[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Pruefung fuer FITUG



Der Verwaltungsrat des Europaeischen Patentamtes wird am 5.-8. September
in Muenchen eine Sitzung abhalten, auf der unsere Regierung dafuer sorgen
koennte, dass Art. 52 EPUe diesmal nicht geaendert wird.

Nach der letzten Presseerklaerung zur "grenzenlosen Patentierbarkeit"

	http://swpat.ffii.org/news/epue28/

gab es einigen oeffentlichen Aufruhr -- zahlreiche Telefonate gingen bei
BMJ und EPA ein. Das duerfte mit dafuer gesorgt haben, dass die
Ausschlussliste in Art 52.2 nun in eckigen Klammern auf Abruf erhalten
bleibt. Die entscheidende Grenze, die von der Materie zur Information,
wird jedoch ueberschritten.  Computerprogramme werden aufgrund eines
"breiten Konsenses" von EPA bis BMJ uvm patentierbar.  Und
Geschaeftsmethodenpatente werden laengst gewaehrt.

Das laesst sich bis 5. September noch verhindern.  Wir brauchen einen
echten breiten Konsens gegen die Aenderung des Art. 52, der jetzt wirklich
kraftvoll vorgetragen wird.

Alle Hoffnungen, nach Ueberschreitung der entscheidenden Grenze auf
prozeduraler Ebene etwas reparieren zu wollen, sind Taeuschungen. Darauf
habe ich AHH und Lutz Donnerhacke auf debate@fitug.de bereits in einer
sorgfaeltigen Widerlegung ihrer Argumentation hingewiesen, aber sie zogen
es vor, zu schweigen.  Warum?

Ich bitte um Durchlesen des folgenden Schreibens an das BMJ und eventuelle
Beteiligung, sei es als Privatperson, Firma oder FITUG e.V. Korrekturen
oder Neuentwuerfe seitens FITUG sind mir auch recht.  Ein Schweigen in
dieser Situation koennte ich allerdings nicht mehr verstehen.

Viele Gruesse

---
     _________________________________________________________________
   
   DE-10969 Berlin
   Neuenburger Straße 15
   Bundesministerium der Justiz
   Referat Patentrecht
   Herrn Dr. Dietrich Welp

   Sehr geehrter Herr Dr. Welp!
   
   Vielen Dank für Ihre Hinweise und für die Übersendung des
   EPO-Dokuments CA/PL 25/00 "Basisvorschlag für die Revision des
   Europäischen Patentübereinkommens" vom 27. Juni 2000.
   
   Wir beobachten schon seit einiger Zeit großer Sorge die Bestrebungen
   der Europäischen Patentjudikative, immer mehr Funktionen der
   Legislative zu übernehmen, um den Patentinhabern immer schärfere
   Waffen in die Hand zu geben, die weit über die legitimen Ziele des
   Patentwesens hinausschießen und eine Bedrohung für Innovation,
   Wettbewerb und Wachstum der Informationstechniken sowie für
   grundlegende Bürgerrechte der Informationsgesellschaft darstellen.
   
   Der neueste Vorstoß der Europäischen Patentorganisation stellt einen
   vorläufigen Höhepunkt dieser Bestrebungen dar. Es wird u.a.
   vorgeschlagen, die gesamte Liste der Patentierungsbeschränkungen in
   Art 52 EPÜ zu streichen und stattdessen zu fordern, dass die zu
   patentierenden Gegenstände "technisch" sein müssten, wobei die
   Definition der "Technizität" bewusst "dynamisch" gehalten, d.h. dem
   EPA anheimgestellt wird. Während die BGH-Rechtsprechung bis vor kurzem
   "Technik" konsequent als "automatisierte Problemlösung unter Einsatz
   von Naturkräften" einschränkte, dient die der Technikbegriff im
   EPA-"Basisvorschlag" umgekehrt dazu, alle denkbaren Beschränkungen des
   Patentwesens von vorneherein aufzuheben.
   
   Das EPA definiert in seinem "Basis-Vorschlag" wie auch sonst den
   "technischen Charakter" zirkulär: "an den Fachmann gerichte Anweisung,
   eine bestimmte technische Aufgabe mit bestimmten technischen Mittel zu
   lösen". Die "Technizität" ist nach EPA-Verständnis das "grundlegende
   Erfordernis der Patentierbarkeit", und sie leitet sich aus der
   Forderung nach "erfinderischer Tätigkeit" her. M.a.W. "Technizität"
   bedeutet nicht mehr als die mit jedem Patentantrag ohnehin implizierte
   und kaum widerlegbare Grundannahme der kommerziell/gewerblichen
   Anwendbarkeit und der Existenz einer Gemeinde von interessierten
   Fachleuten. Somit kommt der EPA-Forderung nach "Technizität" bereits
   heute keinerlei einschränkender Charakter mehr zu. Im Gegenteil, die
   "Basisvorschlag"-Formulierung "Erfindungen auf allen Gebieten der
   Technik" bezweckt laut EPA-"Erläuterungen", "augenfällig auszudrücken,
   dass der Patentschutz grundsätzlich technischen Erfindungen aller Art
   offensteht". Der Universalitätsanspruch des Patentwesens soll
   gesetzlich festgeschrieben werden.
   
   Scheinbar relativierende "Erläuterungen" wie "Andererseits gibt es
   eine lange europäische Rechtstradition, wonach der Patentschutz
   Schöpfungen auf dem Gebiet der Technik vorbehalten ist" können nicht
   darüber hinwegtäuschen, dass der "Basisvorschlag" in Wirklichkeit auf
   die restlose Aufhebung ebenjener Rechtstradition zugunsten
   amerikanischer Verhältnisse hinausläuft.
   
