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Pruefung fuer FITUG
- To: members@fitug.de, debate@fitug.de
- Subject: Pruefung fuer FITUG
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Tue, 22 Aug 2000 11:54:29 +0200 (CEST)
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Der Verwaltungsrat des Europaeischen Patentamtes wird am 5.-8. September
in Muenchen eine Sitzung abhalten, auf der unsere Regierung dafuer sorgen
koennte, dass Art. 52 EPUe diesmal nicht geaendert wird.
Nach der letzten Presseerklaerung zur "grenzenlosen Patentierbarkeit"
http://swpat.ffii.org/news/epue28/
gab es einigen oeffentlichen Aufruhr -- zahlreiche Telefonate gingen bei
BMJ und EPA ein. Das duerfte mit dafuer gesorgt haben, dass die
Ausschlussliste in Art 52.2 nun in eckigen Klammern auf Abruf erhalten
bleibt. Die entscheidende Grenze, die von der Materie zur Information,
wird jedoch ueberschritten. Computerprogramme werden aufgrund eines
"breiten Konsenses" von EPA bis BMJ uvm patentierbar. Und
Geschaeftsmethodenpatente werden laengst gewaehrt.
Das laesst sich bis 5. September noch verhindern. Wir brauchen einen
echten breiten Konsens gegen die Aenderung des Art. 52, der jetzt wirklich
kraftvoll vorgetragen wird.
Alle Hoffnungen, nach Ueberschreitung der entscheidenden Grenze auf
prozeduraler Ebene etwas reparieren zu wollen, sind Taeuschungen. Darauf
habe ich AHH und Lutz Donnerhacke auf debate@fitug.de bereits in einer
sorgfaeltigen Widerlegung ihrer Argumentation hingewiesen, aber sie zogen
es vor, zu schweigen. Warum?
Ich bitte um Durchlesen des folgenden Schreibens an das BMJ und eventuelle
Beteiligung, sei es als Privatperson, Firma oder FITUG e.V. Korrekturen
oder Neuentwuerfe seitens FITUG sind mir auch recht. Ein Schweigen in
dieser Situation koennte ich allerdings nicht mehr verstehen.
Viele Gruesse
---
_________________________________________________________________
DE-10969 Berlin
Neuenburger Straße 15
Bundesministerium der Justiz
Referat Patentrecht
Herrn Dr. Dietrich Welp
Sehr geehrter Herr Dr. Welp!
Vielen Dank für Ihre Hinweise und für die Übersendung des
EPO-Dokuments CA/PL 25/00 "Basisvorschlag für die Revision des
Europäischen Patentübereinkommens" vom 27. Juni 2000.
Wir beobachten schon seit einiger Zeit großer Sorge die Bestrebungen
der Europäischen Patentjudikative, immer mehr Funktionen der
Legislative zu übernehmen, um den Patentinhabern immer schärfere
Waffen in die Hand zu geben, die weit über die legitimen Ziele des
Patentwesens hinausschießen und eine Bedrohung für Innovation,
Wettbewerb und Wachstum der Informationstechniken sowie für
grundlegende Bürgerrechte der Informationsgesellschaft darstellen.
Der neueste Vorstoß der Europäischen Patentorganisation stellt einen
vorläufigen Höhepunkt dieser Bestrebungen dar. Es wird u.a.
vorgeschlagen, die gesamte Liste der Patentierungsbeschränkungen in
Art 52 EPÜ zu streichen und stattdessen zu fordern, dass die zu
patentierenden Gegenstände "technisch" sein müssten, wobei die
Definition der "Technizität" bewusst "dynamisch" gehalten, d.h. dem
EPA anheimgestellt wird. Während die BGH-Rechtsprechung bis vor kurzem
"Technik" konsequent als "automatisierte Problemlösung unter Einsatz
von Naturkräften" einschränkte, dient die der Technikbegriff im
EPA-"Basisvorschlag" umgekehrt dazu, alle denkbaren Beschränkungen des
Patentwesens von vorneherein aufzuheben.
Das EPA definiert in seinem "Basis-Vorschlag" wie auch sonst den
"technischen Charakter" zirkulär: "an den Fachmann gerichte Anweisung,
eine bestimmte technische Aufgabe mit bestimmten technischen Mittel zu
lösen". Die "Technizität" ist nach EPA-Verständnis das "grundlegende
Erfordernis der Patentierbarkeit", und sie leitet sich aus der
Forderung nach "erfinderischer Tätigkeit" her. M.a.W. "Technizität"
bedeutet nicht mehr als die mit jedem Patentantrag ohnehin implizierte
und kaum widerlegbare Grundannahme der kommerziell/gewerblichen
Anwendbarkeit und der Existenz einer Gemeinde von interessierten
Fachleuten. Somit kommt der EPA-Forderung nach "Technizität" bereits
heute keinerlei einschränkender Charakter mehr zu. Im Gegenteil, die
"Basisvorschlag"-Formulierung "Erfindungen auf allen Gebieten der
Technik" bezweckt laut EPA-"Erläuterungen", "augenfällig auszudrücken,
dass der Patentschutz grundsätzlich technischen Erfindungen aller Art
offensteht". Der Universalitätsanspruch des Patentwesens soll
gesetzlich festgeschrieben werden.
