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DONNERSTAG 8. MAERZ 2001 20:00 +0100 (MET)

MUFFATHALLE MUENCHEN

Re: Play

Ein Spieleabend der anderen Art beim Stoffwechsel in der
Muffathalle

Gäste: Claus Pias (Medienwissenschaftler/Weimar) und JODI
(Netzkünstler/Barcelona)

"Unter der Bedingungen von SDI sind Computerspieler die
besseren Soldaten" (Ronald Reagan)

Mit der Einführung von Ataris Spielkonsole "PONG" wird 1972
der Computer als Unterhaltungsgerät einer breiten Masse
zugänglich. Seitdem hat sich das Genre der Computerspiele
kommerziell und kulturell spektakulär weiterentwickelt.
Schon heute wird in der Computerspielindustrie mehr Geld
verdient als in der Filmbranche. Eine Kritik der
Computerspiele jedoch beschränkt sich, neben ihrer
serviceorientierten Variante in Spielemagazinen, zum
Großteil auf eine Problematisierung des Inhalts, vor allem
unter pädagogischen, allenfalls unter popkulturellen
Aspekten. Jenseits von feuilletonistischen Analysen der
Plots und besorgten Lamentos über die Dominanz einer
gewaltverherrlichenden Ästhetik, versucht METABOLICS /
STOFFWECHSEL#3 die Funktionsweisen und Mechanismen jener
games zu ermittlen, die Menschen mit dem Computer, oder der
Computer mit den Menschen spielt. Was unterscheidet
Computerspiele von traditionellen Spielformen auf der einen
Seite, was von anderen Programmen auf der anderen?

In seiner medienhistorischen Betrachtung der Computerspiele
versucht Claus Pias die Beziehung zwischen Computern, Spiele
und Welten zu klären. Dabei reiht sich der Computer, als
Maschine, die den Menschen programmiert, in eine Geschichte
historischer Betriebssysteme, vom griechischen Alphabet bis
zu den Standards der Arbeitswissenschaft, ein. Pias
versucht, die Wirkungen jener Codes zu untersuchen, deren
Verbergung durch benutzerfreundliche Interfaces die
Bedienung von Computern auf einer spielerischen Ebene erst
ermöglicht. Die Figur des Spielers tritt demnach nur in den
Lüken auf, die Hard- und Software gewähren, und wird damit
selbst zu einer Funktion des Spielprogramms, das dessen
Outputs zeit-, entscheidungs oder konfigurationskritisch
abfragt. Computerspiele ähneln daher weniger traditionellen
Spielformen und können nicht mehr in den Begriffen des
Spiels beschrieben werden. Vielmehr entsprechen sie einer
"Ökonomie der Optimierung" menschlicher Bewegungsabläufe,
die sich von der Arbeit am Fließband bis zum Surfen im
Internet verfolgen lassen kann.

http://www.uni-weimar.de/~pias

Die Künstlergruppe JODI gelten seit Jahren als die wohl
bekanntesten und aufregendsten Internetkünstlern. Bei dem
holländisch-belgische Duo, bestehend aus Joan Heemskerk und
Dirk Paesmans, sollte aber niemand ein leichtes Spiel
erwarten. Als JODI 1999 in San Francisco der renommierte und
hochdotierte Webby-Award verliehen wurde, schleuderten die
beiden der versammelten Prominenz nur "Ugly commercial, sons
of bitches!" entgegen und machten sich aus dem Staub. Also
besser auf alles gefasst sein, denn JODI werfen in ihren
Arbeiten einen Blick hinter die Benutzeroberflächen und
dekonstruieren die Präsentationsmodi von Computerinterfaces.
JODI kultivieren Programmierfehler, bringen HTML-Code an die
Oberfläche und iritieren so die gewohnten Wahrnehmungsweisen
des Computers. "OSS", eines ihrer legendären Projekte
simulierte ein fehlerhaftes Betriebssystem auf derart
irritierende Weise, dass der us-amerikanischer Provider
JODIs Account löschte, weil die Webseite scheinbar seinen
Browser abstürzen lies. Als die Programmcode der 3D-Shooter
"Quake1" und "Castle Wolfenstein" veröffentlicht wurden,
konstruierten JODI daraus ihre eigenen Versionen. Von der
martialischen Ästhetik und der Handlung befreit, besteht das
Spiel danach nur noch aus grauen, schwarzen und weißen
Ebenen und dem Programmcode. Als eine Art Spiel mit dem
Spiel verweist eine derartige Bearbeitung der Codes, die
Erstellung von Patches und die individuelle Erweiterung
kommerzieller Computerspiele, aber auch die beliebte Suche
nach Cheats, auf einen kreativen Umgang mit der Software,
die vielleicht allein den Namen Spiel verdient.

http://sod.jodi.org

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Projekte und Debatten der Netzkultur im Café Muffathalle in München
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kulturellen, sozialen und politischen Dimensionen der so genannten
Informationsgesellschaft. >> METABOLICS / STOFFWECHSEL wird kuratiert
von Florian Schneider und Harald Staun, den Autoren der Kolumne
Linksverkehr im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung und Dietmar Lupfer.
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