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[FYI] Eckpunkte der deutschen Kryptopolitik



http://www.bmwi.de/presse/1999/0602prm1.html

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           Bundesministerium des 
           Innern


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                                                        ium für
                                                        Wirtschaft und
                                                        Technologie



Bonn, den 2. Juni 1999 

              Eckpunkte der deutschen Kryptopolitik

Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung vom 2. Juni 1999 die deutsche
Haltung zur Frage der Nutzung kryptographischer Verfahren beim Einsatz
im elektronischen Geschäftsverkehr in Form von "Eckpunkten der
deutschen Kryptopolitik" entschieden.

Die Bundesregierung kommt damit der Notwendigkeit nach, im nationalen
und internationalen Zusammenhang die deutsche Position in dieser vor
allem für den elektronischen Geschäftsverkehr und E-Commerce wichtigen
Frage darzulegen. Denn mit dem wachsendem Datenaufkommen in den
weltweiten Informationsnetzen nehmen die Sicherheitsprobleme dort
erheblich zu. Experten schätzen die Schäden durch das illegale
Ausspähen, Manipulieren oder Zerstören von Daten jährlich in
Millardenhöhe. Datensicherheit wird also zunehmend zu einem
ernstzunehmenden Faktor im globalen Wettbewerb und tangiert damit auch
Arbeitsplätze der betroffenen Unternehmen und Wirtschaftsbereiche.

Zentrales Anliegen der Kabinettentscheidung ist der verbesserte Schutz
deutscher Nutzer in den weltweiten Informationsnetzen durch Einsatz
sicherer kryptographischer Verfahren. Die Entscheidung stellt klar,
daß in Deutschland auch künftig Verschlüsselungsverfahren und
-produkte ohne Restriktion entwickelt, hergestellt, vermarktet und
genutzt werden dürfen. Damit soll die bisher nur geringe
Sensibilisierung der Nutzer gefördert werden. Dem dient auch die vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem
Bundesministerium des Innern gemeinsam gestartete Initiative für
"Sicherheit im Internet" (siehe www.sicherheit-im-internet.de).

Ein weiteres wichtiges Ziel der Bundesregierung besteht in der
Stärkung der Leistungsfähigkeit und der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kryptohersteller, die im Hinblick
auf einen wachsenden Nachfragemarkt ihre Anstrengungen intensivieren
werden. Dazu dient auch die weitere Öffnung des EU-Binnenmarktes:
gemeinsam mit den europäischen Partnern hat die Bundesregierung im
Rahmen einer ersten Revision der EG-Dual-Use-Verordnung die
innergemeinschaftlichen Exportkontrolle für kryptographische
Massengüter abgeschafft. Auch eine Vereinfachung der
Exportkontrollverfahren ist mit dem Bundesausfuhramt in Prüfung.

Es ist nicht auszuschließen, daß mit der zunehmenden Nutzung der
Verschlüsselung auch der Mißbrauch dieser Technik für illegale Zwecke
zunimmt. Deshalb werden die beteiligten Bundesministerien die weitere
Entwicklung aufmerksam beobachten und nach zwei Jahren einen Bericht
dazu vorlegen. In diesem Zusammenhang werden auch Anstrengungen
unternommen, die technische Ausstattung der Strafverfolgungs- und
Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern.

Mit dieser ausgewogenen Position zu den Chancen und Risiken in der
Nutzung der Informationstechnologie hat die Bundesregierung die
Voraussetzungen geschaffen, daß Deutschland auch in Zukunft ein
sicherer und leistungsfähiger Standort im Informationszeitalter ist.



Eckpunkte der deutschen Kryptopolitik

Einleitung

Programme und Chips zur sicheren Verschlüsselung von Nachrichten waren
bis Anfang der Neunziger Jahre ein relativ unbedeutender
Nischenbereich der Computerindustrie. Dieser Nischenbereich ist heute
jedoch von erheblicher Bedeutung für die wirtschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklung der Informationsgesellschaft insgesamt.
Denn immer mehr entwickelt sich der Produktionsfaktor "Information" zu
einem begehrten Rohstoff. Der effektivere Schutz dieses Rohstoffs kann
über Erfolg oder Mißerfolg von Unternehmen und damit über
Beschäftigungschancen im Informationszeitalter entscheiden und nur
durch den Einsatz starker kryptographischer Verfahren läßt sich dieser
Schutz heute effektiv gewährleisten. In jedem Fall ist die
Leistungsfähigkeit dieser Technologie heute größer als jemals zuvor.

