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heise online: World Wide Anarchy: Netz ohne Kontrolle



Diese Meldung aus dem heise online Newsticker wurde Ihnen
von nobody@nowhere.net gesandt.
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World Wide Anarchy: Netz ohne Kontrolle 

Ein Projekt des Briten Ian Clarke dürfte einigen Vertretern aus Industrie
und Politik den Schweiß auf die Stirn treiben. Er betreibt den Aufbau eines
parallelen Internets, in dem Zensur unmöglich und Anonymität garantiert ist
und sich die Verbreitung von Informationen selbst nach den Gesetzen der
Nachfrage regelt. "Freenet[1] ist die fast perfekte Anarchie", behaupten
dessen Erfinder. Nicht einmal sie selbst hätten die Möglichkeit, Kontrolle
über das gesamte System auszuüben.

Clarke baut das Freenet aus der Überzeugung heraus auf, dass echte
Demokratie den ungehinderten Zugang zu jeglicher Art von Informationen
erfordert. Selbst pornographische oder rassistische Inhalte seien davon
nicht ausgenommen. "Es ist unmöglich, Kategorien von Inhalten zu bestimmen,
bei denen eine Zensur unproblematisch ist." Im Zweifelsfall entschieden
dann die jeweiligen Regierungen, ob gewisse Veröffentlichungen nun
pornographisch, rassistisch oder neonazistisch sind. Dadurch entstünde viel
Spielraum, den Informationsfluss unter staatlicher Kontrolle zu halten und
die Meinungsbildung in der Bevölkerung zu manipulieren. Die Nachteile
seines Ansatzes, der optimale Bedingungen für kriminelle Organisationen,
die Verbreitung von Kinderpornographie oder Copyright-Verletzungen schaffen
würde, nimmt Clarke dabei bewusst in Kauf. Die Misshandlung von Kindern sei
bereits illegal und werde verfolgt. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass
kinderpornographisches Material Männer dazu animieren werde, Kinder zu
misshandeln. "Der Wunsch eines Menschen, solches Material zu sehen, ist
eher ein Symptom dafür, dass dieser bereits einen kranken Geist hat."

Clarkes so genanntes Freenet besteht aus einer Vielzahl gleichberechtigter
Knoten, an denen Informationen gespeichert sind. Eine spezielle Software
erlaubt es jedem Nutzer, seinen Computer in das Netz einzubinden und damit
beliebige Inhalte einzuspeisen. Das Netz ist als binärer Suchbaum
organisiert. Jeder Knoten vereinigt dabei mehrere Computer, um das Netz
stabiler und weniger anfällig gegen Störungen zu machen. Ein Knoten besteht
sowohl aus Inhalten als auch aus verschlüsselten Informationen darüber, wo
eventuell andere Inhalte im Netz zu finden sind. Eine Anfrage durchläuft
dann eine Anzahl von Knoten, die Aufschluss über den wirklichen
Aufenthatltsort des gesuchten Materials geben könnten, bis dieser
schließlich erreicht ist. Das Material nimmt den gleichen Weg zurück zum
Empfänger und wird zudem als Kopie für eine gewisse Zeit lokal an diesem
Ort abgelegt, sodass die nächste identische Anfrage ohne Suchprozess
auskommt. Häufig abgerufene Informationen verbreiten sich dabei schnell
über das ganze Netz, wodurch das System selbst dann noch stabil bleibt,
wenn eine bestimmte Anfrage sich häuft. Hingegen konzentriert sich
Material, das nur lokale Popularität genießt, etwa an einer bestimmten
Universität, in einem Land oder Kontinent, auf Knoten in deren näherer
Umgebung. Die einzelnen Knoten nehmen dabei nur eine limitierte Anzahl an
Inhalten auf (Stapelverarbeitung), so dass selten oder nie angeforderte
Informationen mit der Zeit vollkommen aus dem Netz oder einem bestimmten
Teil des Netzes verschwinden. 

Siehe dazu auch Ein Netzwerk, das Zensur unmöglich machen soll[2] in
Telepolis[3]. (atr[4]/c't)

URL dieses Artikels:
 http://www.heise.de/newsticker/data/atr-27.04.00-000/

Links in diesem Artikel:
 [1] http://freenet.sourceforge.net/
 [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5939/1.html
 [3] http://www.heise.de/tp
 [4] mailto:atr@ct.heise.de

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