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Keine Streichung der Computerprogramme aus Art 52.2c (fwd)



---------- Forwarded message ----------
Date: Tue, 21 Nov 2000 22:04:24 +0100 (CET)
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
To: neues@ffii.org
Subject: Keine Streichung der Computerprogramme aus Art 52.2c 

Den untenstehenden Berichten zufolge wurde heute auf der "Diplomatischen
Konferenz" einstimmig bei 3 Enthaltungen beschlossen, den
Ausschluss der "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" in Art 52.2c
zu belassen.

Das ist zwar ein Grund für uns, die Korken knallen zu lassen, aber es wird
vorerst an der Situation nichts ändern.  Die Ministerialbeamten haben
diese Entscheidung getroffen, um der EU-Kommission nicht vorzugreifen.  
Sie beabsichtigen keineswegs, die Praxis der Softwarepatentierung
zurückzudrängen, die Programmierfreiheit zu garantieren und zu einem
strengeren Technik- und Erfindungsbegriff (etwa "neuartiger Einsatz von
Naturkräften zur unmittelbaren Verursachung eines nach bisherigem
Erkenntnisstand nicht mit rechnerisch vorhersehbaren Erfolges")
zurückzukehren, wie der FFII und das Eurolinux-Bündnis es fordern.

Allerdings haben wir die Chance, uns noch bis zum 15. Dezember in den von
der GD Binnenmarkt in Brüssel eingeleiteten Konsultationsprozess
einzubringen.  Bisher stehen die bei Zeichen ganz auf Bestätigung der
bisherigen Politik des Europäischen Patentamtes.  Das Konsultationspapier
der GD Binnenmarkt vertritt ohne Abstriche den Standpunkt des EPA.  Was
dort als "rechnerimplementierte Erfindung" bezeichnet wird ist nichts
anderes als ein "Computerprogramm mit technischem Effekt", wobei der
Begriff Technik so unklar definiert wird, dass praktisch jedes
Computerprogramm einen "technischen Effekt" hat.  Wenn die Linie des EPA
und der GD Binnenmarkt nach der Konsultation auch nur teilweise bestätigt
werden sollte, dürfte Artikel 52.2c früher oder später doch noch geändert
werden.  

Eine solche Änderung kann dann im Namen der "Anpassung an das
EU-Recht" ohne eine neue Diplomatische Konferenz vom Verwaltungsrat der
Europäischen Patentorganisation (EPA-Vorstand) beschlossen werden, falls
deren Antrag zur Änderung von Art 33 EPÜ auf dieser Diplomatischen
Konferenz angenommen wird.

Das BMJ plädiert für die Annahme der Änderung von Art 33.  Allerdings
versicherte mir ein BMJ-Vertreter, eine solche Anpassung werde nur
einstimmig erfolgen dürfen, und die nationalen Parlamente hätten 1 Jahr
Zeit, die von ihrem nationalen Vertreter abgegebe Stimme zu ändern. Unter
diesen Umständen scheint eine Änderung vielleicht akzeptabel. Allerdings
hat Bernhard Lang (Direktor von INRIA.FR und Vorstandsmitglied von AFUL)
nicht ganz Unrecht, wenn er meint, er traue dem EPA-Vorstand nicht mehr
als einem Klapperschlangennest.  Eigentlich ist jetzt keine gute Zeit, um
der EPO neue Rechtssetzungsbefugnisse einzuräumen.  Die schwedische
Delegation hat sich heute auch gegen solche Ermächtigungen ausgesprochen.

Vertrauen kann erst dann entstehen, wenn es uns wirklich nachhaltig
gelingt, die Frage der Patentierbarkeitsgrenzen weiter in die Parlamente
und die Öffentlichkeit zu tragen und offene, interdisziplinäre, vom
Patentwesen unabhängige Entscheidungsgremien zu schaffen und mit den
nötigen Mitteln, einschl. Forschungsetats, auszustatten.

