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Re: [FYI] 101 Köpfe: Wolfgang Tauchert



On 2000-10-30 15:59:41 +0100, Axel H Horns wrote:

> Tauchert hat eine klare Meinung zu dem Thema: "Gerade Startups
> brauchen den Schutz von Patenten", sagt er. Und weiter: "Die
> Gegner der Patente verfolgen eigene Interessen, nämlich den
> unbeschränkten Zugriff auf das geistige Eigentum anderer."

Auf welches geistige Eigentum?

Die Ausschließlichkeitsrechte auf eine Erfindung entstehen nicht,
wie etwa Urheberrechte, beim Erfindungsvorgang selbst.  Sie werden
von Herrn Taucherts Behörde nach gründlicher Prüfung gesetzlicher
Voraussetzungen gewährt - oder auch nicht.  Dieser Vorgang setzt
wiederum Investitionen in den Verwaltungsvorgang und in Rechtsrat
voraus.  Geistiges Eigentum an Erfindungen kann nur aus schon
vorhandenem Sacheigentum entstehen, und es entsteht nur auf Antrag.

Die Gegner der Software-Patente in ihrer amerikanischen Form wollen
dagegen das Zustandekommen von Eigentum an bestimmten "Erfindungen"
gar nicht erst zulassen. Das ist etwas anderes, als sich -
unerlaubterweise - unbeschränkten Zugriff auf geistiges Eigentum
anderer zu verschaffen.

Es geht den - meisten - Kritikern nicht wirklich um bahnbrechende
und enorm schwierige Erfindungen, die gelegentlich auch patentiert
werden.  Es geht ihnen vielmehr im Normalfall darum, selbst
schöpferisch tätig werden zu können, ohne sich alle fünf Minuten
fragen zu müssen, ob ein Gedankengang so oder so ähnlich schon
einmal jemand anderem in den Sinn gekommen ist.  Es geht ihnen
darum, daß Ideen, die in der einen oder anderen Form bekannt sind,
vielleicht sogar weite Verwendung finden oder jedenfalls von jedem
leicht gefunden werden können, nicht plötzlich von virtuellen
Goldgräbern als Teil eines Claims betrachtet werden.  Es geht ihnen
darum, daß nur solche Erfindungen den Schutz geistigen Eigentums
verdienen, bei denen die geistige Leistung eine technische und nicht
eine patentjuristische ist.  Bei denen die Schöpfungshöhe nicht in
dem Phantasiereichtum der juristischen Argumente, sondern in der
Genialität der technischen Lehre liegt.

Diesen Kritikern zu unterstellen, sie wollten "unbeschränkten
Zugriff auf das geistige Eigentum anderer", ist infam.  Tatsächlich
wollen sie, daß die Grundlagen gewahrt bleiben, auf denen
Eigentumsrechte gewährt werden.  Sie wollen, daß das, was längst
allen gehört (insbesondere also schon existiert), nicht von
einzelnen für sich usurpiert wird.

Das ist etwas gänzlich anderes, Herr Tauchert!

-- 
Thomas Roessler                         <roessler@does-not-exist.org>