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Projektbeschreibung zur Fraunhofer-Swpat-Studie
- To: swpat@ffii.org
- Subject: Projektbeschreibung zur Fraunhofer-Swpat-Studie
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Wed, 16 May 2001 15:07:15 +0200 (CEST)
- Cc: Knuth Blind <kb@isi.fhg.de>, Jakob Edler <je@isi.fhg.de>, debate@fitug.de, liste@oekonux.de
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Unter
http://www.isi.fhg.de/ti/Projektbeschreibungen/softwarepatente.htm
findet sich die Projektbeschreibung der vom BMWi an die Bietergemeinschaft
Fraunhofer ISI + Fraunhofer Patentstelle + MPI für Internationales Patent-,
Urheber- und Wettbewerbsrecht vergeben wurde.
In ihrer Wortwahl und Gedankenführung ähnelt diese Projektbeschreibung dem
Aufruf der Generaldirektion Binnenmarkt der EU zur Konsultation über
Softwarepatente.
Sie hält sich eng an die Sprachregelungen der Patentbewegung, stellt deren
Standpunkte ausführlich dar und erwähnt Gegenpositionen nur knapp:
Software-Patente
Im Oktober 2000 hat die Europäische Kommission eine Sondierung zur
Patentierbarkeit von software-bezogener Erfindungen eingeleitet.
Gegenwärtig beraten die Mitgliedstaaten des Europäischen
Patentübereinkommens beim Europäischen Patentamt darüber, ob die
diesbezüglichen Einschränkung für die Patentierung aus dem
Patentübereinkommen gestrichen werden soll. Hintergrund dieser
Diskussionen ist die Befürchtung, dass das Fehlen EU-weit
einheitlicher Rechtsvorschriften die Wettbewerbsfähigkeit und das
Wirtschaftswachstum der Europäischen Union hemmen könnte.
Hier erweckt ISI den Eindruck, es gäbe unabhängig von den rechtspolitischen
Überlegungen der Brüsseler Patentjuristen wirtschaftspolitische Gründe,
Softwarepatente anzuerkennen. Ferner wird der Eindruck erweckt, die
Rechtsvorschriften seien innerhalb der EU uneinheitlich.
Beide Eindrücke werden nicht belegt und sind falsch.
Die Kontroverse entzündet sich daran, dass zum Teil die Auffassung
vertreten wird, Patente für Computersoftware könnten ähnlich wie in
anderen Technologiefeldern Innovationen fördern, da sie den jeweiligen
Eigentümern einen angemessenen Schutz bieten können, so dass größere
Anreize für weitere Investitionen in die Entwicklung leistungsfähiger
Software entstehen. Die Gegenposition, die vor allem aus der
Open-Source-Szene heraus formuliert wird, beruft sich darauf, dass
Patente den fairen Wettbewerb durch eine leichtere Monopolbildung
untergraben und gerade dadurch Innovationen verhindern könnten.
Zunächst wird unterstellt, Software sei ein Technologiefeld.
Damit wird der Unterschied zwischen Technik (angewandte Naturwissenschaften)
und Logik (Organisations- und Rechenregeln) von vorneherein verwischt und
die Anwendbarkeit von Art 27 TRIPS ("any field of technology") auf Software
präjudiziert.
Zweitens wird unterstellt, Innovationen hätten "Eigentümer" und es gehe nur
nun darum, dieser naturrechtlichen Tatsache angemessen Rechnung zu tragen.
Dies stützt die verbreitete aber irrige Vorstellung, "geistiges Eigentum"
müsse laut GG geschützt werden.
Drittens wird hier ein falsches Klischee kultiviert, wonach die Front zwischen
Anhängern und Gegnern der Softwarepatentierung zwischen proprietärer und
freier Software verläuft.
Schließlich werden die Argumente der Softwarepatentgegner auf eine wenig
überzeugende Formel verkürzt, die gegen alle Patente vorgebracht werden kann
und in der die Besonderheit der Informationsgüter nicht zum Vorschein kommt.
