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Re: Prof. Straus als AIPPI-Lobbyist für unreformier



apfeiffer@beetz.com schreibt:

> >Wenn man einen Patentanwalt daran erinnert, dass das Patentwesen dem
> >"Fortschritt der Wissenschaft und Technik" (oder laut US-Verfassung
> >"progress of science and the useful arts") zu dienen hat und nur
> >danach zu beurteilen ist, bekommt man schon heute oft die süffisante
> >Antwort:  "Diese Frage stellt sich für die Regierungen doch gar nicht,
> >denn das ist alles längst durch internationale Verträge geregelt."
 
> Die (internationalen) Verträge und nationalen Gesetze sind im Großen
> und Ganzen so, daß die o.g.  Ziele erreicht werden.

Jedenfalls Herr Pfeiffer rechtfertigt das Patentwesen regelmäßig durch
bloßen Hinweis auf das Naturrecht auf "Eigentum".  Die Behauptung,
zigtausend offensichtlich idiotische EPA-Softwarepatente dienten im
Großen und Ganzen dem Fortschritt der Wissenschaft und Technik, ist
auch ohne die Kraft eines Glaubens an das "Geistige Eigentum" nicht
aufrechtzuerhalten.

> >Die Weltpatentbewegung gleicht somit einer weltweit verflochtenen
> >Sekte, die, unter Rückgriff auf naturrechtlich-regliösen Begriffe wie
> >"geistiges Eigentum" eine bestimmte Weltordnung festzuzurren und
> >gegen rationale Nutzenerwägungen abzusichern sucht.
 
> Der Schwanz versucht, mit dem Hund zu wackeln. Spendieren Sie doch
> bitte einige Worte, damit es mir leichter fällt zu glauben, daß die
> "Weltpatentbewegung" die Sekte sein soll, im Umkehrschluß aber wohl
> ffii der Garten, in dem der Baum der Erkenntnis steht.

Der FFII ist ziemlich unbedeutend.  Die Patentbewegung hingegen
weist viele Merkmale einer Sekte auf.  Fritz Machlup berichtete an den
US-Kongress über die Mythenbildung, die der Patentbewegung (er spricht
von "the patent faith") bis heute zugrunde liegt:

   Die Naturrechtstheorie wurde von der französischen Verfassunggebenden
   Versammlung feierlich übernommen, als sie in der Präambel zum
   Patentgesetz von 1791 verkündete, daß,
   
   »jede neue Idee, deren Verwirklichung oder Entwicklung der
   Gesellschaft nützlich werden kann, in erster Linie demjenigen gehört,
   der sie konzipiert hat und daß es eine Verletzung des Wesens der
   Menschenrechte darstellte, wenn eine gewerbliche Erfindung nicht als
   Eigentum ihres Schöpfers anerkannt würde.«
   
   Diese Auffassung der französischen Juristen, wonach eine Idee ebenso
   Gegenstand eines Eigentumsrechts sein könne wie eine körperliche
   Sache, wurde von vielen Seiten kritisiert, zurückgewiesen und
   lächerlich gemacht37). Man fragte sich, wie das Eigentum an Ideen,
   wenn es sich um ein »Naturrecht« handele, auf 14 oder 17 Jahre
   beschränkt werden könne38), anstatt es für ewige Zeiten anzuerkennen.
   Tatsächlich stritten einige Hartnäckige für ein ewiges und
   unveräußerliches Eigentumsrecht an Ideen39). Andere wiesen darauf hin,
   daß niemand eine Idee ausschließlich besitzen könne, weder für
   begrenzte noch für unbegrenzte Zeit, sobald er sie mitgeteilt hat und
   sie demzufolge mit anderen teilt40). Die logischen Elemente des
   Eigentumsbegriffs, wie er auf körperliche Gegenstände Anwendung findet
   - Inbesitznahme, Besitz, Verfügung, Aneignung, usw. - seien auf Ideen
   un-anwendbar, die sich nicht in materiellen Dingen verkörpern. Wer
   sich über den »Diebstahl« an seiner Idee beschwert
   
