[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
Re: Technikbegriff im Detail
- To: apfeiffer@beetz.com
- Subject: Re: Technikbegriff im Detail
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Wed, 6 Dec 2000 18:34:07 +0100 (CET)
- cc: swpat@ffii.org, debate@fitug.de
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- In-Reply-To: <Pine.LNX.4.21.0012061714590.4645-100000@wtao97.oas.a2e.de>
- Sender: owner-debate@fitug.de
Ein Beispiel enthält einen dummen Fehler:
> On 6 Dec 2000 apfeiffer@beetz.com wrote:
>
> > > Laut EPÜ kann ein Computerprogramm kein Patentgegenstand sein, d.h.
> > > ich kann niemanden durch Patente daran hindern, mein Computerprogramm
> > > nachzubauen und damit meinen Verwertungsinteressen in die Quere zu
> > > kommen. Das bedeutet nämlich "patentieren".
> >
> > Genau eben nicht. Sie vermengen Recht AUF das Patent (Art. 52) und Recht AUS
> > dem Patent (ein wenig Art. 64, 69, aber hauptsächlich national). Es ist mit
> > software und softwareimplementierbaren Erfindungen genauso wie in dem schon
> > früher gebrachten Eisen-Beispiel: Wären Patente AUF Eisen (als solches)
> > verboten, wären deshalb noch lange nicht Patente AUF Erfindungen verboten,
> > die zu Ihrer Implementierung Eisen benötigen, z. B. AUF ein Getriebe oder AUF
> > eine Schraube. Und selbstverständlich könnten AUS Getriebe- oder
> > Schraubenpatenten heraus Getriebe und Schrauben mit Eisen darin verboten
> > werden.
>
> Was sie hier darstellen ist nicht ein Unterschied zwischen AUS und AUF
> sondern ein Unterschied zwischen unterschiedlichen möglichen
> Patentierungsgegenständen
>
> 1 Eisen (wäre als Entdeckung ausgeschlossen, insoweit einem
> Computerprogramm zu vergleichen)
> 2 Schraube (wäre patentierbar, insoweit dem Konstrukt der
> "software-implementierten Erfindung" zu vergleichen)
>
> Eine weitere Analogie, die ich immer wieder als Beispiel brachte
> ist:
>
> 1 Brettspiel
> 2 Elfenbeinfiguren
>
> Auch ohne Art 52.3 EPÜ ist klar: Ich kann verhindern, dass mein
> Konkurrent die eine patentierte Schraube oder eine patentierte
> Elfenbeinfigur auf den Markt bringt. Wenn mein Konkurrent sich darauf
> beruft, die Schraube sei aus Eisen und die Elfenbeinfigur sei Teil eines
> Spiels, dann antworte ich ihm: Ich habe ja auch nichts gegen das Eisen
> als solches bzw das Brettspiel als solches. Er solle eben eine
> Chromschraube bzw ein Brettspiel mit Plastikfiguren auf den Markt bringen.
^^^^^^^^^^^^^
s/Chromschraube/Eisennagel/
Es ist ja gerade nicht das Eisen als solches sondern nur die Schraube
patentiert.
> Genau so ist es auch beim Computerprogramm:
>
> 1 Computerprogramm
gemeint: Computerprogramm, welches eine chemische Reaktion steuert
> 2 chemische Reaktion
> Die zwei Gegenstände müssen allerdings unterscheidbar sein. Wenn die
> Innovationsleistung in der Programmierung liegt, habe ich es mit einem
> Computerprogramm zu tun. Wenn sie in der Chemie liegt, habe ich es mit
> einer chemischen Erfindung zu tun. AUF eine solche bekomme ich ein Patent
> und darAUS kann ich das Recht ableiten, zumindest bestimmte Formen der
> Nachahmung zu verbieten.