   Die europäische Rechtstradition nach Art 52 EPÜ hat bewusst auf einen
   Universalitätsanspruch für das Patentwesen verzichtet. Sie beruht auf
   einer geschickten Trennung zwischen Materie und Information. Ein
   wertvolles Informationsgut wird mit der Patentschrift veröffentlicht,
   und im Gegenzug wird die Kontrolle über eine Klasse wertvoller
   materieller Güter befristet privatisiert. Diese Trennung kam in den
   klassischen Definitionen von Begriffen wie "Technizität" und
   "industrielle Anwendbarkeit" ebenso wie in der Einschränkungsliste des
   Art 52(2) zum Ausdruck.
   
   Zwischen Materie und Information, Hardware und Software verläuft eine
   fundamentale Grenze mit starken wirtschaftlichen Auswirkungen.
   Materielle Güter sind ortsgebunden und ihre Serienfertigung erfordert
   industriellen Aufwand; informationelle Güter hingegen sind von ihrem
   Träger unabhängig und lassen sich tendenziell kostenlos
   vervielfältigen. Materielle Güter sind zeitgebunden und lassen sich
   nach einmaligem Konsum erneut in identischer Form verkaufen;
   informationelle Güter hingegen sind unkonsumierbar und gewinnen nur
   aus Innovation (immer neue Versionen) einen wirtschaftlichen Wert.
   Materielle Güter sind Geldwerte, informationelle Güter sind
   Machtfaktoren. Materielle Güter erreichen ihren Geldwert durch
   weitestgehende Verteilung, informationelle Güter entfalten ihre
   Machtwert durch weitestgehenden Ausschluss (Geheimhaltung,
   Monopolisierung). Materielle Güter verlangen nach privaten Besitzern,
   informationelle Güter hingegen gehen über kurz oder lang ins
   Gemeineigentum über, wo sie ihren volkswirtschaftlichen Wert oft erst
   richtig entfalten können. Materielle Güter gehören meist auf
   unbefristete Zeit einem naturrechtlichen Eigentümer; für
   informationelle Güter gibt es hingegen befristete Ausschlussrechte,
   die der Staat aus wirtschaftspolitischen Erwägungen gewährt. Das
   Patentrecht erlaubt die befristete Monopolisierung bestimmter Klassen
   materieller Güter; für informationelle Güter hingegen gelten das
   Urheberrecht und die Ausdrucksfreiheit.
   
   In den Erläuterungen zum "Basisvorschlag" wird eine Überschreitung der
   Grenze zur Information ausdrücklich gefordert: 
   
     Des weiteren wird vorgeschlagen, Artikel 52 (2) und (3) EPÜ zu
     streichen und in die Ausführungsordnung zu überführen, mit der
     Vorgabe, Computerprogramme aus dem Ausnahmenkatalog in Artikel
     52(2) EPÜ herauszunehmen. ... Die vorgeschlagene Überführung in die
     Regeln würde es .. erleichtern, diese Vorschriften bei Bedarf an
     rechtliche, wirtschaftliche oder technische Entwicklungen
     anzupassen.
     
     Inzwischen scheint sich ein breiter Konsens herauszubilden, dass
     Computerprogramme aus der Liste der nicht patentierbaren
     Erfindungen nach Artikel 52 (2) EPÜ gestrichen werden sollten. Das
     EPA und seine Beschwerdekammern haben das EPÜ stets so ausgelegt
     und angewendet, dass diese Ausnahmevorschrift einen angemessenen
     Schutz für softwarebezogene Erfindungen, also Erfindungen, die ein
     Computerprogramm zum Gegenstand haben oder einschließen, in keiner
     Weise verhindert. In jüngeren Entscheidungen der Beschwerdekammern
     (s. T 1173/97 - Computerprogrammprodukt/IBM, ABI. EPA 1999, 609)
     wurde in der Tat bestätigt, dass in der Regel Computerprogramme
     nach dem EPÜ patentierbare Gegenstände sind. Die geltende
     Ausnahmevorschrift für Computerprogramme ist damit de facto
     überholt.
     
   Auch diese Formulierungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass
   das EPA nach der Verabschiedung des EPÜ 1973 bis weit in die 80er
   Jahren die Vorgaben des Gesetzgebers streng befolgte und die
   Patentierung von Erfindungen ablehnte, die "ein Computerprogramm zum
   Gegenstand" hatten, d.h. bei denen die Veröffentlichung eines
   Computerprogramms genügen könnte, um das Patent zu verletzen. Seit
   1986 wurde das leidige "Software-Patentierverbot" jedoch Schritt für
   Schritt aus wirtschafspolitischen Erwägungen heraus ausgehebelt.
   Damals beschloss das EPA, dass "ein Computerprogramm mit einem
   zusätzlichen technischen Effekt" nicht ein "Computerprogramm als
   solches" sei und entwickelte dann eine Rechtsprechung, die kaum mehr
   jemand verstand. Hierzu schreibt der Software-Referent der Union der
   Europäischen Berater für den Gewerblichen Rechtschutz, PA Jürgen
   Betten: 
   
     Der Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" vom
     Patentschutz in Art. 52 EPÜ (§1 PatG) wird seit langem als
     rechtspolitische Fehlentscheidung angesehen, zumal der Ausschluss
     von breiten Verkehrskreisen - bis heute - missverstanden und meist
     als Ausschluss von Computerprogrammen allgemein verstanden wird.
     
     ...
     
