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[FYI] Lutz Donnerhacke: Nachruf auf Wau Holland - "Ein ständiger Denkanstoß"
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- Subject: [FYI] Lutz Donnerhacke: Nachruf auf Wau Holland - "Ein ständiger Denkanstoß"
- From: "Axel H Horns" <horns@ipjur.com>
- Date: Tue, 31 Jul 2001 08:56:31 +0200
[Diesmal _ausnahmsweise_ ein Volltext-Quote. --AHH]
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,147844,00.html
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SPIEGEL ONLINE - 30. Juli 2001, 19:50 URL:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,147844,00.html
Nachruf auf Wau Holland Ein ständiger Denkanstoß
Von Lutz Donnerhacke
Der Alterspräsident des Chaos Computer Clubs, Wau Holland, ist im
Alter von 49 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Ein
Nachruf.
Wau war stets von Grund auf anders als die ihn umgebende Welt, da
sein freier Geist sich nicht in konforme Bahnen lenken lassen wollte.
Die Netz-Welt hat sich seinen Vorstellungen oft gebeugt, anderenfalls
hat es ihn nicht gestört. Wer Anstoß an seinen Eigenheiten nahm, den
hat er nicht weiter belästigt. Scheinbar ziellos, aber doch immer
zielstrebig ist Wau seinen eigenem Weg gefolgt. Versuche, ihm zu
einem gutbürgerlichen Leben zu verhelfen, prallten lange Zeit an ihm
ab. Er war noch nicht so weit, sich fest an einen Ort zu binden.
Sein Engagement galt der Wissensvermittlung für Mitdenker: Wer ihm
zuhörte, konnte stets neue Einsichten gewinnen. Seine prägnanten
Merksätze wie "Suchanfragen mit mehr als 23 Treffern sind zu
allgemein" fanden über seine unmittelbare Umgebung hinaus Eingang in
die Ausbildung. Oft verblüffte er mit abwegig erscheinendem Material,
seien es Bilder von Zuses Rechenmaschinen, Telefone mit
abschließbarem Hörer und ohne Wählscheibe oder einfach nur Dinge aus
"anderen" Zeiten. Seine Arbeit mit Jugendlichen führte an dieser
Stelle oft zu Konflikten mit der schnelllebigen Konsumgesellschaft,
deren typische Vertreter ihm nichts entgegenzusetzen hatten.
Wau beherrschte die Kunst, einen stets neuen Standpunkt einzunehmen
und so Schranken niederzureißen. Voreingenommenheit und
Engstirnigkeit zerschellten an seiner Argumentation. Seine Vorträge -
oft Monologe der Erinnerung - wurden weithin geschätzt. Ein echtes
Feindbild, eine persönliche Schublade war ihm fremd. Er vertrat
konsequent die Freiheit der Meinungsäußerung, nicht nur die
Meinungsfreiheit. So richtig übel nehmen konnte man ihm nie etwas.
Seine ruhige Art wirkte wie ein Ölfilm auf rauer See.
Waus privates Chaos war von Lebens- und Experimentierfreude
durchtränkt. Zahnstocherige Aldi-Gurkenkakteen in roter Grütze mit
Weintrauben und Käse gespickt sind eben nicht alltäglich. Ob er eine
giftgrüne Soße kredenzte oder ein eigenwillig zusammengebautes
Telefon anschloss, stets verschwamm die Grenze zwischen Gefahr und
Spaß. Er hat es verstanden, sich eine kindliche Neugierde und den
dazugehörigen Spieltrieb sein ganzes Leben lang zu bewahren.
Kurzfristige Umplanungen, selbst gewählte Verpflichtungen ließen ihm
selten die Chance, sich an einem Punkt fest zu binden. Er wählte
unbewusst stets das Neue, Unbekannte. So schlug er sichere
Anstellungen aus: Sie entsprachen nicht seinem Naturell.
Egal was passierte, Waus bedingungsloser Glauben an die positive
Natur der Dinge übertrug sich auf seine Umgebung. "Think positive"
war einer seiner Leitsprüche. Wie oft hat er kurzfristig eine
persönliche Finanzlage zu klären verstanden? Wie oft hat er in
letzter Sekunde doch noch einen Unterschlupf gefunden? Er war sicher
nicht stets und überall willkommen, aber er hat immer einen Platz zum
Leben und Schlafen gefunden.
In diesem Sommer sollte seine Wanderung ein Ende finden. Das Haus in
Berlin war bezugsfertig. Wenige Tage vor der Einzugsfeier wurde seine
Planung durchkreuzt, er erlitt einen Schlaganfall. Nach Wochen
komatöser Bewegungslosigkeit geht sein Weg nun weiter in Gebiete, in
die ihm alle folgen müssen. Sein ruheloser Geist wird unsere Gedanken
hoffentlich noch oft aufrütteln.
"Ich bin nur ein genetisches Experiment." (Wau über Wau)
Es ist schön, dass wir so lange daran teilhaben durften.
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