, oder Kishon
solche Emotionsverstaerker. Es ist die Lieblingsbeschaeftigung in den
hoeheren Schulklassen, im Deutschunterricht Texte verschiedenster Art zu
interpretieren, und mit etwas Uebung kann man da auch zu einer Aussage kommen,
wo und warum der Autor bestimmte Stilmittel (ob bewusst oder nach eigenem
Gefuehl und Wellenschlag seiner Schreiberfahrung) eingesetzt hat. 

Wuerde ich etwa hier eine These "Zensur ist wichtig fuer die Gesellschaft" mit
dem Satz "...und Schweine koennen fliegen" kommentieren, dann muesste eigent-
lich, selbst wenn man mich oder meine Meinung nicht kennt, jedem der hier
gemachte Gedankensprung auffallen und klar sein, dass ich hier nicht ueber
Tiere rede. Auch wenn die Neben-Assoziation "Greenpeace" ueber diesen
Gedankenschnipsel nicht bekannt ist.

> Mißverständnisse sind an der Tagesordnung, und der extensive Gebrauch von
> Emoticons und sonem Zeugs hilft, sie zu vermeiden. Ganz vermieden können

Das zweifele ich an. Man kann auch Emoticons bewusst einsetzen, um eine
konkrete Ansicht zu aeussern, ohne dass es Folgen hat. Ich schreibe hier:
"Du bist aufgrund Deiner Ansicht ein dummes Ar*** :-)" Bleibt das unkommen-
tiert, stimmen wohl alle dieser Aussage zu, und wenn du lauthals protestierst:
tja, Du bist es dann wohl tatsaechlich - so einen Buhei *trotz* des Smileys
zu veranstalten.

> Mißverständnisse imo nur dadurch, daß man auf alle Stilmittel verzichtet
> und sich auf die Darstellung nüchternster Information beschränkt "Alles was
> ich schreibe ist immer und ausnahmslos so gemeint, wie es da steht.".
> Sowas is aber nich sehr lustig <g>.

Schaetze mal grob: wieviel von dem, was ich so schreibe, ist ernst gemeint,
wieviel Provokation, wieviel Spekulation, wieviel ist Bloedsinn um des
Sendungsbewusstseins willen, wieviel ist gelogen, wieviel belegbar, wieviel
reines Stilmittel zur Verstaerkung einer These? Keine Antwort erwartet.

Niemand schreibt nur nuechterne Information. Du benutzt oben "imo" (nicht
IMHO, sic!) und schwaechst damit Deine eigene These ab - Du weisst es nicht,
oder bist Dir nicht sicher? Du fuegst ein Pseudo-Zitat zur Verstaerkung
der Aussage hinzu, was ich auch gerne mache, und laesst diesen Stellvertreter
zusaetzlich das Mittel der Uebertreibung "immer und ausnahmslos" zur
Untermauerung aussprechen. Und wer behauptet, dass Aussagen hier lustig sein 
muessen (was wohl nach Deiner Meinung nuechternste Information nicht sei)?
Du schwaechst das Ganze aber gleich wieder durch ein <g> ab - meinst Du nun,
dass es nicht lustig ist, oder doch nicht, oder grinst Du vielleicht ueber
den ersten Satz, dass auf alle Stilmittel zu verzichten sei?

Diese Sachen lassen ich aus vier Zeilen von Dir herausziehen - das reicht 
noch nicht aus, dass Du fuer mich "glaesern" wirst, aber erlaubt eine grobe
Einschaetzung, wie ich weiter mit dir umspringe.

> Als Emotions-vermittler sind sie unbrauchbar, weil bewusst vom Schreiber
> konstruiert.
> <<
> 
> 
> NACK - sofern der SchreiBär weiß, was für Emotionen er gerade hat <g>.

Wieder ein Beispiel:

"Wir brauchen Zensur im Netz"
"Wir brauchen Zensur im Netz :-) "
"Wir brauchen Zensur im Netz ;-) "
"Wir brauchen Zensur im Netz :-( "
"Wir brauchen Zensur :-) im Netz"
"*Wir* brauchen Zensur im Netz" 
"Wir brauchen *Zensur* im Netz" 
"Wir brauchen Zensur im Netz!"
"Wir! brauchen! Zensur! im! Netz!"
"Wir brauchen Zensur im Netz?"

Hausaufgabe: Ueberlegen, wie die einzelnen Saetze gemeint sind, was der 
Autor aussagen will, wie er sich dabei fuehlt, ob er dem Leser eine
Meinung aufzwingen will, wie er sich vielleicht fuehlen mag, oder sollte,
und inwieweit diese Aussagen ohne umgebenden Kontext ueberhaupt
einen Wert haben. Und was glaubt der Autor wirklich?

-- 
         Dr.-Ing. Holger Veit             | INTERNET: Holger.Veit"at"gmd.de
|  |   / GMD - German National Research   | Phone: (+49) 2241 14 2448
|__|  /  Center for Information Technology| Fax:   (+49) 2241 14 2242
|  | /   Schloss Birlinghoven             |  Get XFree86/OS2 Bugfix Version
|  |/    D-53754 Sankt Augustin, Germany  |    V3.3.2 from ftp.xfree86.org
         WWW: http://borneo.gmd.de/~veit/ | /pub/XFree86/3.3.2/binaries/OS2