Scheinbar relativierende "Erläuterungen" wie "Andererseits gibt es
eine lange europäische Rechtstradition, wonach der Patentschutz
Schöpfungen auf dem Gebiet der Technik vorbehalten ist" können nicht
darüber hinwegtäuschen, dass der "Basisvorschlag" in Wirklichkeit auf
die restlose Aufhebung ebenjener Rechtstradition zugunsten
amerikanischer Verhältnisse hinausläuft.
Die europäische Rechtstradition nach Art 52 EPÜ hat bewusst auf einen
Universalitätsanspruch für das Patentwesen verzichtet. Sie beruht auf
einer geschickten Trennung zwischen Materie und Information. Ein
wertvolles Informationsgut wird mit der Patentschrift veröffentlicht,
und im Gegenzug wird die Kontrolle über eine Klasse wertvoller
materieller Güter befristet privatisiert. Diese Trennung kam in den
klassischen Definitionen von Begriffen wie "Technizität" und
"industrielle Anwendbarkeit" ebenso wie in der Einschränkungsliste des
Art 52(2) zum Ausdruck.
Zwischen Materie und Information, Hardware und Software verläuft eine
fundamentale Grenze mit starken wirtschaftlichen Auswirkungen.
Materielle Güter sind ortsgebunden und ihre Serienfertigung erfordert
industriellen Aufwand; informationelle Güter hingegen sind von ihrem
Träger unabhängig und lassen sich tendenziell kostenlos
vervielfältigen. Materielle Güter sind zeitgebunden und lassen sich
nach einmaligem Konsum erneut in identischer Form verkaufen;
informationelle Güter hingegen sind unkonsumierbar und gewinnen nur
aus Innovation (immer neue Versionen) einen wirtschaftlichen Wert.
Materielle Güter sind Geldwerte, informationelle Güter sind
Machtfaktoren. Materielle Güter erreichen ihren Geldwert durch
weitestgehende Verteilung, informationelle Güter entfalten ihre
Machtwert durch weitestgehenden Ausschluss (Geheimhaltung,
Monopolisierung). Materielle Güter verlangen nach privaten Besitzern,
informationelle Güter hingegen gehen über kurz oder lang ins
Gemeineigentum über, wo sie ihren volkswirtschaftlichen Wert oft erst
richtig entfalten können. Materielle Güter gehören meist auf
unbefristete Zeit einem naturrechtlichen Eigentümer; für
informationelle Güter gibt es hingegen befristete Ausschlussrechte,
die der Staat aus wirtschaftspolitischen Erwägungen gewährt. Das
Patentrecht erlaubt die befristete Monopolisierung bestimmter Klassen
materieller Güter; für informationelle Güter hingegen gelten das
Urheberrecht und die Ausdrucksfreiheit.
In den Erläuterungen zum "Basisvorschlag" wird eine Überschreitung der
Grenze zur Information ausdrücklich gefordert:
Des weiteren wird vorgeschlagen, Artikel 52 (2) und (3) EPÜ zu
streichen und in die Ausführungsordnung zu überführen, mit der
Vorgabe, Computerprogramme aus dem Ausnahmenkatalog in Artikel
52(2) EPÜ herauszunehmen. ... Die vorgeschlagene Überführung in die
Regeln würde es .. erleichtern, diese Vorschriften bei Bedarf an
rechtliche, wirtschaftliche oder technische Entwicklungen
anzupassen.
Inzwischen scheint sich ein breiter Konsens herauszubilden, dass
Computerprogramme aus der Liste der nicht patentierbaren
Erfindungen nach Artikel 52 (2) EPÜ gestrichen werden sollten. Das
EPA und seine Beschwerdekammern haben das EPÜ stets so ausgelegt
und angewendet, dass diese Ausnahmevorschrift einen angemessenen
Schutz für softwarebezogene Erfindungen, also Erfindungen, die ein
Computerprogramm zum Gegenstand haben oder einschließen, in keiner
Weise verhindert. In jüngeren Entscheidungen der Beschwerdekammern
(s. T 1173/97 - Computerprogrammprodukt/IBM, ABI. EPA 1999, 609)
wurde in der Tat bestätigt, dass in der Regel Computerprogramme
nach dem EPÜ patentierbare Gegenstände sind. Die geltende
Ausnahmevorschrift für Computerprogramme ist damit de facto
überholt.
Auch diese Formulierungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass
das EPA nach der Verabschiedung des EPÜ 1973 bis weit in die 80er
Jahren die Vorgaben des Gesetzgebers streng befolgte und die
Patentierung von Erfindungen ablehnte, die "ein Computerprogramm zum
Gegenstand" hatten, d.h. bei denen die Veröffentlichung eines
Computerprogramms genügen könnte, um das Patent zu verletzen. Seit
1986 wurde das leidige "Software-Patentierverbot" jedoch Schritt für
Schritt aus wirtschafspolitischen Erwägungen heraus ausgehebelt.
Damals beschloss das EPA, dass "ein Computerprogramm mit einem
zusätzlichen technischen Effekt" nicht ein "Computerprogramm als
solches" sei und entwickelte dann eine Rechtsprechung, die kaum mehr
jemand verstand. Hierzu schreibt der Software-Referent der Union der
Europäischen Berater für den Gewerblichen Rechtschutz, PA Jürgen
Betten:
Der Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" vom
Patentschutz in Art. 52 EPÜ (§1 PatG) wird seit langem als
rechtspolitische Fehlentscheidung angesehen, zumal der Ausschluss
von breiten Verkehrskreisen - bis heute - missverstanden und meist
als Ausschluss von Computerprogrammen allgemein verstanden wird.
