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Re: Democracy by obscuranty?



Martin Rost schrieb:

>Merkwuerdig, dass bislang noch niemand zu diesem Punkt aufmerkte...
>Demokratietheoretisch ist eine solche Beteuerung, die Geldquelle habe
>keinen Einfluss auf die eigenen Entscheidungen, belanglos. Beide sind
>durch die Arkanisierung ihrer Finanzierung unwaehlbar fuer solche,
>die dazu neigen, wenn irgend moeglich programmatisch zu waehlen.
>Ihnen einfach drauflos zu vertrauen - nicht nur bei aller Sympathie,
>sondern weil sie schliesslich Kompetenz bewiesen haben und zur
>richtigen Szene zaehlen - waere naiv. Die Quellen muessen offengelegt
>sein.

Und bevor hier in der Tat irgendwelche Missverständnisse und/oder
Verschwörungstheorien entstehen, möchte ich dazu zumindest
im Bezug auf meine Person etwas sagen, bzw. meine Überlegungen
offenlegen.

Ich lebe derzeit von Artikel, Vorträgen, Gutachten nebst Medien-
beratung im weitesten Sinne, bin selbstständiger freier Journalist. 
Da ich genausowenig wie irgendein Kandidat von einer Finanzierung
von ICANN ausgehen kann, habe ich mir natürlich auch überlegt, wie
das funktionieren soll. 

Bei der Finanzierung würde ich mal in zwei bis drei Punkte unterscheiden:

- Eigenfinanzierung 
  (Wohnung, Essen, Kultur, Mobil-TK, etc.)

eng verwoben mit

- Strukturfinanzierung 
  (Bürosimulation, IP, IT, TK, Büropersonal, Flugbereitschaft)

und im Bezug auf ICANN mässige Zusatzbelastung vor allem

- Begleitstruktur-Finanzierung (Transparenz- und Beratungsarbeit)

Ersteres beides unterhalte ich "sowieso"; dabei wird die Arbeit an
Themen, Material- und Reisekosten etc. durch die Erlöse aus
Artikeln, Vorträgen, Gutachten getragen. 

Klar ist, daß die Arbyte bei ICANN Zeit kosten wird, klar ist aber
auch, daß ich nicht weniger die Erkenntnisse in soetwas wie Artikel,
Vorträge, Kooperation mit Journalisten für Beiträge ummünzen kann. 
Diesbezüglich gibt es also weder was zu  verstecken, noch zu befürchten.
Deswegen war es mir auch wichtig, schon in meiner "offiziellen" 
Bewerbung klar zu stellen, daß ich keine NDA´s unterzeichne und 
insofern alles so transparent und öffentlich wie möglich ist.

Transparenz ist aber nicht nur eine erstrebenswerte und tolle Sache,
sondern auch echte Arbeit. Wenn ich schreibe "so transparent wie
möglich" meine ich damit: ich schaffe das im Bezug auf meine
Aktivitäten auch nicht immer,  außerhalb des CCC Berlin (dort:
mündlich, wöchentlich) zu berichten, was ich wie wo mache und
was ich wie wo erlebe und was wie wo abgeht. Um das zu 
verbessern, habe ich mit den Datenreiseberichten 
(http://www.datenreisen.de) angefangen, das ist aber noch stark
ausbaufähig.

Nachdem ich bereits die Ehre hatte zu erfahren, was sich bestimmte
Industrielobbyisten darunter vorstellen, wenn sie davon reden
einen "Beirat" einzurichten - und es sei ja auch ganz einfach, dafür
BMBF Kohle einzusammeln - werde ich auf ein Industriefinanziertes
bzw. ausgeklüngeltes Modell im Falle einer Wahl definitiv verzichten.

Auf der anderen Seite bin ich mir der Tatsache bewusst, daß schon
meine eigenen Maßstäbe im Bezug auf Transparenz echte Arbeit
erfordern und dies sowohl europäische Kooperation (und zwar nicht
nur über Mailinglisten) als auch ein paar seriöse Begutachtungen
einiger Fragestellungen (z.B. juristischer Natur) erfordert.

Die Finanzierung für ein solches regelmässiges Gremium, an dem
möglichst Vertreter von Nutzerorganisationen aus allen europäischen
Ländern nebst ein paar Juristen Teilnehmen, ist also aus meiner Sicht
das entscheidende.

Es gibt hier erste Gespräche und unabhängig von der Frage, wer
gewählt wird, finde ich es auch wichtig, das zu thematisieren.
Die Finanzierung sollte ja nicht nur transparent sein, sondern
_wirklich_ unabhängig, wenn die EU GD 13 das finanziert, werden
die warscheinlich ebenso wie das BMBF oder das BMWI Ihre 
Vorstellungen im  Bezug auf den Teilnehmerkreis einbringen
wollen. Eine Mischkalkulation ist nicht zwangsläufig eine Lösung
des Problems; es geht wohl eher um die Institution mit dem
kompatibelsten herangehen.

Man könnte natürlich auch das Street Performer Protocoll von 
Schneier mal ausprobieren oder Fund Raising betreiben; bloss
wird der oder die Kandidat(in) dazu nicht wirklich die Zeit haben,
das werden andere organisieren müssen. 

Klar ist, es gibt wissenschaftliche Institutionen, wo man sowas
evtl. anhängen könnte; es gibt auch die Juristen schon und die
Nutzerorganisationen müssen wir auch nicht erfinden. Auch das
Geld ist bereits vorhanden, es ist nur gerade woanders.

Und ich habe nicht den Anspruch, meine persönlichen Vorstellungen
vor alle anderen zu stellen, auch wenn ich genug Veranstaltungen,
Arbeitskreise und Mailinglisten besucht habe, um zu wissen was
ich nicht will.

Wir müssen das während der Wahl glaube ich nicht endlos diskutieren, 
aber wenn jemand Ideen hat, möge er sie doch mal in den Raum stellen. 

Gruss,

Andy 

-- 
"chaos will reign" - MPAA Anwalt Leon Gold im Prozess gegen 2600 wg. DeCSS

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