     Weiteren Auftrieb erhielt die europäische Diskussion durch die
     Resolution der AIPPI zur Frage Q133 vom 22.4.1997 in Wien, die in
     dem Satz zusammengefaßt werden kann: "Alle auf einem Computer
     ablauffähigen Programme sind technischer Natur und daher
     patentfähig, wenn sie neu und erfinderisch sind", sowie den Round
     Table der UNION[1] am 9./10.12.1997, als im Europäischen Patentamt
     100 Fachleute aus zwanzig europäischen Ländern über die Zukunft des
     Patentschutzes von Software in Europa diskutierten und zu einem
     ähnlichen Eindruck kamen wie die AIPPI. Zudem wurde darauf
     hingewiesen, dass das Konzept des EPA zum "technichen Charakter"
     weder von den Patentanmeldern noch von den nationalen Patentämtern
     richtig verstanden würde. Viele Teilnehmer machten klar, dass
     eigentlich alle Computerprogramme dem Wesen nach "technischen
     Charakter" aufweisen würden. Seit dieser Zeit wird praktisch "auf
     allen Kanälen" daran gearbeitet, einen Weg zu finden, wie der
     irreführende Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" aus
     dem europäischen Patentgesetz entfernt werden kann, wobei
     konsequenterweise auch die anderen Ausnahmeregeleungen in Art. 52
     Abs. 2 EPÜ (§1 PatG) zur Disposition stehen. ...
     
     Daneben bemüht sich die Rechtsprechung ..., die derzeitige
     Gesetzesregelung so eng auszulegen, dass praktisch alle
     Computerprogramme - bei entsprechender Anspruchsformulierung -
     technischen Charakter besitzen und patentfähig sind, wenn sie neu
     und erfinderisch sind.
     
   Diese "rechtspolitisch" motivierten "Bemühungen der Rechtssprechung"
   führten zu den vom EPA-Basisvorschlag zitierten
   Beschwerdekammer-Urteilen von 1999 zum Thema
   "Computerprogrammprodukt/IBM" und "Computerprogramm/IBM".
   
   Patentiert werden nunmehr, anders als in der europäischen
   Rechtstradition des industriellen Patentwesens, nicht mehr nur
   bestimmte Klassen materieller "Produkte und Prozesse", sondern die zur
   Beschreibung solcher Produkte und Prozesse dienende Information
   selber. Genau genommen kann demnach schon derjenige ein Patent
   verletzen, der eine Patentschrift kopiert. Denn in einer Patentschrift
   sollte ein Ausführungsbeispiel enthalten sein, welches "den
   durchschnittlichen Fachmann zur vollständigen Nachvollziehung der
   Erfindung befähigt", d.h. im Idealfall bei Softwarepatenten ein
   patentverletzender Programmtext.
   
   Hiermit ist die Grenze vom industriellen zum universellen Patentwesen
   überschritten. Andere Grenzen (wie etwa die zwischen Computerprogramm
   und Geschäftsverfahren oder gar zwischen "technischem
   Geschäftsverfahren" und "untechnischem Geschäftsverfahren") sauber
   definieren zu wollen, wäre Traumtänzerei. Auch das EPA unternimmt erst
   gar nicht diesen Versuch. Es patentiert schon heute Geschäftsmethoden
   und hat auch schon die Forderung nach einem "zusätzlichen technischen
   Effekt" für überholt erklärt. Das EPA behält sich ferner, wie oben
   zitiert, die jederzeitige "Anpassung an technische Entwicklungen" vor.
   Darunter dürfte in der Praxis z.B. zu verstehen sein, dass etwa
   innovative musikalische Kompositionstechniken durch einen einfachen
   Beschluss des EPA-Verwaltungsrats patentierbar werden könnten, sobald
   genügend Anfragen beim EPA vorliegen und genügend Prüfer mit
   musikwissenschaftlicher Ausbildung eingestellt wurden.
   
   Informationsgüter und Patente bilden zusammen ein giftiges Gemisch,
   dessen Wirkung in mehreren diesem Schreiben beigefügten
   volkswirtschaftlichen Studien ausführlich beschrieben und analysiert
   wurde (s. http://swpat.ffii.org/vreji/minra/siskude.html). Der
   vorliegende Entgrenzungs-Vorstoß des EPA ist schon auf der
   begrifflichen Ebene widersprüchlich und birgt für die Praxis einige
   Risiken, die wir hier nur kurz aufzählen möchten:
   
