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[FYI] Echelon-Anhoerung in Berlin
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] Echelon-Anhoerung in Berlin
- From: "Ralf Stephan" <ralf@ark.in-berlin.de>
- Date: Wed, 5 Jul 2000 12:37:18 +0200
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http://www.berliner-morgenpost.de/inhalt/000707/fernsehen/story77124.html
...
Insgesamt habe Campbell bei den Abgeordneten einen «ausgezeichneten
Eindruck» hinterlassen, berichtet ein Teilnehmer aus der
nichtöffentlichen Sitzung. Campbell hatte für das Europäische
Parlament bereits den Bericht «Abhörmöglichkeiten 2000» verfasst, der
teils auf den Rechercheergebnissen des Neuseeländers Nicky Hagers,
teils auf eigenen Erkenntnissen beruht.
Dagegen seien die Ausführungen des Bundesinnenministeriums selbst bei
SPD-Abgeordneten auf Kopfschütteln gestoßen, heißt es. Der Vertreter
des Ministeriums, Werner Müller, hatte im Ausschuss behauptet; Echelon
sei ein Abhörsystem gegen Betrug und Verstöße gegen
Embargobestimmungen. Dabei handele es sich nicht um
Wirtschaftsspionage, sondern um Aktionen zu Gunsten des
wirtschaftlichen Wohls des Landes. Müller folgte damit der
Argumentation der US-Regierung.
Duncan Campbell wies hingegen darauf hin, dass die US-Regierung über
Echelon gewonnene Informationen nicht nur in Bestechungs- und
Korruptionsfällen an private Unternehmen weitergebe. Auch im Fall
unzulässiger Einflussnahme, worunter die US-Regierung jede Form von
Lobbying, Druck beziehungsweise Unterstützung versteht, sei dies
bereits der Fall (www.independent. co.uk/news/World/Europe/2000-07/
echelon060 700.shtml). Dadurch sei in Europa bereits ein
volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Für
Campbell ist dieser Handelskrieg bereits «ein neuer Kalter Krieg».
Reichard Boucher, Sprecher des US-Außenministeriums wies am selben Tag
die Vorwürfe zurück: «Die Vorstellung, dass wir Informationen zur
Unterstützung der amerikanischen Unternehmen sammeln, ist ganz einfach
falsch.»
Den Parlamentariern ging es bei der Anhörung auch um die
Rechtsgrundlage von US-Abhörstationen wie in Bad Aibling. Während die
Bundesregierung solche Einrichtungen unter dem Nato-Truppenstatut für
legitim hält, melden Experten daran verstärkt Zweifel an. Da sich nach
Aussagen des ehemaligen CIA-Chefs James Woolsey die Geheimdienste
zunehmend auf Wirtschaftsspionage verlegten, sei, so der
brandenburgische Landesdatenschützer Alexander Dix, die NSA kein rein
militärischer Geheimdienst mehr. Insofern sei auch das
Nato-Truppenstatut, das Aufklärung zur Sicherung der eigenen Truppen
erlaubt, nicht die passende Rechtsgrundlage. Zudem verstoße Echelon
nicht nur gegen deutsches, sondern auch gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht.
Campbell wies darauf hin, dass Aufklärungsaktivitäten nicht nur von
der Station in Bad Aibling, sondern auch von dem
Information-Distribution-Center in Wiesbaden sowie einer Anlage in
Berlin-Tempelhof betrieben werde. Die Parlamentarische
Kontroll-Kommission stellte bei ihrem Besuch im Mai in Bad Aibling
fest, dass die Antennen in Richtung der GUS-Staaten sowie Osteuropa
ausgerichtet seien. Campbell wies hingegen darauf hin, dass die
Fernmeldekommunikation in Deutschland von Stationen in Großbritannien
aus überwacht werde. Allerdings hätten die Aktivitäten seit 1997/98
nachgelassen.
Der Vertreter des Bundesinnenministeriums Müller sagte, das
Ministerium sei allen im EU-Bericht vom Campbell aufgeführten Fällen
nachgegangen. Im Fall des Windkraftanlagen-Herstellers Enercon, dessen
Technologie überraschend in den USA verwendet worden war, habe sogar
der Generalbundesanwalt ermittelt. Dabei habe es sich jedoch um eine
normale Form der Industriespionage gehandelt. In diesem Fall wie auch
in den anderen Fällen gäbe es keine Belege für eine Beteiligung der
amerikanischen National Security Agency (NSA) oder der Geheimdienste
anderer Staaten.
Alexander Dix vertrat vor dem Ausschuss die Auffassung, dass eine
europaweite Vereinbarung oder eine Absichtserklärung beschlossen
werden müsse, die innerhalb der Europäischen Union Wirtschaftsspionage
untersage. Zusätzlich müsse die EU gemeinsame Richtlinien zur
Verschlüsselung von digitalen Botschaften entwickeln.
Auf Initiative des Bundesinnenministers Otto Schily hat der
Europäische Rat für Justiz und Inneres kürzlich eben dazu beschlossen,
eine Arbeitsgruppe einzurichten. Die Gruppe soll sich mit der Frage
beschäftigen, inwieweit Bürger mit Hilfe von Verschlüsselungsmitteln
oder anderen Methoden ihre private Kommunikation schützen können.
Nach Ansicht von Otto Schily muss dabei allerdings auch das Interesse
der Strafverfolgungsbehörden berücksichtigt werden, die eine
verschlüsselte Botschaft wieder lesbar machen wollen. Dix betonte,
dass damit aber nicht automatisch die Interessen der Geheimdienste
gemeint seien.
...
Dafür soll im Bundestag das Thema Echelon weiter diskutiert werden.
Das haben die grünen Abgeordneten Claudia Roth und Christian Sterzing
angekündigt. Sie forderten die Bundesregierung auf, «rasch und
konsequent» mit den USA und den EU-Mitgliedstaaten ein allseitiges
Verbot auszuhandeln, damit sich «Menschen in diesen Ländern nicht
gegenseitig ausspionieren».
ralf
--
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