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Projektbeschreibung zur Fraunhofer-Swpat-Studie



Unter

	http://www.isi.fhg.de/ti/Projektbeschreibungen/softwarepatente.htm

findet sich die Projektbeschreibung der vom BMWi an die Bietergemeinschaft
Fraunhofer ISI + Fraunhofer Patentstelle + MPI für Internationales Patent-,
Urheber- und Wettbewerbsrecht vergeben wurde.

In ihrer Wortwahl und Gedankenführung ähnelt diese Projektbeschreibung dem
Aufruf der Generaldirektion Binnenmarkt der EU zur Konsultation über
Softwarepatente.

Sie hält sich eng an die Sprachregelungen der Patentbewegung, stellt deren
Standpunkte ausführlich dar und erwähnt Gegenpositionen nur knapp:

   Software-Patente
   Im Oktober 2000 hat die Europäische Kommission eine Sondierung zur
   Patentierbarkeit von software-bezogener Erfindungen eingeleitet.
   Gegenwärtig beraten die Mitgliedstaaten des Europäischen
   Patentübereinkommens beim Europäischen Patentamt darüber, ob die
   diesbezüglichen Einschränkung für die Patentierung aus dem
   Patentübereinkommen gestrichen werden soll. Hintergrund dieser
   Diskussionen ist die Befürchtung, dass das Fehlen EU-weit
   einheitlicher Rechtsvorschriften die Wettbewerbsfähigkeit und das
   Wirtschaftswachstum der Europäischen Union hemmen könnte.

Hier erweckt ISI den Eindruck, es gäbe unabhängig von den rechtspolitischen
Überlegungen der Brüsseler Patentjuristen wirtschaftspolitische Gründe,
Softwarepatente anzuerkennen.  Ferner wird der Eindruck erweckt, die
Rechtsvorschriften seien innerhalb der EU uneinheitlich.

Beide Eindrücke werden nicht belegt und sind falsch.

   Die Kontroverse entzündet sich daran, dass zum Teil die Auffassung
   vertreten wird, Patente für Computersoftware könnten ähnlich wie in
   anderen Technologiefeldern Innovationen fördern, da sie den jeweiligen
   Eigentümern einen angemessenen Schutz bieten können, so dass größere
   Anreize für weitere Investitionen in die Entwicklung leistungsfähiger
   Software entstehen. Die Gegenposition, die vor allem aus der
   Open-Source-Szene heraus formuliert wird, beruft sich darauf, dass
   Patente den fairen Wettbewerb durch eine leichtere Monopolbildung
   untergraben und gerade dadurch Innovationen verhindern könnten.

Zunächst wird unterstellt, Software sei ein Technologiefeld.
Damit wird der Unterschied zwischen Technik (angewandte Naturwissenschaften)
und Logik (Organisations- und Rechenregeln) von vorneherein verwischt und
die Anwendbarkeit von Art 27 TRIPS ("any field of technology") auf Software
präjudiziert.

Zweitens wird unterstellt, Innovationen hätten "Eigentümer" und es gehe nur
nun darum, dieser naturrechtlichen Tatsache angemessen Rechnung zu tragen.
Dies stützt die verbreitete aber irrige Vorstellung, "geistiges Eigentum"
müsse laut GG geschützt werden.

Drittens wird hier ein falsches Klischee kultiviert, wonach die Front zwischen
Anhängern und Gegnern der Softwarepatentierung zwischen proprietärer und
freier Software verläuft.  

Schließlich werden die Argumente der Softwarepatentgegner auf eine wenig
überzeugende Formel verkürzt, die gegen alle Patente vorgebracht werden kann
und in der die Besonderheit der Informationsgüter nicht zum Vorschein kommt.