...
Weiteren Auftrieb erhielt die europäische Diskussion durch die
Resolution der AIPPI zur Frage Q133 vom 22.4.1997 in Wien, die in
dem Satz zusammengefaßt werden kann: "Alle auf einem Computer
ablauffähigen Programme sind technischer Natur und daher
patentfähig, wenn sie neu und erfinderisch sind", sowie den Round
Table der UNION[1] am 9./10.12.1997, als im Europäischen Patentamt
100 Fachleute aus zwanzig europäischen Ländern über die Zukunft des
Patentschutzes von Software in Europa diskutierten und zu einem
ähnlichen Eindruck kamen wie die AIPPI. Zudem wurde darauf
hingewiesen, dass das Konzept des EPA zum "technichen Charakter"
weder von den Patentanmeldern noch von den nationalen Patentämtern
richtig verstanden würde. Viele Teilnehmer machten klar, dass
eigentlich alle Computerprogramme dem Wesen nach "technischen
Charakter" aufweisen würden. Seit dieser Zeit wird praktisch "auf
allen Kanälen" daran gearbeitet, einen Weg zu finden, wie der
irreführende Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" aus
dem europäischen Patentgesetz entfernt werden kann, wobei
konsequenterweise auch die anderen Ausnahmeregeleungen in Art. 52
Abs. 2 EPÜ (§1 PatG) zur Disposition stehen. ...
Daneben bemüht sich die Rechtsprechung ..., die derzeitige
Gesetzesregelung so eng auszulegen, dass praktisch alle
Computerprogramme - bei entsprechender Anspruchsformulierung -
technischen Charakter besitzen und patentfähig sind, wenn sie neu
und erfinderisch sind.
Diese "rechtspolitisch" motivierten "Bemühungen der Rechtssprechung"
führten zu den vom EPA-Basisvorschlag zitierten
Beschwerdekammer-Urteilen von 1999 zum Thema
"Computerprogrammprodukt/IBM" und "Computerprogramm/IBM".
Patentiert werden nunmehr, anders als in der europäischen
Rechtstradition des industriellen Patentwesens, nicht mehr nur
bestimmte Klassen materieller "Produkte und Prozesse", sondern die zur
Beschreibung solcher Produkte und Prozesse dienende Information
selber. Genau genommen kann demnach schon derjenige ein Patent
verletzen, der eine Patentschrift kopiert. Denn in einer Patentschrift
sollte ein Ausführungsbeispiel enthalten sein, welches "den
durchschnittlichen Fachmann zur vollständigen Nachvollziehung der
Erfindung befähigt", d.h. im Idealfall bei Softwarepatenten ein
patentverletzender Programmtext.
Hiermit ist die Grenze vom industriellen zum universellen Patentwesen
überschritten. Andere Grenzen (wie etwa die zwischen Computerprogramm
und Geschäftsverfahren oder gar zwischen "technischem
Geschäftsverfahren" und "untechnischem Geschäftsverfahren") sauber
definieren zu wollen, wäre Traumtänzerei. Auch das EPA unternimmt erst
gar nicht diesen Versuch. Es patentiert schon heute Geschäftsmethoden
und hat auch schon die Forderung nach einem "zusätzlichen technischen
Effekt" für überholt erklärt. Das EPA behält sich ferner, wie oben
zitiert, die jederzeitige "Anpassung an technische Entwicklungen" vor.
Darunter dürfte in der Praxis z.B. zu verstehen sein, dass etwa
innovative musikalische Kompositionstechniken durch einen einfachen
Beschluss des EPA-Verwaltungsrats patentierbar werden könnten, sobald
genügend Anfragen beim EPA vorliegen und genügend Prüfer mit
musikwissenschaftlicher Ausbildung eingestellt wurden.
Informationsgüter und Patente bilden zusammen ein giftiges Gemisch,
dessen Wirkung in mehreren diesem Schreiben beigefügten
volkswirtschaftlichen Studien ausführlich beschrieben und analysiert
wurde (s. http://swpat.ffii.org/vreji/minra/siskude.html). Der
vorliegende Entgrenzungs-Vorstoß des EPA ist schon auf der
begrifflichen Ebene widersprüchlich und birgt für die Praxis einige
Risiken, die wir hier nur kurz aufzählen möchten:
1. einen weiteren Verlust an Gewaltenteilung, weitere Konzentration
von Regelungskompetenzen, Rechtsprechungsgewalten und
Zwangsmitteln in Kombination mit quasi-unternehmerischen
Eigeninteressen bei einer Behörde, die schon in der Vergangenheit
wenig Respekt für die Vorgaben des Gesetzgebers gezeigt und sich
als de facto unkontrollierbar erwiesen hat
2. "Patentierbarkeit ohne Grenzen" (patentierbar werden ab sofort
Informationsstrukturen, Geschäftsverfahren, Lern- und
Lehrmethoden, gesellschaftliche Organisationsmethoden, geistige
und mathematische Verfahren, Dienstleistungen, Banken, Handel,
Handwerk, Kunstschaffen, musikalischen Kompositionstechniken und
praktisch alles, wofür das Europäische Patentamt Fachprüfer
einzustellen bereit ist)
3. Aktivierung von über 10000 gesetzeswidrig angemeldeten
Softwarepatenten (zu über 75% außereuropäischer Herkunft), die
derzeit als Trojanische Pferde im europäischen Patentamt schlafen
und auf ihre Legalisierung durch die Diplomatische Konferenz
warten, bevor sie Europas Programmautoren zu Leibe rücken
4. tendenzielle Aufhebung des Urheberrechts, Enteignung von
Programmierern (Auch wer ganz eigenständig jahrelange harte
Programmierarbeit geleistet hat, kann ab sofort sein Werk nicht
mehr sein eigen nennen und ist stattdessen möglicherweise auf die
Gnade von Patentbesitzern angewiesen, die selber nie eine Zeile
Programmtext geschrieben haben. Ebenso wie eine zu starke
Besteuerung die Steuereinnahmen mindert kann, können zu rigide
Eigentumsrechte auf eine Enteignung der Leistungsträger
hinauslaufen.)
