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Wann ist es Zeit, sich zu wehren?



Telepolis schreibt[0]:

> Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der EU-Ministerrat im
> April die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
> Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der
> Informationsgesellschaft verabschiedet. Diese wird zu einer
> erheblichen Ausweitung der urheberrechtlichen Monopolrechte führen -
> auf Kosten des "free flow of information".

Also ich weiss ja nicht, wie es euch so geht, aber ich kriege langsam
echt genug.

Dass die USA ein faschistischer Polizeistaat ist, in dem die
verfassungsmaessigen Rechte der Buerger weniger wert sind als die
Gewinne der Medienkonzerne, wissen wir nicht erst seit der Verhaftung
von Skylarov. Aber jetzt ist es so sichtbar, dass ein Blinder es
sieht, und die Konsequenzen so drastisch, dass ich dieses Land nicht
mehr besuchen kann.

Dass die Gesetze in Europa hauptsaechlich durch Lobbyarbeit und
Bestechung zustandekommen, ist ja auch nicht neu. Aber langsam wird
sichtbar, in welchem Ausmass das passiert, und wie wenig die
demokratische Kontrolle ueber diesen Prozess funktioniert. Jetzt
kriegen wir ein Gesetz, dass das Recht auf Privatkopien abschafft, und
Umgehungswerkzeuge unter Strafe stellt. Toll.

Ist euch eigentlich klar, was das bedeutet? Demnaechst wird es nicht
mehr moeglich sein, private Archive aufzubauen. Das bedeutet, dass die
Geschichtsschreibung zentralisiert wird, und der Manipulation der
Geschichte Tuer und Tor geoeffnet werden. Wer 1984 gelesen hat, darf
an dieser Stelle eine Gaensehaut kriegen.

Was mir angst macht, ist die weitgehende Ignoranz gegenueber der
Gefahr des Zusammenbruchs der Demokratie. Offensichtlich sind viele
Leute der Meinung, da ja alle diese Gesetze auf demokratischem Wege
(mehr oder weniger, siehe Bestechungsskandal) zustandegekommen sind,
wird uns die Demokratie auch erhalten bleiben. Wie schnell die
Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat gehen kann, zeigen aber die
aktuellen Ereignisse in Italien, wo Journalisten willkuerlich
verhaftet und gefoltert werden, Hunderte von Demonstranten ohne
rechtliche Grundlage festgehalten werden. [1]

Und waehrenddessen deckt in Deutschland die neue Regierung die
Verbrechen der alten Regierung, werden Demonstrationsteilnehmern von
der Polizei die Radios abgenommen, den Geheimdiensten mehr Rechte zur
Bespitzelung der eigenen Buerger eingeraeumt, und die Reisefreiheit
abgeschafft.

Ich weiss, dass es vor allem fuer Wessis, die in ihrem Leben noch
keinen Wechsel des Gesellschaftssystems erlebt haben, schwierig ist,
den Verlust der Demokratie als reale Bedrohung wahrzunehmen. Tja, wir
haben damals in der DDR zwar gehofft, aber auch irgendwie nicht
geglaubt, dass sich etwas aendern wird. Dann ging ploetzlich alles
sehr schnell.

Und eins muss man den letzten Machthabern in der DDR zuerkennen: sie
haben den Anstand besessen, die Leute, die auf die Strasse gegangen
sind, nicht zu erschiessen.

Es ist an der Zeit, die Demokratie in diesem Lande, in Europa und auf
der Welt zu verteidigen, mit dem noetigen Ernst und mit den noetigen
Mitteln. Momentan koennen wir vielleicht noch etwas erreichen, indem
wir auf die Meinungsbildung und Gesetzgebung einwirken, diese Chance
sollten wir nutzen. Aber es sollte jedem klar sein, dass wir
moeglicherweise bald einen Punkt erreichen, an dem das nicht mehr
geht.

Im Grundgesetz, Artikel 20 steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke
aus". Und da steht auch: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese
Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand,
wenn andere Abhilfe nicht moeglich ist." [2]

Vielleicht ist es an der Zeit, diese Rechte in Anspruch zu nehmen.

Gruss Andreas


[0] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9123/1.html
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9161/1.html
[2] http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/Gesetze/gg.html

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