   Unabhängig von den Positionen der Grundsatzdebatte ist die
   gegenwärtige Rechtslage unbefriedigend, weil es an Klarheit und
   Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Patentierung software-basierter
   Erfindungen mangelt. "Programme für Datenverarbeitungsanlagen", also
   Computerprogramme sind als solche, d.h. losgelöst von ihrer
   technischen Basis, keine patentfähigen Erfindungen.   Jedoch haben
   sowohl die nationalen Patentämter in Europa als auch das Europäische
   Patentamt Patente für technische Erfindungen erteilt, bei denen ein
   Computerprogramm verwendet wird. In den Vereinigten Staaten ist
   Softwarepatentierung leichter möglich. Es existiert sogar eine eigene
   Patentklasse für Softwaregestützte Geschäftsmodelle, die seit Mitte
   der neunziger Jahre einen starken Anstieg an Patenterteilungen
   erfahren hat, wobei die Patenterteilungen an europäische Firmen sich
   nicht über ein unbedeutendes Niveau hinaus entwickelt haben.

Mit dem Wort "software-basierte Erfindungen" wird wiederum präjudiziert, dass
es bei der Debatte um Erfindungen im Sinne des Patentrechts gehe.  Genau dies
bestreiten die Swpat-Kritiker, s.

	   Eurolinux-Vorschlag einer Präzisierung von Art 52 EPÜ 
	   http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

Die Behauptung, "als solche" bedeute "losgelöst von der technischen Basis",
entspricht zwar einem inzwischen weit verbreiteten Patentjuristenkonsens, ist
aber keineswegs naheliegend oder zwingend.  Insbesondere angesichts der
Uneinigkeit über die Bedeutung des Wortes "Technik" führt eine solche
Interpretation zu Widersprüchen.  Die Deutung in unserem Präzisierungsvorschlag
scheint einfacher und überzeugender.

Das Europäische Patentamt hat, wie wir wissen, keineswegs nur Patente auf
"technische Erfindungen, bei denen ein Computerprogramm verwendet wird"
erteilt.  Unter 

	  http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/

findet man sehr viele Beispiele für Patente auf Innovationen im Bereich der
Programm- und Geschäftslogik, die selbst bei einem sehr lockeren
Technikbegriff kaum noch als "technische Erfindungen" bezeichnet werden
können.  Manchmal handelt es sich sogar um explizite programmiersprachliche
Konstrukte.

Diese EPA-Praxis ist seit ein paar Jahren zur Routine geworden, und es ist in
den USA durchaus nicht leichter, Patente auf solche Gegenstände zu erhalten.
Wie PA Betten in 

    http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bettenresch9901/

seinen Mandanten richtig erklärt, gibt es allenfalls noch ein paar feine
Unterschiede in der Anspruchsformulierung.

Führende Rechtsdogmatiker des EPA haben den Technikbegriff aufgegeben bzw so
umgedeutet, dass er mit der amerikanischen Rechtsdoktrin identisch ist, s. im
Detail

      Mark Schar 1998: What is Technical?
      http://swpat.ffii.org/vreji/papri/jwip-schar98/

Beim EPA mag keine Klasse für softwaregestützte Geschäftsmodelle existieren,
aber die entsprechenden Patente werden gewährt und müssen nach der neuen
Doktrin auch gewährt werden.

Die europäischen Firmen sind bei der Patentierung entsprechender Gegenstände
nicht nur in den USA sondern auch beim EPA im Hintertreffen.  Laut Angaben von
Dr. Hagedorn (SAP Patentabteilung) machen europäische Anmeldungen nur 15% aus.

Hier wird wiederum suggeriert, der Mangel an Patentanmeldungen habe
möglicherweise etwas mit einem Mangel an Innovationen zu tun, die in Europa
wegen ungenügend klarer Patentanreize nicht zustande kommen.

Die ISI-Ausschreibung wiederholt nun noch einmal die Befürchtungen, die
Patentanwälte, Technologietransferstellen und andere Wortführer der
Patentbewegung gerne der "Software-Industrie" zuschreiben:

   Vor dem Hintergrund der rechtlichen Unsicherheiten, der ökonomischen
   Kontroverse und der europäischen Befürchtung, in der
   Software-Industrie an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Vereinigten
   Staaten zu verlieren, ist es Ziel des vorgeschlagenen
   Forschungsvorhabens, die mikro- und makroökonomischen Implikationen
   der Patentierung von Software zu analysieren und Empfehlungen für
   zukünftige wirtschafts- und rechtspolitische Initiativen der
   Bundesregierung im Bereich der Software-Innovationen zu formulieren.