5. Einschränkung der Ausdrucksfreiheit, Umfunktionierung von Patenten
zum Zwecke politischer Herrschaft (Bereits heute verbietet
Microsoft die Verwendung seines patentierten Videoformates ASF, um
dadurch das von Filmherstellern begehrte Verbot der Privatkopie
auf außergesetzlichem Wege durchsetzen zukönnen.
Harvard-Verfassungsrechtler Professor Lawrence Lessig warnt in
diesem Zusammenhang vor "Software-Stalinismus". Programmtexte
wirken bisweilen wie inoffizielle Gesetzetexte der
Informationsgesellschaft. Schon heute erreichen die Großen der
Branche wie z.B. Microsoft ihre Wertschöpfung vor allem durch
Missbrauch der versteckten Gesetzesmacht von
Software-Schnittstellen. Diese Praxis wird durch E-Patente
gefördert und gefestigt.)
6. Privatisierung informationstechnischer Infrastrukturen zu Lasten
der allgemeinen Zugänglichkeit und öffentlichen Sicherheit,
Förderung der Geheimhaltung von Programmtexten, Erstickung der
wirtschaftspolitisch erwünschten Opensource-Kultur, Behinderung
der (in den Koalitionsvereinbarung vom 20.10.1998 zum Ziel
erklärten) "beschleunigten Nutzung und Verbreitung der
Informationstechniken in der Gesellschaft", Behinderung der
Heranbildung von IT-Nachwuchs, Verlangsamen des
informationstechnischen Fortschritts, Verletzung von Art. 95, 151,
157 des EG-Gründungsvertrages (Vertrag von Rom) und Art 81.1b des
EU-Gründungsvertrages (Vertrag von Amsterdam)
7. goldene Zeiten für professionelle Abmahner und Maximalausbeuter
von fragwürdigen Rechtstiteln, juristischer Bürgerkrieg,
außergerichtliche Schutzgeldzahlungen mit beiderseitig
gesichtswahrendem Geheimhaltungsabkommen, informelle wenn nicht
gar mafiöse Strukturen des kollektiven Selbstschutzes
8. hohe Mittlungskosten und Marktzutrittsbarrieren, welche die
politisch erwünschte Gründerkultur (Startups) gerade im
Softwarebereich unmöglich machen, Strangulierung einer
florierenden europäischen IT-Landschaft, Erzwingung
wertevernichtender Aufkäufe und Fusionen zugunsten weniger i.d.R.
amerikanischer Monopolisten, Abwürgen des derzeit bedeutendsten
Arbeits- und Wachstumsmotors
Der "Basisvorschlag" spricht von einem "breiten Konsens für die
Patentierbarkeit von Computerprogrammen", während sich mittlerweile
30000 Bürger, darunter 400 leitende Angestellte von IT-Unternehmen für
ein "softwarepatentfreies Europa" ausgesprochen haben. Über die
Webseiten der Eurolinux-Petition
http://petition.eurolinux.org/index.de.html können Sie auch unschwer
die Grundlagen unserer Argumentation finden. Eine Diskussion speziell
zum "Basisvorschlag" hat auch im Netz stattgefunden und ist unter
http://ffii.org/archive/mails/swpat//2000/Aug/0006.html einsehbar.
Kurz zusammengefasst: Wir fordern vorerst die unveränderte
Beibehaltung des Artikels 52. Sicherlich wäre es intellektuell
reizvoll, den Artikel umzuformulieren, um ihn an Art 27 TRIPS
anzunähern und gleichzeitig der Liste der Einschränkungen eine
systematische Interpretation zu geben. Diese Interpretation könnte
durch folgende Gedanken gekennzeichnet sein:
1. Der Begriff "technisch" wird im Sinne der klassischen
BGH-Definition erklärt: Anwendung beherrschbarer Naturkräfte ohne
zwischengeschaltete menschliche Tätigkeit. D.h. ein neuartiger
chemischer Prozess ist technisch, das Computerprogramm, welches
ihn viielleicht steuert, jedoch nicht. Eine neuartige
Naturkräfte-Anwendung ist patentierbar, aber die Veröffentlichung
eines Programms zu ihrer Steuerung stelt weder eine unmittelbare
noch eine mittelbare Patentverletzung dar[2].
