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Re: CyberPatrol



On 20 Mar 00, at 8:09, Kristian Köhntopp wrote:

> Und diese Firma klagt alles und jeden in Grund und Boden.
> 
> Wie sieht es denn in solchen Fällen mit Produkthaftung
> oder gar Betrug aus (immerhin sind bei einer Stichprobe
> 76%, also weit mehr als die Hälfte aller geprüften URL
> ungerechtfertigt gesperrt worden) und mit Datenschutz?
> Wenn der Hersteller wegen "Urheberrechtsverstößen"
> amerikanisches Recht in Schweden geltend machen kann,
> wie sieht es dann mit deutschem Verbraucherschutz-
> und Datenschutzrecht in den USA aus? Und wenn nicht,
> wieso dann diese Ungleichheit der Waffen?

In res DeCSS und CyberPatrol wird - rechtlich gesehen - noch geuebt. 
Eine der komplizierteren Fragen in beiden Faellen ist, welches Recht 
welchen Landes materiell anwendbar ist und welche Gerichte darueber 
zu befinden haben. Die Amis haben eine gewisse Tendenz, sich fuer den 
Mittelpunkt des Universums zu halten, und streuen ihre einstweiligen 
Verfuegungen rund um den Globus. Und manche Adressaten ausserhalb der 
USA haben nicht den Willen und/oder die Mittel, um sowas mal 
auszufechten. Das Fachgebiet, wo man sich zu betaetigen haette, waere 
hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprueche das sog. "Internationale 
Privatrecht" (IPR); ein in (jeder?) Rechtsordnung vorhandener Satz 
von Knobelregeln, nach denen man die Frage anwendbaren Rechtes und 
internationaler Gerichtsstaende auswuerfeln kann. Das Internet mit 
seiner Globalitaet hat hier einiges in Unordnung gebracht.

Im uebrigen sollte man zivilrechtliche Ansprueche (z.B. Unterlassungs-
ansprueche, Auskunftsansprueche etc. pp.) stets streng von 
strafrechtlichen Dingen (z.B. Betrugsvorwuerfe) trennen, da die 
Spielregeln - auch auf transnationaler Ebene - sehr unterschiedlich 
sind.

Entscheidend ist die erkennbare Absicht einer noch unformierten 
"Grossen Koalition" der Verlierer des Internet-Zeitalters: RIAA, 
IFPI, CyberPatrol (ja, auch die - die wuerden zwar ohne Internet gar 
nicht existieren, aber jetzt merken sie, dass ihr Geschaeft in 
gewissen Aspekten nicht Netzkompatibel ist), Jugendschutz, 
Verbraucherschutz, Banken- und Boersenaufsicht usw. usf., nicht nur 
ueber unerwuenschte Netz-Inhalte pauschal zu jammern, sondern 
Zielschiessen zu ueben. Da die primaeren Rechtsverstoesse 
erfahrungsgemaess schwer aufzuklaeren und zu verfolgen sind und 
selbst bei einem Prozessgewinn ueberdies auch allenfalls 
Schadensersatz, nicht aber Naturalrestution zu erwarten waere, 
bevorzugt man allenthalben rechtliche Angriffe auf Nebenbeteiligte, 
insbesondere Hosting- und Access-Provider oder 
Mailinglistenbetreiber, mit Begriffen wie "Stoererhaftung" um sich 
schlagend, in der Hoffnung, den tatsaechlichen Geschehensablauf damit 
nachhaltiger beeinflussen zu koennen.

Dies ist - wie gesagt - nur die politische Seite.

Es beduerfte etlicher Praezedenzfalle, in denen z.B. in Europa mal 
ausgefochten wird, was von in den USA erwirkten zivilprozessualen 
Titeln hinsichtlich Internet-Streitigkeiten zu halten ist. Ausserdem 
ist die materielle Rechtslage in vielen interessanten Fragen (z.B. 
DCMA) in Europa (noch?) unterschiedlich gegenueber den USA, so dass 
auch bei Anwendung von nicht-US-Recht u.U. mit abweichenden 
Ergebnissen zu rechnen waere. Und schliesslich sind weder DeCSS noch 
CP in den USA bisher durch den Instanzenzug gegangen.

Fazit: Nichts Genaues weiss man nicht.

--AHH