    1. einen weiteren Verlust an Gewaltenteilung, weitere Konzentration
       von Regelungskompetenzen, Rechtsprechungsgewalten und
       Zwangsmitteln in Kombination mit quasi-unternehmerischen
       Eigeninteressen bei einer Behörde, die schon in der Vergangenheit
       wenig Respekt für die Vorgaben des Gesetzgebers gezeigt und sich
       als de facto unkontrollierbar erwiesen hat
    2. "Patentierbarkeit ohne Grenzen" (patentierbar werden ab sofort
       Informationsstrukturen, Geschäftsverfahren, Lern- und
       Lehrmethoden, gesellschaftliche Organisationsmethoden, geistige
       und mathematische Verfahren, Dienstleistungen, Banken, Handel,
       Handwerk, Kunstschaffen, musikalischen Kompositionstechniken und
       praktisch alles, wofür das Europäische Patentamt Fachprüfer
       einzustellen bereit ist)
    3. Aktivierung von über 10000 gesetzeswidrig angemeldeten
       Softwarepatenten (zu über 75% außereuropäischer Herkunft), die
       derzeit als Trojanische Pferde im europäischen Patentamt schlafen
       und auf ihre Legalisierung durch die Diplomatische Konferenz
       warten, bevor sie Europas Programmautoren zu Leibe rücken
    4. tendenzielle Aufhebung des Urheberrechts, Enteignung von
       Programmierern (Auch wer ganz eigenständig jahrelange harte
       Programmierarbeit geleistet hat, kann ab sofort sein Werk nicht
       mehr sein eigen nennen und ist stattdessen möglicherweise auf die
       Gnade von Patentbesitzern angewiesen, die selber nie eine Zeile
       Programmtext geschrieben haben. Ebenso wie eine zu starke
       Besteuerung die Steuereinnahmen mindert kann, können zu rigide
       Eigentumsrechte auf eine Enteignung der Leistungsträger
       hinauslaufen.)
    5. Einschränkung der Ausdrucksfreiheit, Umfunktionierung von Patenten
       zum Zwecke politischer Herrschaft (Bereits heute verbietet
       Microsoft die Verwendung seines patentierten Videoformates ASF, um
       dadurch das von Filmherstellern begehrte Verbot der Privatkopie
       auf außergesetzlichem Wege durchsetzen zukönnen.
       Harvard-Verfassungsrechtler Professor Lawrence Lessig warnt in
       diesem Zusammenhang vor "Software-Stalinismus". Programmtexte
       wirken bisweilen wie inoffizielle Gesetzetexte der
       Informationsgesellschaft. Schon heute erreichen die Großen der
       Branche wie z.B. Microsoft ihre Wertschöpfung vor allem durch
       Missbrauch der versteckten Gesetzesmacht von
       Software-Schnittstellen. Diese Praxis wird durch E-Patente
       gefördert und gefestigt.)
    6. Privatisierung informationstechnischer Infrastrukturen zu Lasten
       der allgemeinen Zugänglichkeit und öffentlichen Sicherheit,
       Förderung der Geheimhaltung von Programmtexten, Erstickung der
       wirtschaftspolitisch erwünschten Opensource-Kultur, Behinderung
       der (in den Koalitionsvereinbarung vom 20.10.1998 zum Ziel
       erklärten) "beschleunigten Nutzung und Verbreitung der
       Informationstechniken in der Gesellschaft", Behinderung der
       Heranbildung von IT-Nachwuchs, Verlangsamen des
       informationstechnischen Fortschritts, Verletzung von Art. 95, 151,
       157 des EG-Gründungsvertrages (Vertrag von Rom) und Art 81.1b des
       EU-Gründungsvertrages (Vertrag von Amsterdam)
    7. goldene Zeiten für professionelle Abmahner und Maximalausbeuter
       von fragwürdigen Rechtstiteln, juristischer Bürgerkrieg,
       außergerichtliche Schutzgeldzahlungen mit beiderseitig
       gesichtswahrendem Geheimhaltungsabkommen, informelle wenn nicht
       gar mafiöse Strukturen des kollektiven Selbstschutzes
    8. hohe Mittlungskosten und Marktzutrittsbarrieren, welche die
       politisch erwünschte Gründerkultur (Startups) gerade im
       Softwarebereich unmöglich machen, Strangulierung einer
       florierenden europäischen IT-Landschaft, Erzwingung
       wertevernichtender Aufkäufe und Fusionen zugunsten weniger i.d.R.
       amerikanischer Monopolisten, Abwürgen des derzeit bedeutendsten
       Arbeits- und Wachstumsmotors
       
   Der "Basisvorschlag" spricht von einem "breiten Konsens für die
   Patentierbarkeit von Computerprogrammen", während sich mittlerweile
   30000 Bürger, darunter 400 leitende Angestellte von IT-Unternehmen für
   ein "softwarepatentfreies Europa" ausgesprochen haben. Über die
   Webseiten der Eurolinux-Petition
   http://petition.eurolinux.org/index.de.html können Sie auch unschwer
   die Grundlagen unserer Argumentation finden. Eine Diskussion speziell
   zum "Basisvorschlag" hat auch im Netz stattgefunden und ist unter
   http://ffii.org/archive/mails/swpat//2000/Aug/0006.html einsehbar.
   
   Kurz zusammengefasst: Wir fordern vorerst die unveränderte
   Beibehaltung des Artikels 52. Sicherlich wäre es intellektuell
   reizvoll, den Artikel umzuformulieren, um ihn an Art 27 TRIPS
   anzunähern und gleichzeitig der Liste der Einschränkungen eine
   systematische Interpretation zu geben. Diese Interpretation könnte
   durch folgende Gedanken gekennzeichnet sein:
   
    1. Der Begriff "technisch" wird im Sinne der klassischen
       BGH-Definition erklärt: Anwendung beherrschbarer Naturkräfte ohne
       zwischengeschaltete menschliche Tätigkeit. D.h. ein neuartiger
       chemischer Prozess ist technisch, das Computerprogramm, welches
       ihn viielleicht steuert, jedoch nicht. Eine neuartige
       Naturkräfte-Anwendung ist patentierbar, aber die Veröffentlichung
       eines Programms zu ihrer Steuerung stelt weder eine unmittelbare
       noch eine mittelbare Patentverletzung dar[2].
    2. Der Begriff "gewerblich" (engl. industrial, frz. industriel,
       jap./chin. £­ = produzierendes Gewerbe) wird ebenfalls präzisiert,
       und zwar im Sinne des traditionellen Verständnisses von
       "verarbeitende Industrie". Dieser Begriff ist mit dem klassischen
       Technikbegriff fast identisch. Er fordert, dass es um
       automatisierte Prozesse zur Fertigung materieller Güter unter
       Einsatz von Naturkräften gehen muss.
       Damit ist folgendem Szenario ein Riegel vorzuschieben, welches der
       Software-Referent der Union der Europäischen Patentberater,
       Patentanwalt Jürgen Betten, in einem Rundschreiben an seine
       Mandanten ausmalt: 
       