Deshalb ist es wichtig, dass sich möglichst viele Leute schlau
machen und über

	http://petition.eurolinux.org/consultation/

in Kürze einigermaßen überzeugende Konsultationspapiere einreichen.  

Tipp dafür: Am besten von persönlichen und insbesondere in der eigenen
Geschäftstätigkeit begründeten Erfahrungen und Ängsten ausgehend
schreiben, statt allgemein zu theoretisieren oder politisieren.  Die
Urangst, dass einem die Freiheit des Ausdrucks genommen wird, ist von
Belang und muss erhört werden.  Dieser Angst um die Freiheit steht keine
Aussicht auf Nutzen durch Softwarepatente gegenüber.  In der Branche und
bei den Ökonomen herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Softwarepatente
ihr Ziel, die Förderung der Softwareinnovation, verfehlen und stattdessen
die Branche nur in ein bürokratisches Gestrüpp verwickeln.  Viele
Erfahrungen eines Programmierers sind der GD Binnenmarkt fremd und
verdienen es, mitgeteilt zu werden.  So z.B. die Erfahrung, dass es nicht
leicht ist, Programme anderer Leute nachzuprogrammieren.  Dass man mit
dekompilierten Programmen nichts anfangen kann.  Dass es kaum einen
Trittbrettfahrereffekt gibt und dass der Vorsprung des Innovators für
einen solchen Effekt, so er denn existieren möge, durchaus entschädigt.
M.a.W. die Erkenntnis, dass das Software-Urheberrecht durchaus nicht so
"unzureichend" ist, wie von Patentierungsbefürwortern ständig behauptet
wird.  Auch hier ist es wichtig, nicht nur abstrakt zu argumentieren
sondern Beispiele aus der eigenen Programmier- und Geschäftserfahrung zu
bringen.

Die EU-Konsultation ist hingegen keine besonders geeignete Gelegenheit um
die Vorzüge freier Software anzupreisen.  So etwas sollte allenfalls in
Maßen geschehen, soweit es wirklich aus der eigenen Erfahrung begründet
ist und etwas zur Sache tut.  Grundsätzlich haben alle Programmierer
ähnliche Nachteile von Softwarepatenten zu befürchten.  

Interessanter wäre es, im eigenen Papier ein paar möglicherweise für die
eigenen Projekte gefährliche Softwarepatente zu nennen und darauf
einzugehen.  Unter

	http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/perled/

dürfte man da leicht fündig werden.  Bitte uns unter swpat@ffii.org
ebenfalls benachrichtigen.

Grundregel:  je konkreter, desto besser.

Die Texte können auf Deutsch geschrieben werden.  Sie können auf
swpat@ffii.org besprochen werden, sollten aber vor dem 15. Dezember an

	consulation@eurolinux.org

gehen, von wo sie an die interessierten Stellen weitergeleitet werden.

---------- Forwarded message ----------
Date: Tue, 21 Nov 2000 18:39:20 +0100
From: Boris Groendahl <bgroendahl@thestandard.com>
To: swpat-l <swpat@ffii.org>
Subject: Re: Keine Öffnung für Swpat in München
Resent-Date: Tue, 21 Nov 2000 18:34:02 +0100
Resent-From: swpat@ffii.org

On 2000.11.21 17:47, Steinbeis, Max at <m.steinbeis@vhb.de> wrote:

> Ich hab gerade vom BMJ erfahren, dass die Konferenz in München ohne
> Gegenstimmen beschlossen hat, das EPÜ in der Frage der Swpat nicht zu
> ändern. Nur die Schweiz habe sich noch gesträubt, habe aber angesichts der
> Mehrheit dann auf eine Abstimmung verzichtet.

Nach dem, was ich gehoert habe (ebenfalls aus dem BMJ), habe es drei
Enthaltungen gegeben: Schweiz, Liechtenstein und Oesterreich.

Gruss,

-- Boris Groendahl

The Industry Standard Europe
Berlin Bureau Chief

bgroendahl@thestandard.com
http://www.thestandard.com/europe

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