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Re: Re-4: Technikbegriff im Detail



On 6 Dec 2000 apfeiffer@beetz.com wrote:

> >  Laut EPÜ kann ein Computerprogramm kein Patentgegenstand sein, d.h.
> >  ich kann niemanden durch Patente daran hindern, mein Computerprogramm
> >  nachzubauen und damit meinen Verwertungsinteressen in die Quere zu
> >  kommen.  Das bedeutet nämlich "patentieren".
> 
> Genau eben nicht. Sie vermengen Recht AUF das Patent (Art. 52) und Recht AUS
> dem Patent (ein wenig Art. 64, 69, aber hauptsächlich national). Es ist mit
> software und softwareimplementierbaren Erfindungen genauso wie in dem schon
> früher gebrachten Eisen-Beispiel: Wären Patente AUF Eisen (als solches)
> verboten, wären deshalb noch lange nicht Patente AUF Erfindungen verboten,
> die zu Ihrer Implementierung Eisen benötigen, z. B. AUF ein Getriebe oder AUF
> eine Schraube. Und selbstverständlich könnten AUS Getriebe- oder
> Schraubenpatenten heraus Getriebe und Schrauben mit Eisen darin verboten
> werden.

Was sie hier darstellen ist nicht ein Unterschied zwischen AUS und AUF
sondern ein Unterschied zwischen unterschiedlichen möglichen
Patentierungsgegenständen

1 Eisen (wäre als Entdeckung ausgeschlossen, insoweit einem
  Computerprogramm zu vergleichen)
2 Schraube (wäre patentierbar, insoweit dem Konstrukt der 
  "software-implementierten Erfindung" zu vergleichen)

Eine weitere Analogie, die ich immer wieder als Beispiel brachte
ist:

1 Brettspiel
2 Elfenbeinfiguren

Auch ohne Art 52.3 EPÜ ist klar:  Ich kann verhindern, dass mein
Konkurrent die eine patentierte Schraube oder eine patentierte
Elfenbeinfigur auf den Markt bringt.  Wenn mein Konkurrent sich darauf
beruft, die Schraube sei aus Eisen und die Elfenbeinfigur sei Teil eines
Spiels, dann antworte ich ihm:  Ich habe ja auch nichts gegen das Eisen
als solches bzw das Brettspiel als solches.  Er solle eben eine
Chromschraube bzw ein Brettspiel mit Plastikfiguren auf den Markt bringen.

Genau so ist es auch beim Computerprogramm:

1 Computerprogramm 
2 chemische Reaktion

Die zwei Gegenstände müssen allerdings unterscheidbar sein.  Wenn die
Innovationsleistung in der Programmierung liegt, habe ich es mit einem
Computerprogramm zu tun.  Wenn sie in der Chemie liegt, habe ich es mit
einer chemischen Erfindung zu tun.  AUF eine solche bekomme ich ein Patent
und darAUS kann ich das Recht ableiten, zumindest bestimmte Formen der
Nachahmung zu verbieten.

Nun haben findige Patentanwälte Wege gefunden, um die eigentliche
Innovationsleistung lediglich in der Beschreibung anklingen zu lassen und
in den Patentansprüchen nur mechanische Wirkungen zu beschreiben.  Das
ändert aber nichts daran, dass der zu patentierende Gegenstand ein
Programm ist.  Wie in solchen Fällen der Schleier zu lüften und die
Substanz herauszuschälen ist, hat der BGH 1976 im
Dispositionsprogramm-Urteil ausführlich erklärt und das wurde später sogar
in die Prüfungsrichtlinien des DPMA aufgenommen.  Hier die Darstellung von
Kolle (1977) aus http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html:

   Die so herausgearbeitete Definition der technischen Erfindung kann
   ihre Abgrenzungsfunktion in der Praxis nur dann voll entfalten, wenn
   die Prüfung von Anmeldungen, deren technischer Charakter zweifelhaft
   ist, nicht rein schematisch-formal erfolgt, sondern der Eigenart
   solcher Anmeldungen, deren Ansprüche stets auch eine Reihe technischer
   Merkmale enthalten, Rechnung trägt. ... In seinen wenigen zum
   Problemkreis der technischen Erfindung ergangenen Entscheidungen hat
   der Bundesgerichtshof zur Methode der Prüfung bisher nie Stellung
   genommen. Im Dispositionsprogramm-Beschluss postuliert er nun erstmals
   für die Prüfung von Anmeldungen, deren Zugehörigkeit zum Gebiet der
   Technik nicht auf der hand liegt, zwei Regeln, die von großer
   praktischer Bedeutung sind und ungeteilte Zustimmung verdienen.
   
    1. Die erste Regel besagt, dass solche Anmeldungen ungeachtet der
       Formulierung der Ansprüche und -- auch wenn dies nicht explicite
       ausgesprochen ist -- der gewählten Anspruchsart auf ihren
       wirklichen, materialen Gehalt zu untersuchen sind. ...
       Formulierungskünste wie "Datenverarbeitungsanlage ... dadurch
       gekennzeichnet, dass sie nach folgender Formel programmiert ist",
       "Schaltungsanordnung ...", "Verfahren zur Steuerung einer
       Datenverarbeitungsanlage ...", "Verwendung einer
       Datenverarbeitungsanlage mit den Merkmalen X, Y, Z zu ..." usw
       werden also in Zukunft einer Anmeldung nicht mehr zum Patentschutz
       verhelfen können, wenn sich dahinter nur eine nicht-technische
       Rechenvorschrift verbirgt. ...
    2. Aus dieser grundsätzlich materialen Betrachtung erbibt sich
       beinahe zwanglos die zweite, noch wichtigere Prüfungsregel, dass
       Anmeldungen, die sowohl technische als auch nicht-technische
       Merkmale enthalten, nur dann patentfähig sind, wenn das als neu
       und erfinderisch Beanspruchte, also der Kern der Erfindung, im
       Technischen liegt. In der Formulierung des Bundesgerichtshofs
       liest sich dies so:
       
     ... technische Merkmale in dem Patentanspruch können nur dann eine
     Patentierung rechtfertigen ..., wenn sich die erfinderische Neuheit
     in ihnen niederschlägt, nicht jedoch dann, wenn die Erfindung auf
     den nicht-technischen Teil der Lehre ... beschränkt bleibt.

Nachdem ich nun auf ca 5 Runden zermürbender Beschießung mit immer den
gleichen formalistischen Scheinargumenten durch PA Pfeiffer geduldig
geantwortet habe, hoffe ich, dass die Runde allmählich etwas dabei lernt.  
Wenn es schon keine FAQ gibt, sollten wenigstens ein paar Leute jetzt in
der Lage sein, auf die üblichen Scheinargumente der Patentanwälte zu
antworten.  Es wäre auch nett, wenn Axel Horns mal erklären würde, was an
meinen (und Kolles) Argumenten falsch ist, oder andernfalls seinen eigenen
Standpunkt ein wenig weiterentwickeln würde.  Was da in Jurpc steht, kann
so nicht stehen bleiben.

-phm