Eigentlich wäre es besser, wenn die Bundesregierung gezielt ein paar Fragen
beantworten ließe und sich die Schlussfolgerungen für das politische Handeln
selber vorbehalten und selber dazu stehen würde.  Handlungsempfehlungen wirken
korrumpierend auf beide Seiten.  Die einen wähnen sich als Politiker, die
anderen entledigen sich ihrer Verantwortung.  Eine Schwäche der
Lutterbeck/Horns/Gehring-Studie

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bmwi-luhoge00/

lag darin, dass die Autoren sich zu sehr in der Rolle des Regierungs-Ratgebers
sahen.

Eine empirische Erhebung unter Softwareunternehmen kann zwar interessante
Ergebnisse zutage fördern.  Aber im allgemeinen muss man davon ausgehen, dass
die meisten Leute in Unternehmen wenig Zeit haben, um sich zu Themen außerhalb
ihres Tagesgeschäfts ernsthaft Gedanken zu machen, geschweige denn diese
Gedanken zwischen verschiedenen Abteilungen innerhalb ihres Unternehmens
abzustimmen.  Aber selbst wenn die Unternehmen sich recht ausgereifte
Meinungen gebildet hätten, ließen sich daraus allein nur mit äußerster
Vorsicht Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten.

Die Sprache der Wissenschaft ist eine andere als die Sprache der Macht.
Leider ist die Rechtswissenschaft häufig von Machtaspekten kontaminiert.  Aber
irgendwann muss man sich davon trennen.  Es wäre für die
ISI-Projektbeschreibung durchaus nicht unangemessen gewesen, auf die
verbreitete Kritik an der EPA-Unlogik hinzuweisen, wie sie etwa unter

	    http://swpat.ffii.org/stidi/korcu/

ausführlich beschrieben und aufgelistet wird, statt selber deren
machtverdorbene Begrifflichkeiten zu verwenden.

Es wäre besser, sich auf bescheidenere Fragen zu konzentrieren.  Einige der
entscheidenden Fragen, die durch Studien zu beantworten wären, haben wir unter

      http://swpat.ffii.org/stidi/

zu formulieren versucht.

   Im Mai 2000 hat das [16]Bundesministerium für Wirtschaft und
   Technologie bereits einen ersten Workhop dazu veranstaltet.
   
   Empirischer Kern der Studie ist eine bislang einmalige Primärerhebung
   in Deutschland und im europäischen Ausland. Zielgruppe sind
   Unternehmen im Sektor Softwareentwicklung bzw. Unternehmen des
   verarbeitenden Gewerbes, die eigene Softwareentwicklung betreiben
   sowie sonstige Softwareentwickler.
   
   Status:
   Laufendes Projekt
   Auftraggeber:
   Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
   Partner:
   [17]Max-Planck-Institut für ausländisches und  internationales
   Patent-, Urheber und Wettbewerbsrecht; 

Die Stellungnahme des MPI zur Swpat-Frage findet sich unter

    http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/indprop/planck.pdf

Sie liegt auf einer Linie mit dem oben zitierten EPA-Richter Mark Schar sowie
mit der Forderung des EPA-Basisvorschlages, die Patentierbarkeitsausschlüsse
um der Konsistenz willen ausnahmslos zu streichen.

   Fraunhofer Patentstelle für die Deutsche Forschung 

Bei allen drei Stellen handelt es sich um langjährige Wortführer der

    Patentbewegung 
    http://swpat.ffii.org/stidi/lijda/

in Deutschland.  

Die jetzige ISI-Projektbeschreibung bietet angesichts der Häufung tendenziöser
Suggestionen wenig Anlass zu der Hoffnung, dass es diesmal über seinen Schatten
springen könnte.

   Die Ergebnisse der Studie sollen im Juli 2001 veröffentlicht werden

   Fraunhofer ISI

Trotz allem gespannt.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Pflege statt Plünderung der Informationsallmende:  http://www.ffii.org/
77800 Unterschriften gegen Logikpatente: http://petition.eurolinux.org/