     Durch die ... Entwicklung der Rechtsprechung ... hat sich das
     Patentrecht von der traditionellen Beschränkung auf die
     verarbeitende Industrie gelöst und ist heute auch für
     Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Handel, Banken,
     Versicherungen, Telekommunikation usw. von essentieller Bedeutung.
     Ohne Aufbau eines entsprechenden Patentportfolios ist zu
     befürchten, dass die deutschen Dienstleistungsunternehmen in diesen
     Sektoren insbesondere gegenüber der US-amerikanischen Konkurrenz
     ins Hintertreffen geraten.
       Dies könnte bedeuteten, dass das Wort "gewerblich" in der
       deutschen Fassung zu "industriell" geändert wird, ähnlich wie laut
       "Basisvorschlag" in Art 23.1.1. das Wort "Funktion" in der
       deutschen Fassung zu "Amt" geändert wird: "Die englische und
       französische Fassung bleiben hiervon unberührt".
       NB: Der Ausschluss therapeutischer und chirurgischer Verfahren
       sollte ebenfalls in Art 52 verbleiben und nicht nach Art 53
       transferiert werden, damit klar bleibt, dass diesem Ausschluss die
       Forderung nach "industrieller Anwendbarkeit" zugrunde liegt und es
       sich nicht um eine Ad-hoc-Regelung handelt.
    3. Die klassische "Kerntheorie", die beim BGH bis vor kurzem[3] zur
       Anwendung kam, wird bestätigt: der Kern der Erfindung muss im
       technischen d.h. Naturkräfte einsetzenden Bereich liegen. Mithilfe
       der Kerntheorie wird der Bereich der Erfindungen an den Bereich
       der monopolisierbaren Gegenstände angeglichen: da informationelle
       Gegenstände nicht beansprucht werden können, können auch Prozesse,
       die sich im Einsatz einer neuartigen Informationsstruktur auf
       einer herkömmlichen Rechenapparatur erschöpfen (=
       Computerprogramme als solche) nicht als "Erfindungen" im Sinne des
       Patentrechts gelten.
    4. Für erfinderische Ideen, zu deren Umsetzung ein bloßes
       Computerprogramm genügt, wäre es zumindest als Übergangslösung
       denkbar, einen weichen Patentschutz zu gewähren: der Patentinhaber
       dürfte dann den Einsatz des Computerprogramms außerhalb von
       Universalrechnern (z.B. in MP3-Abspielgeräten, soweit diese nicht
       für die kundenseitige Umprogrammierung ausgelegt sind)
       monopolisieren. Auf diese Weise könnte der Patentinhaber noch
       immer reich werden, solange er seine Technik zu schmerzarmen
       Bedingungen lizenziert. Neuere ökonomische Studien zeigen, dass
       "weiche Schutzrechte" dieser Art wirtschaftspolitisch erwünscht
       sein können. Außerdem hätte die Einführung dieser Rechtekategorie
       den Vorteil, dass die vom EPA gesetzeswidrig gewährten
       Softwarepatente weitgehend ohne Verluste für die Eigentümer in den
       Status "weicher Patente" überführt werden könnten.
       
   Eine Umschreibung des Art 52 in diesem Sinne wäre jedoch ein
   ehrgeiziges Projekt, welches diesen November kaum in angemessener
   Weise durchzuführen sein dürfte. Deshalb schlagen wir vor, den Artikel
   52 einfach unverändert beizubehalten und schrittweise auf eine
   Interpretation im obigen Sinne hinzuarbeiten.
   
   Obwohl Art. 52 in seiner bestehenden Form gemäß obiger Interpretation
   vollkommen TRIPS-konform ist, gibt es gute Gründe, eine Revidierung
   von TRIPS anzustreben. Z.B. kann die TRIPS-Vorschrift einer
   Mindestlaufzeit von 20 Jahren für Patente "auf allen Gebieten der
   Technik" nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ferner fehlen in
   TRIPS Vorschriften bezüglich der Grenzen des Patentwesens. Gerade die
   Patentierung von Geschäftsverfahren wirkt der Freiheit des Welthandels
   entgegen, die ja das übergeordnete Ziel des TRIPS-Vertrages ist. Und
   die Patentierung von Computerprogrammen untergräbt das Urheberrecht,
   dessen Geltung für Computerprogramme in Art 10 TRIPS festgeschrieben
   ist.
   
   Die wirtschaftspolitischen Risiken der Softwarepatentierung sind
   altbekannt, aber selbst Stellungnahmen von prominenter Seite haben in
   den gesetzgebenden Kreisen des europäischen Patentwesens bisher nur
   ein "Schweigen im Walde" ausgelöst.
   
