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Re: Überlegungen zum Bertelsmann-Memorandum und PICS



On Mon, Oct 04, 1999 at 06:47:52AM +0200, Karl, Marten wrote:
[...]
> > > Insbesondere verschiebt es das Definitionsproblem zu "prinzipiell
> > > offen"...
> > 
> > Genau da liegt der Haken. Gemessen am genutzten IP-Adressenraum,
> > i.S. von real existierenden und online seienden Rechnern, ist "das 
> > ... [Einiges geloescht]
> > noch nie jemals ueberhaupt telnet oder ftp direkt verwendet haben
> > (ftp://xxx als Link zaehlt dabei nicht), selbst wenn massenhaft
> > Software "downgeloadet" wird.
> > 
> > Soviel zum Versuch der Begriffsbestimmung.
> 
> Du gehst demnach davon aus, dass sich die Forderung nach voll-
> staendiger Erreichbarkeit auch zwingend auf alle angeschlossenen
> Systeme und alle "definierten" Protokolle erstreckt. Es ist wohl
> klar, dass in dem Falle keine vollstaendige Erreichbarkeit ge-
> geben sein kann! Gegenbeispiele lieferst Du ja genug.

Die wesentliche Frage ist die Grenzziehung. Wo beginnt und wo endet
das "erreichbare" Internet? Fuer den Anwender ist die Erreichbarkeit
in dem Moment nicht mehr gegeben, wo er etwas, was er verlangt,
nicht bekommen kann. Diese Grenze ist so schwammig und fuer jeden
Anwender unterschiedlich, dass es bestenfalls ein Alles oder Nichts
auf der Basis der definierten Protokolle und Services geben kann.

Nur fuehrt uns das geradewegs in die Hoelle.

Die RFCs definieren Tausende von "well-known" IP Ports und Services,
viele davon experimentell oder mittlerweile obsolet. Wenn ich als
Kunde verlange - berechtigt - dass man mir alle diese Services
ins Haus liefert, dann kann ich mein Firewall auf Bypass schalten.

> Doch sehe ich die vollstaendige Erreichbarkeit in erster Linie
> auf die Moeglichkeit des Verbindungsaufbaus und der -nutzung,
> wenn ich zwei passende Systeme kenne.
[...]
> oder vorgenommen wird. Auch die Schnittstelle zu anderen ISPs
> hat er entsprechend zu konfigurieren.

Der ISP muss abwaegen, ob der Wunsch des Einzelnen, RFC.all zu
bekommen, sich mit den Anforderungen anderer Kunden deckt, oder
ob da ebenso berechtigte Sicherheitskriterien zu einem Konflikt
fuehren. Die Abwaegung verlaeuft derzeit ueber den Geldbeutel.
Es ist im Prinzip RFC.all moeglich, wenn der Kunde es will, aber
dann muss er auch bereit sein, fuer jeden dieser Sonderwuensche
ueber http/ftp/pop3/smtp/nntp hinaus separat und nicht zu knapp
(aufwandsangemessen) zu bezahlen.

Letzteres wird nur leider in der "ich will alles haben"-Diskussion
vergessen, weil es naemlich zu etwas sehr unangenehmen beim
Kunden fuehrt, naemlich zum Nachdenken darueber, was er eigentlich
wirklich will. Er will naemlich eigentlich nicht RFC.all sondern
eigentlich das, was er in der aktuellen Situation als "geht nicht"
empfindet, ohne in der Lage zu sein zu artikulieren, was das
eigentlich ist. Und verlangt dann, dass der ISP in der Lage waere,
ihm diese Entscheidung abzunehmen. Der kann dies aber prinzipiell
nicht leisten.

[...Zweiklassengesellschaft der User...]
> Denen kann man dafuer natuerlich auch ein wenig mehr an Entgelt
> abknoepfen, schliesslich muss die notwendige tiefergehende
> Kontrolle dieser Nutzergruppe (were so etwas braucht hat be-
> stimmt auch etwas damit vor) ja auch bezahlt werden.

Sehr richtig. Nur besteht die Zweiklassengesellschaft nicht aus den
Usern mit den Standardfeatures Mail/News/Web und den Powerusern,
die irgendein obskures RFC-Protokoll haben wollen. Beide Gruppen
sind vollkommen unproblematisch und pflegeleicht.
Problematisch ist der Haufen von Leuten, die nicht wissen, was sie
eigentlich wollen. Das ist die Mehrheit.

> Ich denke, dass Letzteres keinesfalls im Sinne eines vernuenf-
> tigen Einsatzes des Mediums Internet ist. Schliesslich sollte
> es jedem muendigen Buerger moeglich sein, an die Informationen
> zu gelangen. Es steht ja auch jedem Buerger frei sich in einer

Was sind denn "die Informationen"? Diejenigen, die existieren?
Die, die verfuegbar sind? Die, die frei verfuegbar sind?
Antwort: die, die ich haben will. Und das ist eine Nullforderung,
genau wie oben. Ich weiss nicht, was ich wirklich haben will, 
bis auf das, von dem ich weiss, dass ich es nicht bekommen werde.
Und das macht es gerade interessant: In der Signaltheorie verhaelt
die Entropie (d.h. das Mass des Informationsgehaltes) sich
umgekehrt proportional (vom Logarithmus abgesehen) zur Wahrschein-
lichkeit des Auftretens dieser Information.

Holger

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