Unabhängig von den Positionen der Grundsatzdebatte ist die
gegenwärtige Rechtslage unbefriedigend, weil es an Klarheit und
Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Patentierung software-basierter
Erfindungen mangelt. "Programme für Datenverarbeitungsanlagen", also
Computerprogramme sind als solche, d.h. losgelöst von ihrer
technischen Basis, keine patentfähigen Erfindungen. Jedoch haben
sowohl die nationalen Patentämter in Europa als auch das Europäische
Patentamt Patente für technische Erfindungen erteilt, bei denen ein
Computerprogramm verwendet wird. In den Vereinigten Staaten ist
Softwarepatentierung leichter möglich. Es existiert sogar eine eigene
Patentklasse für Softwaregestützte Geschäftsmodelle, die seit Mitte
der neunziger Jahre einen starken Anstieg an Patenterteilungen
erfahren hat, wobei die Patenterteilungen an europäische Firmen sich
nicht über ein unbedeutendes Niveau hinaus entwickelt haben.
Mit dem Wort "software-basierte Erfindungen" wird wiederum präjudiziert, dass
es bei der Debatte um Erfindungen im Sinne des Patentrechts gehe. Genau dies
bestreiten die Swpat-Kritiker, s.
Eurolinux-Vorschlag einer Präzisierung von Art 52 EPÜ
http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/
Die Behauptung, "als solche" bedeute "losgelöst von der technischen Basis",
entspricht zwar einem inzwischen weit verbreiteten Patentjuristenkonsens, ist
aber keineswegs naheliegend oder zwingend. Insbesondere angesichts der
Uneinigkeit über die Bedeutung des Wortes "Technik" führt eine solche
Interpretation zu Widersprüchen. Die Deutung in unserem Präzisierungsvorschlag
scheint einfacher und überzeugender.
Das Europäische Patentamt hat, wie wir wissen, keineswegs nur Patente auf
"technische Erfindungen, bei denen ein Computerprogramm verwendet wird"
erteilt. Unter
http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/
findet man sehr viele Beispiele für Patente auf Innovationen im Bereich der
Programm- und Geschäftslogik, die selbst bei einem sehr lockeren
Technikbegriff kaum noch als "technische Erfindungen" bezeichnet werden
können. Manchmal handelt es sich sogar um explizite programmiersprachliche
Konstrukte.
Diese EPA-Praxis ist seit ein paar Jahren zur Routine geworden, und es ist in
den USA durchaus nicht leichter, Patente auf solche Gegenstände zu erhalten.
Wie PA Betten in
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bettenresch9901/
seinen Mandanten richtig erklärt, gibt es allenfalls noch ein paar feine
Unterschiede in der Anspruchsformulierung.
Führende Rechtsdogmatiker des EPA haben den Technikbegriff aufgegeben bzw so
umgedeutet, dass er mit der amerikanischen Rechtsdoktrin identisch ist, s. im
Detail
Mark Schar 1998: What is Technical?
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/jwip-schar98/
Beim EPA mag keine Klasse für softwaregestützte Geschäftsmodelle existieren,
aber die entsprechenden Patente werden gewährt und müssen nach der neuen
Doktrin auch gewährt werden.
Die europäischen Firmen sind bei der Patentierung entsprechender Gegenstände
nicht nur in den USA sondern auch beim EPA im Hintertreffen. Laut Angaben von
Dr. Hagedorn (SAP Patentabteilung) machen europäische Anmeldungen nur 15% aus.
Hier wird wiederum suggeriert, der Mangel an Patentanmeldungen habe
möglicherweise etwas mit einem Mangel an Innovationen zu tun, die in Europa
wegen ungenügend klarer Patentanreize nicht zustande kommen.
Die ISI-Ausschreibung wiederholt nun noch einmal die Befürchtungen, die
Patentanwälte, Technologietransferstellen und andere Wortführer der
Patentbewegung gerne der "Software-Industrie" zuschreiben:
Vor dem Hintergrund der rechtlichen Unsicherheiten, der ökonomischen
Kontroverse und der europäischen Befürchtung, in der
Software-Industrie an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Vereinigten
Staaten zu verlieren, ist es Ziel des vorgeschlagenen
Forschungsvorhabens, die mikro- und makroökonomischen Implikationen
der Patentierung von Software zu analysieren und Empfehlungen für
zukünftige wirtschafts- und rechtspolitische Initiativen der
Bundesregierung im Bereich der Software-Innovationen zu formulieren.
