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Swpat-Rechtsschoepfung
- To: swpat@ffii.org, debate@fitug.de
- Subject: Swpat-Rechtsschoepfung
- From: PILCH Hartmut <phm@suse.de>
- Date: Mon, 26 Mar 2001 17:28:18 +0200
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
> > Das Wort "Rechtsbeugung" wird von Eurolinux nicht verwendet.
> > Allerdings haben >72000 Personen eine Petition unterzeichnet, die
> > den Vorwurf der gesetzeswidrigen Rechtsauslegung erhebt. Das ist
> > nicht niemand. Leider. Reality Check! Die Wirklichkeit hat mit
>
> Dann waeren das eben >72000 Idioten. Schon mal was von
> "Rechtsschoepfung" gehoert ?
Ja. Aber: Ob gebeugt, ausgelegt oder geschaffen/geschoepft -- was
aendert das alles an der Frage der Gesetzeskonformitaet dieser
Schoepfungen? Die Bedeutung dieses Formulierungsunterschiedes kann
ich beim besten Willen nicht erkennen.
"Schon mal was von Gewaltenteilung gehoert?" ist man versucht
zurueckzufragen.
Wo es an Regelungen fehlt, kann die Judikative mal voruebergehend
regelsetzend taetig werden. Aber eigentlich zustaendig ist die
Legislative und hinter ihr der Souveraen, das Volk. Das darf sich
durchaus erlauben, darauf hinzuweisen, dass kein Regelungsbedarf
bestand und dass die eigenwillige Rechtsschoepfung nicht hingenommen
wird.
Wuerde es sich aus lauter Ehrfurcht vor den hohen Richtern dies nicht
erlauben, so bestuende es tatsaechlich aus Idioten. Oder
Sklavennaturen. Jedenfalls nicht aus Buergern einer Demokratie
sondern eben desjenigen Regimes, das sie verdient haetten.
Die hohen Richter des EPA und des BPatG verdienen zwar einen gewissen
Respekt, aber der muss sich in Grenzen halten, denn
(1) Es ist ein sehr kleiner Kreis von Personen mit zwangslaeufig begrenzter
Kompetenz und Urteilskraft
(2) Dieser Personenkreis stand unter starkem Meinungsdruck von Seiten
der Patentabteilungen einiger Konzerne, die Musterprozesse
anstrengten, um die "konservativen" Gesetzesregeln zu aendern, s.
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/boch97-koerber/
Hinzu kam ein scheinbarer Konsens der Oeffentlichkeit, wie sie
sich in GRUR und anderen patentjuristischen Fachforen praesentierte.
(3) Es gab und gibt bis heute Richter, die anders denken und auch bessere
juristische Argumente haben. Ferner ist zunehmend klar geworden,
dass die GRUR-Fachoeffentlichkeit und Richter wie Klaus Melullis
einigen Irrtuemern und Missverstaendnissen aufgesessen sind. Es scheint
mehr als zweifelhaft, ob hier wirklich Rechtschoepfungsbedarf bestand.
S. dazu insbesondere die in
htp://swpat.ffii.org/stidi/korcu/
zitierten Artikel.
Fuer die Rechtschoepfungsakte der letzten Jahre spricht heute nur
noch das Gruppeninteresse derer, die damals das Recht setzten.
(4) Juristische Argumente, wie Melullis, Kiesewetter-Koebinger, Horns, BPatG,
Schoelch, Vivant, EPA und andere sie untereinander austauschen, sind ohnehin
nur sekundaer. Richterliche Rechtsschoepfungen sind an den Interessen der
Betroffenen zu messen und haben nur so lange eine begrenzte Legitimitaet,
wie diese sich nicht zu Wort melden. Sie haben sich mittlerweile
massiv zu Wort gemeldet. Diverse Studien haben versucht, alle
Gegenargumente in Betracht zu ziehen und mussten sogar eigene Gegenpole
aufbauen, denn von den Patentbefuerwortern kamen nur windige
Begriffsspielereien und dreiste Luegen. Weiteres Pochen auf einer angeblichen
Legitimitaet jener Rechtschoepfung kann ich nur noch als Renitenz der
Unbelehrbaren auffassen. Wer im Ideellen keine Argumente hat, dem
bleibt schliesslich nur noch der Appell an den "Realismus", die Hoffnung
auf selbsterfuellende Prophezeiungen ueber die Machtverhaeltnisse,
und das Draengen auf schnelle Entscheidungen. Denn wo die
Argumente fehlen, aendern sich letztlich auch die Machtverhaeltnisse.
Nur weiss niemand so genau, wie schnell.
-phm