>
> Nun haben findige Patentanwälte Wege gefunden, um die eigentliche
> Innovationsleistung lediglich in der Beschreibung anklingen zu lassen und
> in den Patentansprüchen nur mechanische Wirkungen zu beschreiben. Das
> ändert aber nichts daran, dass der zu patentierende Gegenstand ein
> Programm ist. Wie in solchen Fällen der Schleier zu lüften und die
> Substanz herauszuschälen ist, hat der BGH 1976 im
> Dispositionsprogramm-Urteil ausführlich erklärt und das wurde später sogar
> in die Prüfungsrichtlinien des DPMA aufgenommen. Hier die Darstellung von
> Kolle (1977) aus http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html:
>
> Die so herausgearbeitete Definition der technischen Erfindung kann
> ihre Abgrenzungsfunktion in der Praxis nur dann voll entfalten, wenn
> die Prüfung von Anmeldungen, deren technischer Charakter zweifelhaft
> ist, nicht rein schematisch-formal erfolgt, sondern der Eigenart
> solcher Anmeldungen, deren Ansprüche stets auch eine Reihe technischer
> Merkmale enthalten, Rechnung trägt. ... In seinen wenigen zum
> Problemkreis der technischen Erfindung ergangenen Entscheidungen hat
> der Bundesgerichtshof zur Methode der Prüfung bisher nie Stellung
> genommen. Im Dispositionsprogramm-Beschluss postuliert er nun erstmals
> für die Prüfung von Anmeldungen, deren Zugehörigkeit zum Gebiet der
> Technik nicht auf der hand liegt, zwei Regeln, die von großer
> praktischer Bedeutung sind und ungeteilte Zustimmung verdienen.
>
> 1. Die erste Regel besagt, dass solche Anmeldungen ungeachtet der
> Formulierung der Ansprüche und -- auch wenn dies nicht explicite
> ausgesprochen ist -- der gewählten Anspruchsart auf ihren
> wirklichen, materialen Gehalt zu untersuchen sind. ...
> Formulierungskünste wie "Datenverarbeitungsanlage ... dadurch
> gekennzeichnet, dass sie nach folgender Formel programmiert ist",
> "Schaltungsanordnung ...", "Verfahren zur Steuerung einer
> Datenverarbeitungsanlage ...", "Verwendung einer
> Datenverarbeitungsanlage mit den Merkmalen X, Y, Z zu ..." usw
> werden also in Zukunft einer Anmeldung nicht mehr zum Patentschutz
> verhelfen können, wenn sich dahinter nur eine nicht-technische
> Rechenvorschrift verbirgt. ...
> 2. Aus dieser grundsätzlich materialen Betrachtung erbibt sich
> beinahe zwanglos die zweite, noch wichtigere Prüfungsregel, dass
> Anmeldungen, die sowohl technische als auch nicht-technische
> Merkmale enthalten, nur dann patentfähig sind, wenn das als neu
> und erfinderisch Beanspruchte, also der Kern der Erfindung, im
> Technischen liegt. In der Formulierung des Bundesgerichtshofs
> liest sich dies so:
>
> ... technische Merkmale in dem Patentanspruch können nur dann eine
> Patentierung rechtfertigen ..., wenn sich die erfinderische Neuheit
> in ihnen niederschlägt, nicht jedoch dann, wenn die Erfindung auf
> den nicht-technischen Teil der Lehre ... beschränkt bleibt.
>
> Nachdem ich nun auf ca 5 Runden zermürbender Beschießung mit immer den
> gleichen formalistischen Scheinargumenten durch PA Pfeiffer geduldig
> geantwortet habe, hoffe ich, dass die Runde allmählich etwas dabei lernt.
> Wenn es schon keine FAQ gibt, sollten wenigstens ein paar Leute jetzt in
> der Lage sein, auf die üblichen Scheinargumente der Patentanwälte zu
> antworten. Es wäre auch nett, wenn Axel Horns mal erklären würde, was an
> meinen (und Kolles) Argumenten falsch ist, oder andernfalls seinen eigenen
> Standpunkt ein wenig weiterentwickeln würde. Was da in Jurpc steht, kann
> so nicht stehen bleiben.
>
> -phm
>