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SigG? Schwachsinn. (was: Das Falsche reguliert (was: [FYI] Portrait of a Pirate))



On 2000-06-12 22:44:50 +0200, Kristian Köhntopp wrote:

> Denn obwohl wir in Deutschland ein Signaturgesetz
> haben, das keiner will und keiner braucht, geht genau
> eines nicht: Daheim am Rechner sitzen und Ware gegen
> Geld tauschen.

"Obwohl"?  Wohl eher: "weil".

Denn tatsächlich zeugt doch die Vorstellung, man brauche
für den elektronischen Handel ein Signaturgesetz, von dem
vollständigen Unvermögen der politisch und teilweise auch
der wirtschaftlich handelnden, Kunden- und Nutzerverhalten
auch nur ansatzweise einzuschätzen.  Tatsächlich ist das
genau das gleiche Unvermögen, das Du in Bezug auf die
Verfügbarmachung von Bargeld im Netz beschreibst.


Fragen wir uns mal einfach: Wo könnte die Anwendung für
ein Signaturgesetz liegen?


- B2B. Hier werden unter Umständen in elektronischer Form
  teure und große Transaktionen veranlaßt, und man könnte
  auf die Idee kommen, ein bißchen elektronische
  Rechtssicherheit brauchen zu können.

  Das Problem ist nur, daß niemand im B2B-E-Commerce ein
  Signaturgesetz oder eine Signaturrichtlinie braucht.

  Dafür hat man längst Rahmenverträge (die offenbar
  funktionieren) und die Möglichkeit, die meisten
  Formvorschriften in diesen Rahmenverträgen abzubedingen.

  Verbraucherschutzgesetzgebung ist nicht anwendbar, ein
  Problem, das das SigG oder die SigRL lösten könnten,
  existiert nicht.

- B2C. Hier gerät in einigen Rechtsordnungen
  Verbraucherschutzgesetzgebung in diesem oder jenem
  Gewand in den Weg (-> Beweisregeln des frz. Code Civil).

  Anstatt über die Sinnhaftigkeit derartiger Beweisregeln
  nachzudenken und sie unter Umständen durch etwas
  flexibler Handhabbares zu ersetzen, bildet man lieber
  die Papierform ab.  (Nicht, daß das in D nötig wäre -
  hier gibt es die freie Beweiswürdigung.)


  Ohne jetzt weiter auf den rechtlichen Bedarf an
  elektronischen Signaturen eingehen zu wollen, muß die
  elementare Frage erlaubt sein, was da eigentlich von
  mir, dem Kunden, erwartet wird.

  Ich soll Investitionen und laufende Kosten in Kauf
  nehmen, um mir Signaturzertifikat und Chipkartenleser zu
  besorgen. Ich soll bitte unter allen Umständen ein
  Betriebssystem verwenden, das ich für unsicher,
  unbrauchbar und eklig halte, das mich aber auch Geld
  kosten würde.  
  
  Auch dann übrigens, wenn ich beispielsweise gerade einen
  schicken iMac gekauft habe - oder Windows durch Linux
  ersetzt.  (Wen schert schon in Europa der Komfort des
  Kunden?)


  Und wozu das ganze?  Damit ich besser von denen verklagt
  werden kann, bei denen ich einkaufen gehe. 


  Man lasse sich diese Logik auf der Zunge zergehen: Ich,
  der Kunde, soll investieren, um damit dem Anbieter, der
  mir etwas verkaufen möchte, Vorteile mir gegenüber zu
  verschaffen?  Ernsthaft kann das niemand glauben - eher
  bleiben die Kunden beim Laden um die Ecke, der nämlich
  auf einmal wieder vorteilhafter und preisgünstiger
  aussieht.


  Die Vorstellung, der Verbrucher würde für den Nachteil
  der Nichtabstreitbarkeit auch noch draufzahlen, um dann
  die schmalen Vorteile des E-Commerce zu nutzen, ist
  absurd - aber anscheinend nicht absurd genug, um nicht
  doch durch die Köpfe der Politik zu geistern.

- C2C.  Unnütz.


Was bleibt als Anwendung für die SigG-Signaturen?

Eigentlich nur der Rechtsverkehr mit dem Staat als
solchem.  Als Märkte kommen also all die in Betracht, bei
deren Stundensätzen das Warten im Rathaus teurer ist als
der Erwerb eines SigG-Schlüssels- und -Zertifikats - das
ist mit Sicherheit _nicht_ das gros der Bevölkerung, und
es bleibt (irgendwann in Zukunft) die Anwaltschaft, die
elektronisch mit den Gerichten korrespondieren können
möchte.

Ein Massenmarkt für SigG-konforme Signaturapparate
existiert jedenfalls nicht.

-- 
http://www.guug.de/~roessler/