2. Der Begriff "gewerblich" (engl. industrial, frz. industriel,
jap./chin. £ = produzierendes Gewerbe) wird ebenfalls präzisiert,
und zwar im Sinne des traditionellen Verständnisses von
"verarbeitende Industrie". Dieser Begriff ist mit dem klassischen
Technikbegriff fast identisch. Er fordert, dass es um
automatisierte Prozesse zur Fertigung materieller Güter unter
Einsatz von Naturkräften gehen muss.
Damit ist folgendem Szenario ein Riegel vorzuschieben, welches der
Software-Referent der Union der Europäischen Patentberater,
Patentanwalt Jürgen Betten, in einem Rundschreiben an seine
Mandanten ausmalt:
Durch die ... Entwicklung der Rechtsprechung ... hat sich das
Patentrecht von der traditionellen Beschränkung auf die
verarbeitende Industrie gelöst und ist heute auch für
Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Handel, Banken,
Versicherungen, Telekommunikation usw. von essentieller Bedeutung.
Ohne Aufbau eines entsprechenden Patentportfolios ist zu
befürchten, dass die deutschen Dienstleistungsunternehmen in diesen
Sektoren insbesondere gegenüber der US-amerikanischen Konkurrenz
ins Hintertreffen geraten.
Dies könnte bedeuteten, dass das Wort "gewerblich" in der
deutschen Fassung zu "industriell" geändert wird, ähnlich wie laut
"Basisvorschlag" in Art 23.1.1. das Wort "Funktion" in der
deutschen Fassung zu "Amt" geändert wird: "Die englische und
französische Fassung bleiben hiervon unberührt".
NB: Der Ausschluss therapeutischer und chirurgischer Verfahren
sollte ebenfalls in Art 52 verbleiben und nicht nach Art 53
transferiert werden, damit klar bleibt, dass diesem Ausschluss die
Forderung nach "industrieller Anwendbarkeit" zugrunde liegt und es
sich nicht um eine Ad-hoc-Regelung handelt.
3. Die klassische "Kerntheorie", die beim BGH bis vor kurzem[3] zur
Anwendung kam, wird bestätigt: der Kern der Erfindung muss im
technischen d.h. Naturkräfte einsetzenden Bereich liegen. Mithilfe
der Kerntheorie wird der Bereich der Erfindungen an den Bereich
der monopolisierbaren Gegenstände angeglichen: da informationelle
Gegenstände nicht beansprucht werden können, können auch Prozesse,
die sich im Einsatz einer neuartigen Informationsstruktur auf
einer herkömmlichen Rechenapparatur erschöpfen (=
Computerprogramme als solche) nicht als "Erfindungen" im Sinne des
Patentrechts gelten.
4. Für erfinderische Ideen, zu deren Umsetzung ein bloßes
Computerprogramm genügt, wäre es zumindest als Übergangslösung
denkbar, einen weichen Patentschutz zu gewähren: der Patentinhaber
dürfte dann den Einsatz des Computerprogramms außerhalb von
Universalrechnern (z.B. in MP3-Abspielgeräten, soweit diese nicht
für die kundenseitige Umprogrammierung ausgelegt sind)
monopolisieren. Auf diese Weise könnte der Patentinhaber noch
immer reich werden, solange er seine Technik zu schmerzarmen
Bedingungen lizenziert. Neuere ökonomische Studien zeigen, dass
"weiche Schutzrechte" dieser Art wirtschaftspolitisch erwünscht
sein können. Außerdem hätte die Einführung dieser Rechtekategorie
den Vorteil, dass die vom EPA gesetzeswidrig gewährten
Softwarepatente weitgehend ohne Verluste für die Eigentümer in den
Status "weicher Patente" überführt werden könnten.
Eine Umschreibung des Art 52 in diesem Sinne wäre jedoch ein
ehrgeiziges Projekt, welches diesen November kaum in angemessener
Weise durchzuführen sein dürfte. Deshalb schlagen wir vor, den Artikel
52 einfach unverändert beizubehalten und schrittweise auf eine
Interpretation im obigen Sinne hinzuarbeiten.
Obwohl Art. 52 in seiner bestehenden Form gemäß obiger Interpretation
vollkommen TRIPS-konform ist, gibt es gute Gründe, eine Revidierung
von TRIPS anzustreben. Z.B. kann die TRIPS-Vorschrift einer
Mindestlaufzeit von 20 Jahren für Patente "auf allen Gebieten der
Technik" nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ferner fehlen in
TRIPS Vorschriften bezüglich der Grenzen des Patentwesens. Gerade die
Patentierung von Geschäftsverfahren wirkt der Freiheit des Welthandels
entgegen, die ja das übergeordnete Ziel des TRIPS-Vertrages ist. Und
die Patentierung von Computerprogrammen untergräbt das Urheberrecht,
dessen Geltung für Computerprogramme in Art 10 TRIPS festgeschrieben
ist.
Die wirtschaftspolitischen Risiken der Softwarepatentierung sind
altbekannt, aber selbst Stellungnahmen von prominenter Seite haben in
den gesetzgebenden Kreisen des europäischen Patentwesens bisher nur
ein "Schweigen im Walde" ausgelöst.
Falls beim BMJ oder beim Verwaltungsrat inzwischen doch Interesse an
einer Auseinandersetzung mit den wirtschaftspolitischen Risiken der
Softwarepatentierung bestehen sollte, werden wir uns bemühen, unsere
Argumentation vor der nächsten Verwaltungsratssitzung (5.-8.