Die Kryptokontroverse in Deutschland

Bei der Kryptokontroverse geht es um die Frage, ob und in welchem
Umfang die Nutzung kryptographischer Verfahren gesetzlich beschränkt
werden solle. Die Frage ist in vielen demokratischen Industrieländern
in den letzten Jahren kontrovers diskutiert worden. Auch in
Deutschland fand eine intensive Auseinandersetzung, an der sich die
Bundesressorts mit unterschiedlichen Positionen, die Wirtschaft sowie
zahlreiche gesellschaftliche Gruppen beteiligten, hierüber statt.

Im Oktober 1997 verabschiedete das Bundeskabinett den
"Fortschrittsbericht der Bundesregierung Info 2000: Deutschlands Weg
in die Informationsgesellschaft", der eine Passage zur Kryptopolitik
enthielt:

     "Es wurde innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen erzielt, in
     dieser Legislaturperiode auf eine gesetzliche Regelung des
     Inverkehrbringens und der Nutzung von Kryptoprodukten und
     -verfahren zu verzichten, so daß es bei der uneingeschränkten
     Freiheit der Nutzer bei der Auswahl und dem Einsatz von
     Verschlüsselungssystemen bleibt. Die Bundesregierung wird die
     weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Kryptographie vor allem im
     Kontext der europäischen und internationalen Zusammenarbeit
     aufmerksam verfolgen und ggf. weitere Maßnahmen zur Umsetzung
     ihrer Ziele einleiten."

Die Bundesregierung hat sich bislang allerdings noch nicht verbindlich
und eindeutig positioniert.

Kryptographie und Wirtschaftsinteressen

Vor allem wegen der dynamischen Entwicklung des digitalen
Geschäftsverkehrs verzeichnen heute auch die Märkte für
Verschlüsselungsprodukte hohe Wachstumsraten. Wichtige
Anwendungsbereiche für kryptographische Systeme sind heute (neben dem
traditionellen Schutz der Vertraulichkeit) z.B. Urheberschutz,
digitale Signatur sowie digitales Geld. Darüber hinausgehend ist
Kryptographie eine Querschnittstechnologie, die für die
Systemarchitektur und Entwicklung komplexer Electronic
Commerce-Anwendungen unverzichtbar ist. Mittelbar geht es hier also um
weit größere Märkte, z.B. den der Telekommunikation, des
Online-Banking oder der Telemedizin.

Zwar sind heute Sicherheitsstandards, die noch vor wenigen Jahren
wegen der hohen Kosten vor allem Großunternehmen und staatlichen
Stellen vorbehalten waren, auch für mittelständische Betriebe und
private Haushalte erschwinglich. Dennoch werden
Verschlüsselungsprodukte in Deutschland derzeit nicht in dem
erforderlichen Maße eingesetzt. Hier fehlt es vielfach an dem
notwendigen IT-Sicherheitsbewußtsein, obwohl durch die unbefugte
Ausspähung, Manipulation oder Zerstörung von Daten erhebliche
wirtschaftliche Schäden entstehen können.

Deutsche Kryptohersteller haben gute Aussichten, im internationalen
Wettbewerb um neue Märkte mitzuhalten, wenn die notwendigen
Rahmenbedingungen hierfür gewährleistet sind. Angesichts der
strategischen Bedeutung dieser Branche unternehmen viele wichtige
Industriestaaten erhebliche Anstrengungen, um deren wirtschaftliche
und technische Leistungsfähigkeit im eigenen Land zu stärken.

Kryptographie und Sicherheitsinteressen

Der Einsatz kryptographischer Verfahren ist von außerordentlicher
Bedeutung für eine effiziente technische Kriminalprävention. Dies gilt
sowohl für die Gewährleistung der Authentizität und Integrität des
Datenverkehrs wie auch für den Schutz der Vertraulichkeit.