   Falls beim BMJ oder beim Verwaltungsrat inzwischen doch Interesse an
   einer Auseinandersetzung mit den wirtschaftspolitischen Risiken der
   Softwarepatentierung bestehen sollte, werden wir uns bemühen, unsere
   Argumentation vor der nächsten Verwaltungsratssitzung (5.-8.
   September) ausführlich auszuarbeiten. Vorläufig möchten wir uns damit
   begnügen, aus einigen Stellungnahme prominenter Politiker zu zitieren:
   
     * Ausschuss der Regionen der Europäischen Union
     * Margareta Wolf, MdB, Wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen
       Fraktion
     * Jörg Tauss, MdB, Vorsitzender des Parlamentarischen
       Unterausschusses für die Neuen Medien
     * Jean-Yves Le Déaut, Abgeordneter der Moselregion in der
       Französischen Nationalversammlung
       
Ausschuss der Regionen der Europäischen Union

   STELLUNGNAHME des Ausschusses der Regionen zum Thema
   "Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen angesichts der
   Globalisierung - Wie man sie fördern kann" (KOM (1998) 718 Endfassung)
   
   Der AdR hat diese Studie nach ausführlicher Prüfung im November 1999
   als offizielles Standpunktpapier übernommen und veröffentlicht. Damit
   trägt sie die Unterschrift von über 200 führenden europäischen
   Regionalpolitikern, einschl. Stoiber, Teufel, Diepgen u.v.m.
   
     Der Ausschuß der Regionen möchte die Aufmerksamkeit der Kommission
     auf die Tatsache lenken, daß der Patentschutz nicht universal ist,
     sowie auf die Gefahren der systematischen Patentierung des
     geistigen Eigentums hinweisen. Diese Fragen betreffen hauptsächlich
     die neuen Technologien und vor allem die Informationstechnologien
     und die Biowissenschaften, die Gegenstand einer inhaltsreichen und
     leidenschaftlichen Diskussion sind.
     
     Im Fall der Software haben die seit den siebziger Jahren in den
     großen, von dem Thema betroffenen Staaten geführten Diskussionen
     alle zu dem Ergebnis geführt, daß das System der Urheberrechte
     gelten soll, obwohl es den Besonderheiten des Bereichs nicht
     umfassend gerecht wird. Die europäische Richtlinie vom 1. Januar
     1993 zeigte insbesondere den goldenen Mittelweg zur Förderung der
     "Interoperabilität" von Programmen, um wettbewerbsschädliche
     Strategien mit dem Ziel einer marktbeherrschenden Stellung zu
     konterkarieren. Seit mehreren Jahren ist die amerikanische
     Rechtsprechung dazu übergegangen, die Ausstellung von Patenten für
     "Softwareelemente" zu gewähren, was sie bis dahin abgelehnt hatte.
     Und der Druck Amerikas auf Europa zur Gewährung der Patentfähigkeit
     auf europäischer Ebene nimmt immer mehr zu.
     
     Dabei sind die Risiken hier sehr hoch. Ein derartiges Vorgehen
     bedroht die Innovationsdynamik in dieser Industrie, da sie zu einer
     Isolierung der Kenntnisse und Verfahren führt, die jegliche
     Kombination unterbindet. So finden sich unter der Vielzahl in den
     Vereinigten Staaten angemeldeter und eingetragener Patenten
     zahlreiche Verfahren oder sogar Algorithmen. Viele scheinen von den
     Merkmalen Neuheit und Originalität, die eigentlich Voraussetzung
     für die Ausstellung eines Patents sind, weit entfernt zu sein.
     
     Sollte die Ausstellung von Patenten für Software zur festen
     Einrichtung werden, so wäre das eine Waffe zur Stärkung der
     Vormachtstellung der größten amerikanischen Marktführer in diesem
     Bereich. Sie wäre eine direkte Bedrohung für die Masse der
     innovatorischen KMU, sowohl in Europa als auch in den Vereinigten
     Staaten und anderswo. Schließlich würde sie ein sehr großes
     Handicap für die europäische Softwareindustrie darstellen, die
     trotz des hier eingesetzten hochwertigen Fachwissens große
     Schwierigkeiten hat, im Handel wettbewerbsfähig zu sein.
     
Margareta Wolf, MdB, Wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen Fraktion

   Frau Wolf sagte am 14. Juni 2000 auf einer
   IT-Unternehmensgründer-Tagung:
   
     Gründer werden durch die Debatte über die mögliche Patentierbarkeit
     von Software und Geschäftsideen auch in Europa verunsichert. Hier
     muss schnell Klarheit geschaffen werden.
     
     Computerprogramme "als solche" sind nach dem Europäischen
     Patent-Übereinkommen (EPÜ) nicht patentierbar. In den USA dagegen
     ist grundsätzlich alles menschengemachte patentierbar.
     
     Bei Software-Entwicklern und in der Open-Source-Szene besteht
     erhebliche Verunsicherung, weil befürchtet wird, dass über die
     Novelle des EPÜ und eine angekündigte Richtlinie der Europäischen
     Kommission in Europa amerikanische Verhältnisse eingeführt werden
     sollen.
     
     In den USA wird der Wettbewerb bereits erheblich auch durch die
     Patentierung von Geschäftsideen behindert. Viel zitiertes Beispiel
     ist das Patent von Amazon auf das one-click-Verfahren bei der
     Bestellung von Gütern im Internet.
     
     Allerdings ist bereits in den letzten Jahren in Europa Software
     zunehmend als Bestandteil technischer Verfahren patentiert worden,
     denn: Technische Verfahren, die Computerprogramme beinhalten, sind
     patentierbar. Beispiel dafür ist eine computergesteuerte
     Werkzeugmaschine, die insgesamt patentierbar ist. Es mangelt
     derzeit an eingehenden ökonomischen Analysen, die die Wirkungen
     einer möglichen Patentierung von Software beschreiben. Wir sehen
     allerdings die Gefahr einer weiteren Verstärkung von Bürokratie mit
     dem Effekt, dass dringend notwendige Innovationen behindert werden.
     