September) ausführlich auszuarbeiten. Vorläufig möchten wir uns damit
begnügen, aus einigen Stellungnahme prominenter Politiker zu zitieren:
* Ausschuss der Regionen der Europäischen Union
* Margareta Wolf, MdB, Wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen
Fraktion
* Jörg Tauss, MdB, Vorsitzender des Parlamentarischen
Unterausschusses für die Neuen Medien
* Jean-Yves Le Déaut, Abgeordneter der Moselregion in der
Französischen Nationalversammlung
Ausschuss der Regionen der Europäischen Union
STELLUNGNAHME des Ausschusses der Regionen zum Thema
"Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen angesichts der
Globalisierung - Wie man sie fördern kann" (KOM (1998) 718 Endfassung)
Der AdR hat diese Studie nach ausführlicher Prüfung im November 1999
als offizielles Standpunktpapier übernommen und veröffentlicht. Damit
trägt sie die Unterschrift von über 200 führenden europäischen
Regionalpolitikern, einschl. Stoiber, Teufel, Diepgen u.v.m.
Der Ausschuß der Regionen möchte die Aufmerksamkeit der Kommission
auf die Tatsache lenken, daß der Patentschutz nicht universal ist,
sowie auf die Gefahren der systematischen Patentierung des
geistigen Eigentums hinweisen. Diese Fragen betreffen hauptsächlich
die neuen Technologien und vor allem die Informationstechnologien
und die Biowissenschaften, die Gegenstand einer inhaltsreichen und
leidenschaftlichen Diskussion sind.
Im Fall der Software haben die seit den siebziger Jahren in den
großen, von dem Thema betroffenen Staaten geführten Diskussionen
alle zu dem Ergebnis geführt, daß das System der Urheberrechte
gelten soll, obwohl es den Besonderheiten des Bereichs nicht
umfassend gerecht wird. Die europäische Richtlinie vom 1. Januar
1993 zeigte insbesondere den goldenen Mittelweg zur Förderung der
"Interoperabilität" von Programmen, um wettbewerbsschädliche
Strategien mit dem Ziel einer marktbeherrschenden Stellung zu
konterkarieren. Seit mehreren Jahren ist die amerikanische
Rechtsprechung dazu übergegangen, die Ausstellung von Patenten für
"Softwareelemente" zu gewähren, was sie bis dahin abgelehnt hatte.
Und der Druck Amerikas auf Europa zur Gewährung der Patentfähigkeit
auf europäischer Ebene nimmt immer mehr zu.
Dabei sind die Risiken hier sehr hoch. Ein derartiges Vorgehen
bedroht die Innovationsdynamik in dieser Industrie, da sie zu einer
Isolierung der Kenntnisse und Verfahren führt, die jegliche
Kombination unterbindet. So finden sich unter der Vielzahl in den
Vereinigten Staaten angemeldeter und eingetragener Patenten
zahlreiche Verfahren oder sogar Algorithmen. Viele scheinen von den
Merkmalen Neuheit und Originalität, die eigentlich Voraussetzung
für die Ausstellung eines Patents sind, weit entfernt zu sein.
Sollte die Ausstellung von Patenten für Software zur festen
Einrichtung werden, so wäre das eine Waffe zur Stärkung der
Vormachtstellung der größten amerikanischen Marktführer in diesem
Bereich. Sie wäre eine direkte Bedrohung für die Masse der
innovatorischen KMU, sowohl in Europa als auch in den Vereinigten
Staaten und anderswo. Schließlich würde sie ein sehr großes
Handicap für die europäische Softwareindustrie darstellen, die
trotz des hier eingesetzten hochwertigen Fachwissens große
Schwierigkeiten hat, im Handel wettbewerbsfähig zu sein.
Margareta Wolf, MdB, Wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen Fraktion
Frau Wolf sagte am 14. Juni 2000 auf einer
IT-Unternehmensgründer-Tagung:
Gründer werden durch die Debatte über die mögliche Patentierbarkeit
von Software und Geschäftsideen auch in Europa verunsichert. Hier
muss schnell Klarheit geschaffen werden.
Computerprogramme "als solche" sind nach dem Europäischen
Patent-Übereinkommen (EPÜ) nicht patentierbar. In den USA dagegen
ist grundsätzlich alles menschengemachte patentierbar.
Bei Software-Entwicklern und in der Open-Source-Szene besteht
erhebliche Verunsicherung, weil befürchtet wird, dass über die
Novelle des EPÜ und eine angekündigte Richtlinie der Europäischen
Kommission in Europa amerikanische Verhältnisse eingeführt werden
sollen.
In den USA wird der Wettbewerb bereits erheblich auch durch die
Patentierung von Geschäftsideen behindert. Viel zitiertes Beispiel
ist das Patent von Amazon auf das one-click-Verfahren bei der
Bestellung von Gütern im Internet.
Allerdings ist bereits in den letzten Jahren in Europa Software
zunehmend als Bestandteil technischer Verfahren patentiert worden,
denn: Technische Verfahren, die Computerprogramme beinhalten, sind
patentierbar. Beispiel dafür ist eine computergesteuerte
Werkzeugmaschine, die insgesamt patentierbar ist. Es mangelt
derzeit an eingehenden ökonomischen Analysen, die die Wirkungen
einer möglichen Patentierung von Software beschreiben. Wir sehen
allerdings die Gefahr einer weiteren Verstärkung von Bürokratie mit
dem Effekt, dass dringend notwendige Innovationen behindert werden.
