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Re: Interview mit Sun-Gruender





Hallo Horst-Walter,

On 27.10.1999 to subject "Re: Interview mit Sun-Gruender", you wrote:

>ACK! Er hat eine geradezu gefährlich verharmlosende Sicht der
>Datenschutzproblematik und was mich in dem Interview am meisten stört,
>daß er schnell zum Gegenangriff übergeht! Solche Leute (in *der*
>Position) sind gefährlich.

Deshalb ein paar Kommentare (leider etwas länger), aber notwendig, damit
ich mir nicht wieder eine Delle in die Decke stosse, weil ich mich mit
Überschallgeschwindigkeit von meinem Stuhl abgestossen habe ;->

>McNealy: Aber die Computer, die wie PC aussehen, spielen doch kaum eine
Rolle. (...). Denken Sie an >Set-Top-Boxen für den Empfang von digitalem
Fernsehen, deren Software in >Java geschrieben wird. (...) Autos,
Mobiltelefone, Fernseher, das sind die Computer, die in Zukunft wichtig
sind.

Wovon redet der eigentlich ?
Ich möchte jetzt und auch in Zukunft nicht in meinem Auto, über ein
Handy (trotz WAP) oder eine Set-Top-Box+TV im WWW surfen oder mit Word
einen Brief schreiben, schöne Vorstellung: Bildbearbeitung mit Photoshop
über das Handy oder im WWW.
Das einzige, was ich mir vorstellen könnte ist die Verschmelzung von TV
und Computermonitor. Wenn ich einen grösseren Plasmabildschirm oder ein
anderes Flachdisplay mit meinem Computer, in dem ein DVD Player und eine
TV-Karte steckt, verbinde, brauche ich keinen Fernseher, aber auch keine
Set-Top-Box mehr und mit steigender Miniaturisierung werden auch
hässliche Desktops und Tower (obwohl ich meinen Tower liebe ;-)) zur
Unscheinbarkeit schrumpfen.
Ob das Ding dann PC, TV oder PC-TV heisst, ist mir echt wurscht.

>McNealy: (...) Den Kunden geht es um Features. Wenn ich Anrufweiterleitung
haben will, suche ich mir einen Telefonnetzbetreiber, der das anbietet.
Genauso sollten Terminkalender, >E-Mail und Textverarbeitung Features eines
Computers im Internet sein und nicht Programme, die ich kaufen und
installieren muss.

Ich glaube, M. kennt die Computerbesitzer nicht. Gerade die Beschäftigung
mit dem Computer, dem Betriebssystem, den zu installierenden Programmen
macht Spass, zumal lokale Anwendungen Unabhängigkeit von netzbasierten
Anwendungen schafft. Wie auch bei den ersten, gescheiterten Anläufen
für Netz-PC's gilt: Die Leute wollen nicht für jede E-Mail, für jeden
Brief, für jeden Termineintrag ins Netz gehen müssen, sie trauen der
Aufbewahrung ihrer Daten auf einem Server irgendwo im Netz nicht und damit
haben sie recht.
Rein netzgestützte Anwendungen könnte ich mir höchstens für
öffentliche Terminals und andere Orte, an denen Dienstleistungen erbracht
werden, vorstellen, z. B. ich könnte in eine Postfiliale gehen und dort
über ein Terminal statt eines Briefes eine E-Mail versenden.
Anders sähe es aus, wenn der Netzzugang kostenfrei wäre, dann würden
sich wohl einige Leute, die nur hin und wieder einen Brief schreiben und
eine E-Mail versenden sich dafür entscheiden. Jeder, der aber Daten
weiterverarbeiten will oder selbst produziert, wird lokale Installationen
bevorzugen.

>McNealy: (...) Wer wichtige Daten hat, sollte sie nicht auf seinem PC
speichern, denn wir alle wissen, dass PC abstürzen.
>Wichtige Daten gehören in das Netz, in die Hände von Profis.

Ja und wir alle wissen, wieviele Wege es gibt, einen Server zu hacken und
Daten abzufangen und wir sind uns stets des guten Leumunds jedes
Mitarbeiters der Firma, die den US-Server betreibt, auf dem meine Daten so
sicher wie in Abrahams Schoss ruhen, bewusst.

>In der Java-Welt wird es keine Computerviren mehr geben, denn kein
Programm, das über das Netz geladen wird, kann die Kontrolle über den
Computer übernehmen und Dinge >tun, die es nicht darf.

Wie man zur Zeit gut beobachten kann. Wie kann man so arrogant sein und
meinen, 100% Sicherheit jetzt und für alle Zeiten garantieren zu können
?

>McNealy: Darauf gehe ich jede Wette ein. Darauf wette ich meine Firma.

Sorry, hoffentlich verlierst Du.

>McNealy: (...) Warum sollte man diesen Automaten nicht ans Internet
anschließen ­ und wenn es draußen heiß ist, wird kalte Brause
teurer? Wenn der Vorrat an Diet Pepsi knapp >wird, den Preis für dieses
Getränk erhöhen und aus den letzten Dosen einen Extraprofit
herausschlagen? Eine Stunde, bevor der Lieferwagen kommt, könnte der
Preis sinken, weil >es am effektivsten ist, wenn der Automat genau in dem
Moment leer ist, wenn der Nachschub eintrifft.