     Die Ermöglichung der Patentierung von Software würde darüber hinaus
     erhebliche technische und administrative Probleme schaffen: in der
     Zeit, die Anmeldung eines Patentes derzeit benötigt (derzeit 2
     Jahre), ist das Patent längst veraltet. Die Dokumentation der
     Patente wäre extrem aufwendig. Kleine und mittlere Unternehmen
     würden durch die Patentierung benachteiligt: Große Firmen, die über
     die Ressourcen verfügen, die Patententwicklung zu verfolgen und
     Patente anzumelden könnten auf diese Weise zusätzliche Erträge
     erwirtschaften. Der Wettbewerb würde sich von der schnellen
     Umsetzung von Innovationen auf juristische Streitereien verlagern
     und der technische Fortschritt würde behindert werden. Das muss
     verhindert werden!
     
Jörg Tauss, MdB, Vorsitzender des Parlamentarischen Unterausschusses für die
Neuen Medien

   Der Virtuelle Ortsverein der SPD unterstützt die Eurolinux-Petition.
   Sein Gründer Jörg Tauss gab am 8. August 2000 auf Anfrage des FFII
   folgend vorläufige Grundsatzerklärung zum "Basisvorschlag" ab:
   
     In technologiepolitischen Fachkreisen hört man immer wieder die
     Behauptung, das Patentsystem müsse auf gewisse Bereiche der
     Informationstechnik ausgeweitet werden, weil sonst deren
     Investitionen nicht genügend geschützt würden. Diese Behauptung
     wurde bisher allerdings immer nur als abstrakte Grundwahrheit
     weitergegeben und niemals anhand von Tatsachen der deutschen oder
     europäischen IT-Wirtschaft belegt.
     
     Selbst wenn es gelänge, Bereiche der Informationstechnik zu finden,
     in denen Patente nachweislich vorteilhaft wirken oder gewirkt
     haben, müsste man noch immer untersuchen, ob eventuelle schädliche
     Nebenwirkungen der Patentierung diese Vorteile nicht überwiegen.
     
     Aber während bei der Legislative noch vollkommene Unklarheit
     herrscht, schreitet die Judikative bereits zur Tat, gewährt
     Tausende von Softwarepatenten und drängt auf Änderung der
     Gesetzesregeln. Es ist daher höchste Zeit für uns als Gesetzgeber,
     uns um diese Fragen zu kümmern.
     
Jean-Yves Le Déaut, Abgeordneter der Moselregion in der Französischen
Nationalversammlung

   Le Déaut ist Mitinitiator des französischen Gesetzesentwurfes für ein
   "Recht auf Kompatibilität" und die Durchsetzung von
   Offenheitsstandards in der Öffentlichen Verwaltung. Er sieht die
   Münchener und Brüsseler Patentpolitik als eine Gefahr für sein
   Anliegen und sandte daher im Juli 2000 einen Offenen Brief an
   zahlreiche zuständige Politiker in Frankreich, den wir hier
   übersetzen:
   
     Das Patentsystem hat sich in den letzten Jahren weit über den
     Bereich seiner historischen, ökonomischen und moralischen
     Existenzberechtigung hinaus ausgedehnt. Diese Ausdehnung ist das
     Ergebnis von Gerichtsentscheidungen des Europäischen Patentamts
     (EPA), die bisweilen im Gegensatz zum Geist der Gesetze stehen, wie
     sie von den Gesetzgebern verabschiedet wurden, wobei die
     Unterzeichnerstaaten des Münchener Übereinkommens meist nicht über
     die nötigen Mittel verfügen, um die wirtschaftlichen und
     gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Entscheidungen zu
     kontrollieren. Insbesondere glaube ich, dass das EPA, indem es
     allen Ernstes behauptete, ein "Computerprogramm mit technischen
     Wirkungen" sei kein "Computerprogramm als solches" und könne daher
     zum Gegenstand von Patentansprüchen werden, eindeutig seine Macht
     missbraucht hat. Das EPA hat eine Rechtsprechung entwickelt, die in
     offensichtlichem Gegensatz zu dem internationalen Vertrag steht,
     mit dessen Einhaltung es betraut wurde. Denn alle Computerprogramme
     haben einen technischen Effekt, wie die Europäischen Patentberater
     zu Recht anmahnten, die sich 1997 im EPA zu einem "Runden Tisch"
     versammelten.
     
     Diese unkontrollierte Ausweitung des Patentsystems in den Bereich
     der Software hinein gefährdet in zunehmendem Maße die europäischen
     IT-Unternehmen, die Autoren freier Software und die
     Grundarchitektur der Informationsgesellschaft. Mehr als 10000
     Softwarepatente wurden in den letzten 10 Jahren bei den nationalen
     Patentämtern durch vom EPA inspirierte juristische Winkelzüge
     angemeldet, während selbst die Anmeldungsanleitungen der
     Patentämter noch immer klar sagen, dass Computerprogramme nicht
     patentierbar sind. Mehr als 75% dieser Patente wurden von
     außereuropäischen Unternehmen angemeldet. Nicht wenige dieser
     Softwarepatente beziehen sich auf Verfahren des elektronischen
     Geschäftsverkehrs sowie Organisations- und Lehrmethoden.
     