Eigentlich wäre es besser, wenn die Bundesregierung gezielt ein paar Fragen
beantworten ließe und sich die Schlussfolgerungen für das politische Handeln
selber vorbehalten und selber dazu stehen würde. Handlungsempfehlungen wirken
korrumpierend auf beide Seiten. Die einen wähnen sich als Politiker, die
anderen entledigen sich ihrer Verantwortung. Eine Schwäche der
Lutterbeck/Horns/Gehring-Studie
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bmwi-luhoge00/
lag darin, dass die Autoren sich zu sehr in der Rolle des Regierungs-Ratgebers
sahen.
Eine empirische Erhebung unter Softwareunternehmen kann zwar interessante
Ergebnisse zutage fördern. Aber im allgemeinen muss man davon ausgehen, dass
die meisten Leute in Unternehmen wenig Zeit haben, um sich zu Themen außerhalb
ihres Tagesgeschäfts ernsthaft Gedanken zu machen, geschweige denn diese
Gedanken zwischen verschiedenen Abteilungen innerhalb ihres Unternehmens
abzustimmen. Aber selbst wenn die Unternehmen sich recht ausgereifte
Meinungen gebildet hätten, ließen sich daraus allein nur mit äußerster
Vorsicht Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten.
Die Sprache der Wissenschaft ist eine andere als die Sprache der Macht.
Leider ist die Rechtswissenschaft häufig von Machtaspekten kontaminiert. Aber
irgendwann muss man sich davon trennen. Es wäre für die
ISI-Projektbeschreibung durchaus nicht unangemessen gewesen, auf die
verbreitete Kritik an der EPA-Unlogik hinzuweisen, wie sie etwa unter
http://swpat.ffii.org/stidi/korcu/
ausführlich beschrieben und aufgelistet wird, statt selber deren
machtverdorbene Begrifflichkeiten zu verwenden.
Es wäre besser, sich auf bescheidenere Fragen zu konzentrieren. Einige der
entscheidenden Fragen, die durch Studien zu beantworten wären, haben wir unter
http://swpat.ffii.org/stidi/
zu formulieren versucht.
Im Mai 2000 hat das [16]Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie bereits einen ersten Workhop dazu veranstaltet.
Empirischer Kern der Studie ist eine bislang einmalige Primärerhebung
in Deutschland und im europäischen Ausland. Zielgruppe sind
Unternehmen im Sektor Softwareentwicklung bzw. Unternehmen des
verarbeitenden Gewerbes, die eigene Softwareentwicklung betreiben
sowie sonstige Softwareentwickler.
Status:
Laufendes Projekt
Auftraggeber:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Partner:
[17]Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales
Patent-, Urheber und Wettbewerbsrecht;
Die Stellungnahme des MPI zur Swpat-Frage findet sich unter
http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/indprop/planck.pdf
Sie liegt auf einer Linie mit dem oben zitierten EPA-Richter Mark Schar sowie
mit der Forderung des EPA-Basisvorschlages, die Patentierbarkeitsausschlüsse
um der Konsistenz willen ausnahmslos zu streichen.
Fraunhofer Patentstelle für die Deutsche Forschung
Bei allen drei Stellen handelt es sich um langjährige Wortführer der
Patentbewegung
http://swpat.ffii.org/stidi/lijda/
in Deutschland.
Die jetzige ISI-Projektbeschreibung bietet angesichts der Häufung tendenziöser
Suggestionen wenig Anlass zu der Hoffnung, dass es diesmal über seinen Schatten
springen könnte.
Die Ergebnisse der Studie sollen im Juli 2001 veröffentlicht werden
Fraunhofer ISI
Trotz allem gespannt.
--
Hartmut Pilch http://phm.ffii.org/
Pflege statt Plünderung der Informationsallmende: http://www.ffii.org/
77800 Unterschriften gegen Logikpatente: http://petition.eurolinux.org/