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Re: [FYI] Neues zu RPS



On Thu, Nov 02, 2000 at 11:18:52AM +0100, Heiko Recktenwald wrote:
> > Nein. Die Oeffentlichkeit ist laengst in Form eines offenen Netzes vorhanden,
> > Herr Michael Kohlhaas.
> > 
> Ein Schlagwort jagt das andere..
> 
> > > Suchmachinenbetreiber entsprechend verantwortlich. Eigentlich sehr simpel.
> > 
> > Schwachfug.
> 
> Wieso, das stell ich einfach mal zur Debatte.
> 
> Mich aergert, dass da unter der Hand ein Paradigmenwechsel stattgefunden
> haben koennte, vom offenen Netz zum oeffentlichen Netz. So

Man nennt dies Fortschritt. Dass gerade Juristen dagegen sind, dass ihr
muehevoll zusammengefrickeltes Weltmodell permanent der Realitaet hinterher-
hinkt, ist natuerlich verstaendlich...

...aber es war spaetestens zu dem Zeitpunkt absehrbar, da das Arpanet den
Schritt von wenigen experimentellen Systemen zu einem Universitaetsnetz
geschafft hat (von der heutigen Globalisierung noch gar nicht mal zu reden).
Auch im Uni-Netz noch vor 10-15 Jahren waren die Themen, die uns heute
bewegen, schon bekannt; allerdings ist man da noch hemdsaermeliger 
mit umgegangen: ob jemand sich Bilder abgesaugt hat, war ein Kapazitaets-
problem, kein rechtliches, und Nazis gab es in Newsgroups ebenso, und sie
waren ebensowenig eine Gefahr wie die heute und jetzt fast zur Weltkriegsgefahr
hochstilisierten paar hundert Nazi-Websites (na und? je mehr es davon gibt, 
desto mehr Leute werden sich ihr eigenes Bild machen koennen, wie hohl deren
Geisteshaltung wirklich ist: wir brauchen ausserdem noch deutlich mehr Nizkor- 
und Burks-Seiten).

> Paradimenwechsel wie ORBS oder, oder.., meinetwegen swpat, was ja noch
> nicht ganz ausgestanden ist. Ueber alles moegliche wird diskutiert, Spione
> sind besonders interessant, Ueberwachung, aber dass diese Ueberwachung
> auch in Form von Suchmachinen stattfinden kann, zum Wohle des eCommerces
> etc, die wird das freuen, wird ueberhaupt nicht wahrgenommen. Ja,
> bekaempft Steuerhinterziehung..ueberwacht die Ueberwacher.

Dass Diskussion stattfindet, ist wertvoll und wichtig. Und dazu brauchen
wir sowohl ein oeffentliches als auch offenes Netz. Was aber passiert, ist,
dass jeder derzeit persoenlich seinen Anteil des Internets rausschneiden
will, den er gerne haben will, und zwar auf Kosten aller anderen. Robots
agieren auf dem offen/oeffentlichen Paradigma (offen und oeffentlich sind
nicht voneinander zu trennen), und ich stimme durchaus zu, dass auch 
Suchmaschinenbetreiber ihren Anteil an der Gesamtverantwortung haben sollen.
Aber das gilt in gleichem Masse auch fuer die Informationsanbieter.

Es war mal die Vision eines "jeder kann jetzt seine Zeitung anbieten". 
Dahinter steckt nicht nur das Recht, irgendeinen Inhalt zu *veroeffentlichen*,
sondern auch die Pflicht, dass dieses zumindest den rechtlichen Bedingungen
genuegt (wenn nicht sogar journalistischen Regeln). Es ist natuerlich
die Kernfrage, welche rechtlichen Bedingungen anzuwenden seien. Bei einem
globalen Netz laeuft das IMHO darauf hinaus, dass die Information selbst
so pluralistisch wie moeglich sein sollte, und der Nutzer selbst in der
Pflicht steht, das rauszufiltern, was er sehen will oder nicht. Suchmaschinen
tragen genau dem Rechnung. Wohl gibt es spezialisierte Suchmaschinen, welche
nur ganz bestimmte Dinge suchen, etwa MP3s, aber sie koennen kein Massstab
fuer das Netz sein, insbesondere nicht ihre Umkehrung, dass alles gefunden
werden koennen soll ausser X und Y und Z und ...die Liste ist endlos und
fuehrt womoeglich letztlich dazu, dass Frauenportraits (nicht mal Nackte)
auf unseren Webseiten verschleiert sein muessen, und ich mir fuer mein
Homepage-Photo einen langen Rauschebart anretuschieren muss (beim Barte
des Propheten: Wau, Du wuerdest deutlich besser in so eine Welt passen :-)).

Andererseits kommt es aber immer auf den Willen des Anbieters an, welche
Information er denn anbieten will. Ich halte es fuer juristische 
Spiegelfechterei, um das goldene Kalb des Begriffes des Anbietens 
oder Nichtanbietens herumzutanzen, und zwar deswegen, weil dieser
Paradigmenwechsel zum oeffentlichen Netz laengst abgeschlossen ist. Ein
Lamentieren, wie bloed so was sei, bringt nichts. 

Wer immer einen Inhalt auf einen mit dem Internet ueber weithin bekannte
und standardisierte Protokolle verbundenen Rechner packt, *bietet sie
damit an*, egal was er damit persoenlich bezwecken will. Wenn er dieses
nicht tun will, dann soll er dieses gefaelligst unterlassen, oder aber
nicht die allgemein bekannte Sprache des Internets benutzen, selbst
wenn es dann fuer ihn unbequem wird. Er kann ja durchaus seine Audio-
dateien ins Netz packen, aber verschluesseln, oder ein Format benutzen,
welches sonst niemand kennt. Ein technisches Argument, dass jemand nicht
programmieren koenne oder dass der Remote-MP3-Player eben nur MP3-Files
will, lasse ich so nicht gelten. Es gibt kein Recht darauf, dass das Leben
einfach ist.

Holger

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