     Juristische Standardwerke wie «Lamy Droit Informatique» weisen
     allerdings darauf hin, dass diese Patente angesichts der
     offensichtlichen Widersprüche zwischen dem geltenden Gesetz und der
     Rechtsprechung des EPA keinerlei Wert haben außer demjenigen, den
     die jeweiligen Gerichte ihnen zuzuerkennen bereit sind. Im Falle
     eines Rechtsstreits besteht kein Verlass darauf, dass ein
     nationaler Richter die Ansprüche dieser Patente anerkennen würde,
     da sie sich offensichtlich auf Gegenstände beziehen, deren
     Patentierung dem Geist des Gesetzes widerspricht. Daher warten die
     Inhaber der Softwarepatente, der E-Geschäftsmethoden-Patente und
     der Internet-Patente nur noch auf eines, bevor sie sich
     entschließen, die französischen und europäischen Protagonisten der
     Neuen Wirtschaft anzugreifen: die Revision des Münchener
     Übereinkommens, die sich anschickt, den Ausschluss der
     Computerprogramme von der Patentierbarkeit zu beseitigen.
     
     Ich würde mich Ihnen verbunden fühlen, wenn Sie in den kommenden
     Konsultationen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene alle
     Ihnen zu Gebote stehenden Mittel einsetzen würden, um zu verlangen,
     
    1. dass im November 2000 Art 52 des Münchener Übereinkommens nicht
       geändert wird und somit das Trojanische Pferd nicht aktiviert
       wird, das derzeit beim EPA schläft, wo zahlreiche missbräuchlich
       an außereuropäische Unternehmen vergebene Internet-Patente von
       einem Tag auf den anderen die Neue Wirtschaft Frankreichs und
       Europas bedrohen können.
    2. dass ein "Recht, seine eigenen Werke (einschließlich
       Computerprogramme) zu verbreiten" und ein "Recht auf
       Kompatibilität" (wie im Gesetzesvorschlag der Abgeordneten Le
       Déaux, Paul, Cohen und Bloche (www.osslaw.org) ausgeführt)
       gesetzlich verankert werden
    3. dass die Begriffe "technisch", "gewerbliche Anwendung" und
       "Programm als solches" derart geklärt werden, dass kein
       Informationswerk und kein immaterielles Produkt (einschließlich of
       Informationssystemen laufende Software) als unmittelbar oder
       mittelbar patentverletzender Gegenstand in Betracht kommen kann.
    4. dass materielle Produkte oder materielle Erweiterungen von
       immateriellen Produkten (z.B. MP3-Abspielgeräte) patentiert werden
       könnten, sofern die Kriterien der Neuheit, Technizität und
       industriellen Anwendbarkeit dieses materiellen Produktes erfüllt
       werden, und zwar unabhängig von den darin verwendeten
       Softwareelementen betrachtet.
    5. dass unverzüglich eine offene und demokratische Diskussion auf
       Grundlage ausführlicher wissenschaftlicher Studien über die
       wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen des
       Patentsystems auf die Informationsgesellschaft in Angriff genommen
       wird.
    6. dass eine frei verfügbare und über freie Software zugängliche
       umfassende Patentdatenbank aufgebaut wird, um den KMU die Mittel
       an die Hand zu geben, mit Patentgefahren in Europa und der Welt
       besser fertig zu werden.
       
     Da das Europäische Patentamt keinerlei Studie publiziert hat, um
     die Ausweitung der Patentierbarkeit auf Computerprogramme zu
     rechtfertigen, obwohl Wirtschaftswissenschaftler bewiesen haben,
     dass das Patentsystem zu einer Minderung der Innovation in der
     Softwareökonomie führen könnte, scheint es mir ferner an der Zeit,
     eine Betriebsprüfung des Europäischen Patentamtes in Auftrag zu
     geben, um nach Mitteln zu suchen, wie man die Entscheidungen dieser
     Institution besser kontrollieren und in Einklang mit dem
     Allgemeininteresse und den Grundprinzipien einer unparteiischen
     Rechtsprechung bringen kann.
     
   Wir glauben, dass diese Stimmen ebenso wie die Stimmen von ca 30000
   Unterzeichnern der Eurolinux-Petition mehr Gewicht haben sollten als
   der Wunsch einiger Patentfachleute, am Wohlstand der Neuen Wirtschaft
   zu partizipieren.
   
   Wir bitten um
     * Akkreditierung des FFII e.V. und der Eurolinux-Allianz als
       Teilnehmer der diplomatischen Konferenz im November
     * unsere frühestmögliche Einbeziehung in die kommenden
       Konsultationen, Rederecht für einen Vertreter der
       Eurolinux-Allianz
     * eine baldige Stellungnahme des BMJ zu den Vorschlägen in diesem
       Brief, einschließlich den Forderungen der zitierten Politiker
       
   Wir wären Ihnen als Bürger unendlich verbunden, wenn Sie sich bei den
   kommenden Konsultationen bereit fänden, der Patentlobby zu widerstehen
   und das Gemeinwohl zu verteidigen.
   
   Mit freundlichen Grüßen
   
                               Hartmut Pilch
                              Bernhard Reiter
                               Holger Blasum
             Prof. Dr. Clemens Cap (Lehrstuhl Informations- und
              Kommunikationswissenschaften der Univ. Rostock)
                                 Arnim Rupp
                              Andreas Kleinert
                                Xuan Baldauf
                               Daniel Rödding
                             Jörg Freudenberger
                                Markus Fleck
                               Werner Lemberg
                               Ralf Schwöbel
                             Matthias Schlegel
                                Jens Enders
                                      
         Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur
                                      
                                Intradat AG
                                      
                                Phaidros AG
                                      
                                MDLink GmbH
                                      
                              Intevation GmbH
                                      
                              Europaklub e.V.
     _________________________________________________________________
   
Anmerkungen

   [1] Union Europäischer Berater für den Gewerblichen Rechtsschutz
   [2] vgl. BGH-Urteil "Antiblockiersystem" von 1980
   [3] vgl. BGH-Urteil "Chinesische Schriftzeichen" 1992
     _________________________________________________________________