   »giebt etwas als entwendet an, das er noch besitzt, und er wünscht
   Etwas zurück, das ihm, tausendfältig zurückerstattet, durchaus nicht
   mehr nützt, als der einmalige bereits vorhandene Besitz.«41)
   
   Im Gegensatz zum Eigentum an Sachen bedeutet das sogenannte geistige
   Eigentum weder die Verfügbarkeit über einen Gegenstand noch über eine
   Idee, sondern vielmehr die Beherrschung des Marktes für die
   Gegenstände, in denen sich die Idee verkörpert42). Ein körperlicher
   Gegenstand gehört jemandem, der bestimmen kann, wie er zu benutzen
   ist; es wäre notwendig, ihn seinem Besitzer wegzunehmen, ehe ein
   anderer ihn benutzen kann. Im Gegensatz dazu kann eine Idee einer
   unbeschränkten Anzahl von Personen gehören und ihre Benutzung durch
   einige verhindert nicht ihre Verwendung durch andere43). Es ist
   interessant, daß einige französische Juristen zugaben, daß sie es
   hauptsächlich aus Gründen der Propaganda vorzogen, von »natürlichen
   Eigentumsrechten« zu sprechen, besonders deswegen,weil einige der
   sonst zur Verfügung stehenden Ausdrücke, wie »Monopolrecht« oder
   »Privileg«, gar so unbeliebt waren44).

Sekten brauchen zu ihrer Grundlegung eine Kombination aus beflügelndem
Mythos und anfeuernder materieller Gier.  Beides ist bei der
Patentbewegung vorhanden.  Das vernebelt aber natürlich die
Urteilskraft.  Besonders nach ein paar motivierenden Festpredigten in
Melbourne oder Wien kommt es dann leicht zu Resolutionen einer
Qualität, wie man sie von manchen Opfern der Gehirnwäsche
typischerweise kennt.  Indoktrinierten Sektenanhängern scheint die
Seele abhanden zu kommen, weshalb sie auch gewohnheitsmäßig lügen ohne
mit der Wimper zu zucken und keinerlei Mitgefühl mit der Welt kennen,
wenn der Glaubenskanon der eigenen Gemeinde dies erfordert.

> Weltweit alle täuschen sich, nur der ffii hat recht ... ist das
> wirklich plausibel? M. E. ist es genau andersherum: Wenn man denn
> den Begriff "Sekte" partout jemandem an den Kittel heften will, dann
> paßt er am besten an den des ffii. Wohlgemerkt: Der ffii kann nicht
> für die gesamte Softwareindustrie reden. Die Mehrzahl auch der
> Softwareler stehen den ffii-Thesen ablehnend gegenüber, von der
> restlichen Industrie ganz zu schweigen.
 
Es geht hier nicht um irgendwelche FFII-Thesen sondern um einen weit
verbreiteten Konsens innerhalb der Softwarebranche.  Nach einer
Umfrage von 1998 halten 84% der Entwickler in großen amerikanischen
Softwarefirmen die Patentierbarkeit von Software für eine schlechte
Idee.  Die Eurolinux-Petition wird von ca 250 Firmen und 75000
Unterzeichnern unterstützt.  Belege für Ihre These von einem
gegenteiligen Konsens hingegen kann ich noch nicht finden.  Dass Sie
diese These aufstellen, überrascht mich jedoch nicht.

Andererseits hängt die Qualität einer Aussage nicht von der Zahl ihrer
Unterstützer ab.  Das Problem der Patentsektierer ist ja gerade, dass
sie dank ihrer großen Zahl die Bodenhaftung verlieren.  Der FFII ist
einfach noch nicht groß genug, um zur Sekte mutieren zu können.

-phm