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Nachruf: Wau



Im Namen von FITUG. (Auch erschienen im Spiegel-Online)

			Ein ständiger Denkanstoß

Wau war stets von Grund auf anders als die ihn umgebende Welt, da sein
freier Geist sich nicht in konforme Bahnen lenken lassen wollte. Die
Gesellschaft hat sich seinen Vorstellungen oft gebeugt, anderenfalls hat es
ihn nicht gestört. Wer Anstoß an seinen Eigenheiten nahm, den hat er nicht
weiter belästigt. Scheinbar ziellos aber doch immer zielstrebig ist Wau
seinen eigenem Weg gefolgt. Versuche, ihm zu einem gut bürgerlichen Leben zu
verhelfen, prallten lange Zeit an ihm ab. Er war noch nicht soweit, sich
fest an einen Ort zu binden.

Sein Engagement galt der Wissensvermittlung für Mitdenker: Wer ihm zuhörte
konnte stets neue Einsichten gewinnen. Seine prägnaten Merksätze wie
"Suchanfragen mit mehr als 23 Treffern sind zu allgemein" fanden über seine
unmittelbare Umgebung hinaus Eingang in die Ausbildung. Oft verblüffte er
mit abwegig erscheinendem Material, seien es Bilder von Zuses
Rechenmaschinen, Telefone mit abschließbarem Hörer und ohne Wählscheibe oder
einfach nur Dinge aus "anderen" Zeiten. Seine Arbeit mit Jugendlichen führte
ihn an dieser Stelle oft in Konflikte mit der schnellebigen
Konsumgesellschaft, deren typische Vertreter seiner Erscheinung nichts
entgegenzusetzen hatten.

Wau beherrschte die Kunst, einen stets neuen Standpunkt einzunehmen und so
Schranken niederzureißen. Voreingenommenheit und Engstirnigkeit zerschellten
an seiner Argumentation. Seine Vorträge - oft Monologe der Erinnerung -
wurden weithin geschätzt. Ein echtes Feindbild, eine persönliche Schublade
war ihm fremd. Er vertrat konsequent die Freiheit der Meinungsäußerung,
nicht nur die Meinungsfreiheit. So richtig übelnehmen konnte man ihm nie
etwas. Seine ruhige Art wirkte wie ein Ölfilm auf rauher See.

Waus privates Chaos war von Lebens- und Experimentierfreude durchtränkt.
Zahnstocherige Aldi-Gurkenkakteen in roter Grütze mit Weintrauben und Käse
gespickt sind eben nicht alltäglich. Ob er eine giftgrüne Soße kredenzte
oder ein eigenwillig zusammengebautes Telefon anschloß, stets verschwamm die
Grenze zwischen Gefahr und Spaß. Er hat es verstanden, eine kindliche
Neugierde und den dazugehörigen Spieltrieb sein ganzes Leben lang zu
bewahren.

Kurzfristige Umplanungen, selbstgewählte Verpflichtungen ließen ihm selten
die Chance, sich an einem Punkt fest zu binden. Er wählte unbewußt stets das
Neue, Unbekannte. So schlug er sichere Anstellungen aus: Sie entsprachen
nicht seinem Naturell.

Egal, was passierte, Waus bedingungsloser Glauben an die positive Natur der
Dinge übertrug sich auf seine Umgebung. "Think positive" war einer seiner
Leitsprüche. Wie oft hat er kurzfristig eine persönliche Finanzlage zu
klären verstanden? Wie oft hat er in letzter Sekunde doch noch einen
Unterschlupf gesucht? Er war sicher nicht stets und überall willkommen, aber
er hat immer einen Platz zum Leben und Schlafen gefunden.

In diesem Sommer sollte seine Wanderung ein Ende finden. Das Haus in Berlin
war bezugsfertig. Wenige Tage vor der Einzugsfeier mußte er seine Planung
ändern. Nach Wochen komatöser Bewegungslosigkeit geht sein Weg nun weiter in
Gebiete, in die ihm alle folgen müssen. Sein ruheloser Geist wird unsere
Gedanken hoffentlich noch oft aufrütteln.

"Ich bin nur ein genetisches Experiment." (Wau über Wau)
Es ist schön, solange daran teilhaben zu dürfen.