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Re: Die Zukunft des Internet-Musikmarktes



> > Der Kontext macht die Musik.  Und er legt fest, dass ziemlich alle
> > Kinder, die heute aufwachsen, "Klassik" "bloed" finden.  Denn im
> > Kontext der Berieselung und Werbefinanzierung klingt sie
> > tatsaechlich bloed. 
> 
> Eine kuehne Behauptung, dass gerade Werbung Kinder vor klassischer 
> Musik zurueckschrecken laesst. 

Nicht speziell die Werbung sondern der hedonistische Grundton der
informationellen Marktwirtschaft/Kartellwirtschaft und auch:  
 
> Vielleicht finden sie ja auch den 
> Kontext des Konzertsaals bloed, das stundenlange Schweigen, das 
> angestrengt andaechtige Lauschen - und wehe, jemand hustet zu 
> laut ... 

nur dass heute diese Konzertsaalatmosphaere, ueber die schon Schopenhauer
klagte, mit ganz anderen Moeglichkeiten konkurrieren muss, waehrend noch
kein Weg gefunden wurde, das Problem zu loesen. 
 
> > Besonders auf dem Lande, wo bis vor kurzem noch
> > Musizieren mit Blasinstrumenten hoch im Kurs stand, hat die
> > Berieselungskonserve jegliche Kultur ueberrollt.
> 
> Und wenn auch hier die Schuld nicht bei der "Kulturindustrie", 
> sondern beim Kulturbetrieb selbst liegt? Vielleicht haben Kinder ja 
> einfach keine Lust mehr auf "Du lernst ein Instrument!"-Autoritaeten. 

"Keine Lust auf .... Autoritaeten" gehoert zum hedonistischen Grundton.
Aber ohne recht qualvolle Durststrecken geht nichts.  Was sagte noch
Weizenbaum (auf Fitug-Liste zitiert) zu Edutainment?

> Auf Blasorchester, in denen ihnen vorgeschrieben wird, welche Musik 
> sie zu spielen haben - anstatt es sie selbst entscheiden zu lassen, 
> oder sie gar selbst Musik komponieren zu lassen.

Auch das geht nicht ohne anstrengendes Lernen.

> Und wenn die Kids heute - statt Noten vom Blatt zu spielen - 3 
> Akkorde in die Klampfe hauen bzw. Ende dieses Jahrzehnts wohl eher 
> mit Cubase und Co. rumexperimentieren und auf diese Weise einen 
> aktiven Zugang zur Musik finden, dann ist das doch wohl kein 
> Kulturverlust. Oder?

Doch.  Es sei denn sie lernen mit der Zeit wirklich so virtuos mit MIDI
etc umzugehen, wie das beim Instrumentelernen gefordert war.  Doch ich
sehe nur eine Software-Industrie, die nach Kraeften den Zugang zur
Virtuositaet verbaut, in deren Wertesystem z.B. die Kommandozeile, die
Grundlage der Computer-Virtuositaet, als veraltet und "kryptisch" gilt. 
 
> Letztlich kann man aber den Leuten nicht vorschreiben, bei welcher 
> Musik sie genau hinhoeren. Man kann nur versuchen, sie dazu zu 
> bringen, dass sie genau hinhoeren, dass sie Musik generell ernst 
> nehmen. Egal, ob E oder U. Denn dann setzten sie sich auch damit 
> auseinander, entwickeln eigene Impulse.

Sobald sie genau hinhoeren, ist es E.

> Bezug zum urspruenglichen Thema: 

Ich finde, wir waren gar nicht abgedriftet.  Hier noch ein Bezug:
Musik hat immerhin einen Kontext, der nicht durch Kopieren zu ersetzen
ist: das Konzert.  Bei Freier Software ist dieser Kontext, die
Dienstleistung, viel duenner und unzuverlaessiger.  Ergo:  GPL passt
auf Musik mindestens genauso gut.

Ich sehe allerdings einen Unterschied:  Unfreiheit von Musik richtet
keinen grossen Schaden an, weil kein Kompatibilitaetskrieg der Plattformen
stattfindet.  Ebendeshalb wird die GPL im Bereich der Musik die Gemueter
vermutlich nie erhitzen koennen.

--
Hartmut Pilch
Foerderverein fuer eine Freie Informationelle Infrastruktur
http://www.ffii.org