Die Ermöglichung der Patentierung von Software würde darüber hinaus
erhebliche technische und administrative Probleme schaffen: in der
Zeit, die Anmeldung eines Patentes derzeit benötigt (derzeit 2
Jahre), ist das Patent längst veraltet. Die Dokumentation der
Patente wäre extrem aufwendig. Kleine und mittlere Unternehmen
würden durch die Patentierung benachteiligt: Große Firmen, die über
die Ressourcen verfügen, die Patententwicklung zu verfolgen und
Patente anzumelden könnten auf diese Weise zusätzliche Erträge
erwirtschaften. Der Wettbewerb würde sich von der schnellen
Umsetzung von Innovationen auf juristische Streitereien verlagern
und der technische Fortschritt würde behindert werden. Das muss
verhindert werden!
Jörg Tauss, MdB, Vorsitzender des Parlamentarischen Unterausschusses für die
Neuen Medien
Der Virtuelle Ortsverein der SPD unterstützt die Eurolinux-Petition.
Sein Gründer Jörg Tauss gab am 8. August 2000 auf Anfrage des FFII
folgend vorläufige Grundsatzerklärung zum "Basisvorschlag" ab:
In technologiepolitischen Fachkreisen hört man immer wieder die
Behauptung, das Patentsystem müsse auf gewisse Bereiche der
Informationstechnik ausgeweitet werden, weil sonst deren
Investitionen nicht genügend geschützt würden. Diese Behauptung
wurde bisher allerdings immer nur als abstrakte Grundwahrheit
weitergegeben und niemals anhand von Tatsachen der deutschen oder
europäischen IT-Wirtschaft belegt.
Selbst wenn es gelänge, Bereiche der Informationstechnik zu finden,
in denen Patente nachweislich vorteilhaft wirken oder gewirkt
haben, müsste man noch immer untersuchen, ob eventuelle schädliche
Nebenwirkungen der Patentierung diese Vorteile nicht überwiegen.
Aber während bei der Legislative noch vollkommene Unklarheit
herrscht, schreitet die Judikative bereits zur Tat, gewährt
Tausende von Softwarepatenten und drängt auf Änderung der
Gesetzesregeln. Es ist daher höchste Zeit für uns als Gesetzgeber,
uns um diese Fragen zu kümmern.
Jean-Yves Le Déaut, Abgeordneter der Moselregion in der Französischen
Nationalversammlung
Le Déaut ist Mitinitiator des französischen Gesetzesentwurfes für ein
"Recht auf Kompatibilität" und die Durchsetzung von
Offenheitsstandards in der Öffentlichen Verwaltung. Er sieht die
Münchener und Brüsseler Patentpolitik als eine Gefahr für sein
Anliegen und sandte daher im Juli 2000 einen Offenen Brief an
zahlreiche zuständige Politiker in Frankreich, den wir hier
übersetzen:
Das Patentsystem hat sich in den letzten Jahren weit über den
Bereich seiner historischen, ökonomischen und moralischen
Existenzberechtigung hinaus ausgedehnt. Diese Ausdehnung ist das
Ergebnis von Gerichtsentscheidungen des Europäischen Patentamts
(EPA), die bisweilen im Gegensatz zum Geist der Gesetze stehen, wie
sie von den Gesetzgebern verabschiedet wurden, wobei die
Unterzeichnerstaaten des Münchener Übereinkommens meist nicht über
die nötigen Mittel verfügen, um die wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Entscheidungen zu
kontrollieren. Insbesondere glaube ich, dass das EPA, indem es
allen Ernstes behauptete, ein "Computerprogramm mit technischen
Wirkungen" sei kein "Computerprogramm als solches" und könne daher
zum Gegenstand von Patentansprüchen werden, eindeutig seine Macht
missbraucht hat. Das EPA hat eine Rechtsprechung entwickelt, die in
offensichtlichem Gegensatz zu dem internationalen Vertrag steht,
mit dessen Einhaltung es betraut wurde. Denn alle Computerprogramme
haben einen technischen Effekt, wie die Europäischen Patentberater
zu Recht anmahnten, die sich 1997 im EPA zu einem "Runden Tisch"
versammelten.
Diese unkontrollierte Ausweitung des Patentsystems in den Bereich
der Software hinein gefährdet in zunehmendem Maße die europäischen
IT-Unternehmen, die Autoren freier Software und die
Grundarchitektur der Informationsgesellschaft. Mehr als 10000
Softwarepatente wurden in den letzten 10 Jahren bei den nationalen
Patentämtern durch vom EPA inspirierte juristische Winkelzüge
angemeldet, während selbst die Anmeldungsanleitungen der
Patentämter noch immer klar sagen, dass Computerprogramme nicht
patentierbar sind. Mehr als 75% dieser Patente wurden von
außereuropäischen Unternehmen angemeldet. Nicht wenige dieser
Softwarepatente beziehen sich auf Verfahren des elektronischen
Geschäftsverkehrs sowie Organisations- und Lehrmethoden.