Andererseits kann dieser Schutz der Vertraulichkeit auch Straftäter
begünstigen: So ist zu erwarten, daß mit zunehmender
Benutzerfreundlichkeit der Verschlüsselungsprodukte auch ihre
Verbreitung in kriminellen Kreisen zunimmt. Dies kann die
Strafverfolgungsbehörden vor Probleme stellen. Rechtmäßig angeordnete
richterliche Überwachungsmaßnahmen müssen ihre Wirkung behalten, auch
wenn die Zielperson die betreffenden Informationen mit einem
kryptographischen Verfahren schützt.

Bislang stellt der Mißbrauch von Verschlüsselung in Deutschland für
die Strafverfolgung kein ernsthaftes Problem dar. Eine Prognose für
die Zukunft läßt sich hieraus allerdings nicht herleiten. Es ist
deshalb erforderlich, in Deutschland aktive Technikfolgenabschätzung
im Hinblick auf die Belange der Strafverfolgungs- und
Sicherheitsbehörden zu betreiben, um Fehlentwicklungen so frühzeitig
zu erkennen, daß ihnen - ggf. unter Zugrundelegung alternativer
Strategien - wirksam begegnet werden kann.

Auf der Grundlage der bisherigen nationalen Diskussion sowie der
internationalen Entwicklung beschließt die Bundesregierung die
folgenden Eckpunkte ihrer Kryptopolitik:

   1.Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die freie Verfügbarkeit
   von Verschlüsselungsprodukten in Deutschland
     einzuschränken. Sie sieht in der Anwendung sicherer
     Verschlüsselung eine entscheidende Voraussetzung für den
     Datenschutz der Bürger, für die Entwicklung des elektronischen
     Geschäftsverkehrs sowie für den Schutz von
     Unternehmensgeheimnissen. Die Bundesregierung wird deshalb die
     Verbreitung sicherer Verschlüsselung in Deutschland aktiv
     unterstützten. Dazu zählt insbesondere die Förderung des
     Sicherheitsbewußtseins bei den Bürgern, der Wirtschaft und der
     Verwaltung. 
   2.Die Bundesregierung strebt an, das Vertrauen der Nutzer in die
   Sicherheit der Verschlüsselung zu stärken. Sie wird
     deshalb Maßnahmen ergreifen, um einen Vertrauensrahmen für
     sichere Verschlüsselung zu schaffen, insbesondere indem sie die
     Überprüfbarkeit von Verschlüsselungsprodukten auf ihre
     Sicherheitsfunktionen verbessert und die Nutzung geprüfter
     Produkte empfiehlt. 
   3.Die Bundesregierung hält aus Gründen der Sicherheit von Staat,
   Wirtschaft und Gesellschaft die Fähigkeit deutscher
     Hersteller zur Entwicklung und Herstellung von sicheren und
     leistungsfähigen Verschlüsselungsprodukten für unverzichtbar. Sie
     wird Maßnahmen ergreifen, um die internationale
     Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors zu stärken. 
   4.Durch die Verbreitung starker Verschlüsselungsverfahren dürfen
   die gesetzlichen Befugnisse der Strafverfolgungs- und
     Sicherheitsbehörden zur Telekommunikationsüberwachung nicht
     ausgehöhlt werden. Die zuständigen Bundesministerien werden
     deshalb die Entwicklung weiterhin aufmerksam beobachten und nach
     Ablauf von zwei Jahren hierzu berichten. Unabhängig hiervon setzt
     sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die
     Verbesserung der technischen Kompetenzen der Strafverfolgungs-
     und Sicherheitsbehörden ein. 
   5.Die Bundesregierung legt großen Wert auf die internationale
   Zusammenarbeit im Bereich der Verschlüsselungspolitik. Sie
     tritt ein für am Markt entwickelte offene Standards und
     interoperable Systeme und wird sich für die Stärkung der
     multilateralen und bilateralen Zusammenarbeit einsetzen. 

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