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3 negative Gesamtbilanzen des Patentsystems



In England wurde ehrgeiziges Forschungsprojekt (1 Million Pfund, Prestigeunis
etc) abgeschlossen, in dem interdisziplinär die Wirkung des Patentsystems
bewertet werden sollte.  Unter


        http://info.sm.umist.ac.uk/esrcip/background.htm

kann man einige der Schlussfolgerungen lesen:

  ...

  The patent system gives SMEs no help in innovating, Macdonald concludes from
  surveys and interviews involving over 2,600 firms. It neither fosters nor
  protects their innovation. "The patent system is at best an irrelevancy for
  most small firms."
 
  ...

  Oppenheim concludes from interviews with 50 SMEs which "ought to be using the patent
  literature" - in mechanical and electrical engineering, biotechnology and
  chemical/pharmaceutical activities - that their interest in patents lies in protection
  but not in technology transfer.

  ...

Ein Klassiker der Ökonomischen Argumentation über das Patentwesen, Fritz
Machlup, verdient hier auch mehr Rezeption:

        http://www.sffo.de/machlup1.htm
	http://www.ipmall.fplc.edu/ipcourses/jepson/unit1/aneconom.htm

Von ihm stammt wohl auch das erste systematische Werk über die
Wissensökonomie.  Machlup zog 1958 in einer Anhörung vor dem US-Senat eine
negative Gesamtbilanz des Patentsystems.

Hierbei geht es wiegesagt um die Wirkungen des Patentsystems in seiner
Heimdomäne, den chemischen und mechanischen Erfindungen.  Selbst der neuen
britische Bericht konzentriert sich noch auf diese Domäne.  All die Argumente,
welche die Bilanz des Patentwesens ins Negative bewegen, gelten für die
untechnische Domäne (d.h. die rein logisch validierbaren Konstrukte) noch
viel mehr.  Zu den Argumenten zählt z.B.:

- Die meisten patentierten Erfindungen wären auch ohne Monopolanreiz
  entstanden. 
- Es werden nur diejenigen Neuerungen patentiert, die auch jemand anders
  finden würde
- Es gibt außerhalb des Patentsystems mannigfaltige Möglichkeiten, aus einem
  Wissensvorsprung Gewinn zu ziehen.  Es fehlt selten ein Anreiz zum Erwerb
  dieses Wissens.
- ...

Bekanntlich ändert sich die Balance allenfalls in einigen wenigen viel
zitierten Bereichen wie z.B. der Pharmazie und z.T. der Chemie.
Zufälligerweise eben gerade dort, wo wirklich Naturkräfte auf neue Weise
eingesetzt und der Erfolg dieses Einsatzes empirisch (experimentell) und nicht
logisch zu validieren ist.

Es gibt allerdings auch ein paar Ökonomen, die nach neuen Rechtfertigungen für
das Patentwesen suchen:

	http://emoglen.law.columbia.edu/LIS/discuss/253.html

Es bleibt dabei nur ein vielversprechender Ansatz:  die Regeln des
Aktienmarktes.  Wenn belegt werden kann, dass

  - das Patentsystem für mehr Vorhersehbarkeit/Investitionssicherheit sorgt
    und somit den Aktienkapitalismus zum besseren Funktionieren bringt
  - der Aktienkapitalismus ein besonders innovationsfreundliches System ist

dann kommt man auf diese Weise zu einer indirekten Rechtfertigung.  Allerdings
scheinen nicht nur beide Voraussetzungen sehr fragwürdig.  Man muss zusätzlich
auch fragen, ob, so sie denn wahr wären, allein der Wert der "Innovation" so hoch
ist, dass sie den Ausschluss aller nicht aktienmarktgerecht organisierten Kräfte
aus der Wissensökonomie rechtfertigt.

Unter "right to innovate" verstand der Microsoft-Anwalt vor dem Kartellgericht
das Recht, Interoperabilität zu verhindern.  Wenn Linus Torvalds in der
Computerwoche stolz erklärte, Linux sei nicht innovativ, meinte er damit eben,
dass Linux sich an Standards orientiere und der Interoperabilität ein hohes
Gewicht beimesse.  Merkwürdig, dass diese Aussage nun von Patentlobbyisten wie
Betten, Hössle und Breese bei jeder Gelegenheilt benutzt wird, um die
Bedeutung von freier Software kleinzureden.

	http://www.patentanwaelte.de/aktuell/computer-erfindungen.html
	http://ffii.org/archive/mails/swpat/2001/Jan/0003.html

Das könnte mal Anlass geben, den Innovations-Kult in Frage zu stellen.  Freier
Software, auch dem Linux-Kern, mangelt es nicht an Innovation.  Die
Funktionalität von Zope scheint mir ziemlich neu, und wenn Linus in jenem
Interview sagt, "Wir machen nichts anders, nur alles besser" spricht er auch
von vielen Verbesserungen, die allemal nicht unter dem Niveau dessen liegen,
was das EPA patentiert.  Nur macht man eben kein großes Aufhebens drum.  Die
"Innovation" als Kultobjekt in den Mittelpunkt zu stellen, ist einfach ein
Teil der Patentideologie.  Traurig nur, dass das Patentwesen nun nicht einmal
in seinem eigenen Kernbereich und nicht einmal nach den Maßstäben seiner
eigenen Ideologie eine positive Bilanz vorweisen kann.  Der (nicht unübliche)
Versuch, die Regeln des Aktienmarktes zur Rechtfertigung heranzuziehen, kommt
einem Offenbarungseid gleich.

-phm