Juristische Standardwerke wie «Lamy Droit Informatique» weisen
allerdings darauf hin, dass diese Patente angesichts der
offensichtlichen Widersprüche zwischen dem geltenden Gesetz und der
Rechtsprechung des EPA keinerlei Wert haben außer demjenigen, den
die jeweiligen Gerichte ihnen zuzuerkennen bereit sind. Im Falle
eines Rechtsstreits besteht kein Verlass darauf, dass ein
nationaler Richter die Ansprüche dieser Patente anerkennen würde,
da sie sich offensichtlich auf Gegenstände beziehen, deren
Patentierung dem Geist des Gesetzes widerspricht. Daher warten die
Inhaber der Softwarepatente, der E-Geschäftsmethoden-Patente und
der Internet-Patente nur noch auf eines, bevor sie sich
entschließen, die französischen und europäischen Protagonisten der
Neuen Wirtschaft anzugreifen: die Revision des Münchener
Übereinkommens, die sich anschickt, den Ausschluss der
Computerprogramme von der Patentierbarkeit zu beseitigen.
Ich würde mich Ihnen verbunden fühlen, wenn Sie in den kommenden
Konsultationen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene alle
Ihnen zu Gebote stehenden Mittel einsetzen würden, um zu verlangen,
1. dass im November 2000 Art 52 des Münchener Übereinkommens nicht
geändert wird und somit das Trojanische Pferd nicht aktiviert
wird, das derzeit beim EPA schläft, wo zahlreiche missbräuchlich
an außereuropäische Unternehmen vergebene Internet-Patente von
einem Tag auf den anderen die Neue Wirtschaft Frankreichs und
Europas bedrohen können.
2. dass ein "Recht, seine eigenen Werke (einschließlich
Computerprogramme) zu verbreiten" und ein "Recht auf
Kompatibilität" (wie im Gesetzesvorschlag der Abgeordneten Le
Déaux, Paul, Cohen und Bloche (www.osslaw.org) ausgeführt)
gesetzlich verankert werden
3. dass die Begriffe "technisch", "gewerbliche Anwendung" und
"Programm als solches" derart geklärt werden, dass kein
Informationswerk und kein immaterielles Produkt (einschließlich of
Informationssystemen laufende Software) als unmittelbar oder
mittelbar patentverletzender Gegenstand in Betracht kommen kann.
4. dass materielle Produkte oder materielle Erweiterungen von
immateriellen Produkten (z.B. MP3-Abspielgeräte) patentiert werden
könnten, sofern die Kriterien der Neuheit, Technizität und
industriellen Anwendbarkeit dieses materiellen Produktes erfüllt
werden, und zwar unabhängig von den darin verwendeten
Softwareelementen betrachtet.
5. dass unverzüglich eine offene und demokratische Diskussion auf
Grundlage ausführlicher wissenschaftlicher Studien über die
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen des
Patentsystems auf die Informationsgesellschaft in Angriff genommen
wird.
6. dass eine frei verfügbare und über freie Software zugängliche
umfassende Patentdatenbank aufgebaut wird, um den KMU die Mittel
an die Hand zu geben, mit Patentgefahren in Europa und der Welt
besser fertig zu werden.
Da das Europäische Patentamt keinerlei Studie publiziert hat, um
die Ausweitung der Patentierbarkeit auf Computerprogramme zu
rechtfertigen, obwohl Wirtschaftswissenschaftler bewiesen haben,
dass das Patentsystem zu einer Minderung der Innovation in der
Softwareökonomie führen könnte, scheint es mir ferner an der Zeit,
eine Betriebsprüfung des Europäischen Patentamtes in Auftrag zu
geben, um nach Mitteln zu suchen, wie man die Entscheidungen dieser
Institution besser kontrollieren und in Einklang mit dem
Allgemeininteresse und den Grundprinzipien einer unparteiischen
Rechtsprechung bringen kann.
Wir glauben, dass diese Stimmen ebenso wie die Stimmen von ca 30000
Unterzeichnern der Eurolinux-Petition mehr Gewicht haben sollten als
der Wunsch einiger Patentfachleute, am Wohlstand der Neuen Wirtschaft
zu partizipieren.
Wir bitten um
* Akkreditierung des FFII e.V. und der Eurolinux-Allianz als
Teilnehmer der diplomatischen Konferenz im November
* unsere frühestmögliche Einbeziehung in die kommenden
Konsultationen, Rederecht für einen Vertreter der
Eurolinux-Allianz
* eine baldige Stellungnahme des BMJ zu den Vorschlägen in diesem
Brief, einschließlich den Forderungen der zitierten Politiker
Wir wären Ihnen als Bürger unendlich verbunden, wenn Sie sich bei den
kommenden Konsultationen bereit fänden, der Patentlobby zu widerstehen
und das Gemeinwohl zu verteidigen.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Pilch
Bernhard Reiter
Holger Blasum
Prof. Dr. Clemens Cap (Lehrstuhl Informations- und
Kommunikationswissenschaften der Univ. Rostock)
Arnim Rupp
Andreas Kleinert
Xuan Baldauf
Daniel Rödding
Jörg Freudenberger
Markus Fleck
Werner Lemberg
Ralf Schwöbel
Matthias Schlegel
Jens Enders
Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur
Intradat AG
Phaidros AG
MDLink GmbH
Intevation GmbH
Europaklub e.V.
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Anmerkungen
[1] Union Europäischer Berater für den Gewerblichen Rechtsschutz
[2] vgl. BGH-Urteil "Antiblockiersystem" von 1980
[3] vgl. BGH-Urteil "Chinesische Schriftzeichen" 1992
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