Armer Verbraucher, nie wirst Du Dir gewiss sein können, was die Dose Cola
gerade kostet, nie wirst Du Dir ungefähr ausrechnen können, ob Du mit
den Piepen für den Monat auskommst - ein sehr heisser Sommer, hmm,
schlecht für den Geldbeutel.
Aber dafür geht man ja vor jedem Einkauf ins Netz, ruft die
Statistikanwendung von SUN auf und stellt erstmal ellenlange Preis- und
Entfernungsvergleiche an, bis man die billigste Dose Cola entdeckt hat.

>McNealy: Wir Amerikaner glauben an die unsichtbare Hand des Marktes, die
solche Dinge regelt.

Ja, dafür bekommt ihr auch FIDNET, Echelon, CESA, CALEA serviert, dafür
gibt es tolle Verzeichnisse mit Sozialversicherungsnummern und anderen
Daten.

>Wir haben nicht das brennende Bedürfnis der Europäer, alles mit
Vorschriften zu regeln. Ihr Arzt hat Ihre Gesundheitsdaten, Ihre Bank hat
Ihre Kontoauszüge. Was würden Sie tun, >wenn Sie herausfänden, dass
Ihr Arzt Ihre Krankengeschichte im Internet veröffentlicht? Sie würden
ihn verklagen und den Arzt wechseln. Und wenn Ihre Bank Ihre Kontoauszüge
>veröffentlicht, wechseln Sie die Bank.

Aber erstmal steht meine Krankengeschichte (die ja auch irgendwo auf einem
hochsicheren Netzserver gespeichert ist) und meine Kontoauszug im Netz.
Hier in Deutschland gibt es wenigstens den Grundsatz der Datenvermeidung,
man muss das Sammeln von Daten schon im Vorfeld so weit wie möglich
begrenzen und das ist gut so.

>McNealy: Jeder Kunde, der das verlangt, taucht in dieser Liste nicht mehr
auf.

Es geht darum, das Individuen, Verbraucher schon im Vorfeld über
Persönlichkeitsrechte verfügen, die Anbieter, Firmen zu beachten haben.
In der Welt von M. rennt man zukünftig jedem Dienstleister und
Produzenten hinterher und muss ihn nachträglich zum Datenschutz
verdonnern.

>M: Und wenn das für jemanden so eine Katastrophe ist, kann er ja zum
Konkurrenten Barnes & Noble gehen. Wozu brauchen wir da ein Gesetz?

Weil eventuell B & N ebenfalls Daten sammelt oder bestimmte
Verwertungsmöglichkeiten im Auge hat, die ich mir zuvor gar nicht
ausmalen kann ?

>McNealy: Amerikaner stimmen mit der Brieftasche ab. Ich kenne keinen
Amerikaner, der wegen mangelnden Datenschutzes ernsthaften Schaden erlitten
hätte.

Mir fehlen die Worte...

>McNealy: Wollen Sie sich mit mir streiten? Ich repräsentiere hier nicht
die USA, ich sage nur, dass mich diese Frage persönlich nicht
interessiert. Ich glaube, dass Werbung >Information ist. Mit Ihrer Hysterie
sorgen Sie nur dafür, dass ich mit nutzloser Werbung zugeschüttet
werde, weil meine Daten so gut geschützt sind, dass ich die
Informationen, die für >mich wichtig sind, nicht bekomme. Wenn ich ein
paar Golfschuhe kaufe oder in einem Restaurant esse, und jemand
veröffentlicht das im Internet? Das ist mir egal. Mir persönlich ist
>es sogar egal, ob die Akten meines Arztes im Internet stehen. Ich bin
nicht Bill Clinton, ich habe nichts zu verbergen.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen...

>McNealy: Wen interessiert denn, was Sie kaufen? Wenn Sie Angst davor
haben, kaufen Sie eben nichts im Internet. Setzen Sie sich ins Auto, fahren
Sie irgendwo hin und bezahlen >Sie bar. Am besten tragen Sie auch eine
Strumpfmaske, damit Sie beim Einkaufen nicht erkannt werden. Anonymität
führt auch zu Verantwortungslosigkeit. Sie wissen ja, dass >Timothy
McVeigh, der den Bombenanschlag von Oklahoma verübte, gefasst werden
konnte, weil sich feststellen ließ, wer den Lastwagen gemietet hatte, in
dem die Bombe deponiert >war. Wäre diese Transaktion geheim gewesen,
hätte man ihn nicht gefasst, und er hätte vielleicht noch andere
Gebäude in die Luft gesprengt.

Deshalb, was regen wir uns über Pentium III PSN's auf, über
Internet-Protokolle mit MAC Identifizierung, warum nutzen wir überhaupt
SSL, Remailer, Webanonymisierer - damit macht man sich nur zum Mittäter
oder man ist selbst ein Täter, sonst würde man solche Dinge nicht
benutzen, wirklich ein wahrhaft gesetzestreuer und gottesfürchtiger
Vertrter von "God's own country".

>McNealy: Ich lebe ein sauberes, langweiliges Leben. Sie können in meinen
Schrank gucken, Sie können sich jede Datei auf meiner Festplatte
angucken. Es gibt nichts, was mir >peinlich sein müsste.

Arbeitet McNealy für SUN oder für die NSA ?

Ciao
Kai

P.S.: Wenn es einen "Enemy of the net No. 1" gibt, dann ist das für mich
zur Zeit McNealy.