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Re: Moderation
- To: Thomas Roessler <roessler@does-not-exist.org>
- Subject: Re: Moderation
- From: Johann Bizer <bizer@elektronische-demokratie.de>
- Date: Thu, 23 Aug 2001 13:29:30 +0200
- Cc: debate@lists.fitug.de
Sehr geehrter Herr Roessler,
der von Ihnen zitierte netpol-Beitrag sind bekannt.
Diese Debatte illustriert zahlreiche dieser Argumente noch einmal ganz gut.
Vielen Dank auch für die Mühe, die Sie sich machen, Konzept und Argumente
auseinanderzunehmen.
At 12:13 23.08.01 +0200, you wrote:
>On 2001-08-23 10:22:19 +0200, Johann Bizer wrote:
>>
>>Mit einem gewissen Recht können Sie auf die Authentizität Ihrer
>>Diskussionskultur stolz sein - aber warum meinen Sie, dass sich alle
>>anderen auf diese formal und inhaltlich einlassen müssen ?
>
>Einer der Gründe, warum wir große Teile der politischen Willensbildung
>nach Berlin outsourcen, ist doch, daß der Bürger nicht einmal ansatzweise
>die Ressourcen hat, sich direkt an der politischen Willensbildung zu
>beteiligen. Insbesondere hat er häufig schlicht nicht die Zeit, sich mit
>allen möglichen Themen tiefergehend zu beschäftigen.
>
>Und er hat schon gar nicht die Zeit, an Diskussionen teilnzunehmen.
Ja, das ist ein Problem.
Auch für mich ist die Teilnahme an dieser Debatte zeitmäßig reiner Luxus.
Aber sie ist auch Beleg für die Aussage, dass man sich die Zeit nimmt, wenn
man etwas davon hat.
Genau dasselbe gilt aber auch für die Abgeordneten: Auf diesen Umstand kann
ich nur immer wieder hinweisen. Man mag das für falsch halten, aber es ist
nun mal so: Beiträge zur Sache - bspw. Gesetzgebungsverfahren - erreichen
den Abg. auch inhaltlich, weil er etwas davon hat.
Hier gibt es sogar ein sehr großes Interesse, weil mancher sich ganz gerne
auch neben der herrschenden Expertokratie ein Bild machen will. Nur setzt
dies eben auch eine gewisse Darstellungskompetenz voraus. Und - man muss
den Ansatzpunkt im Rahmen eines politischen Entscheidungsprozesses
definieren können. (hierzu soll die Themenstellung helfen).
>Wenn man nun das Netz für die politische Willensbildung nutzen möchte,
>dann sollte man die Voraussetzungen reproduzieren, die schon bisher
>erfolgreich zum Diskurs geführt haben. Dazu gehört die Asynchronität (das
>haben Sie einigermaßen geschafft - mal von den prinzipiellen Problemen von
>Webforen abgesehen, die ich andernorts erwähnte).
>
>Dazu gehören die immer gleichen, effizienten Werkzeuge.
>
>Dazu gehört aber auch und vor allem die von Ihnen in ihrer "Authentizität"
>anscheinend belächelte Diskurskultur (und damit meine ich jetzt _nicht_
>Kleinkram wie die "Moderations"-Debatte): Diese Diskurskultur ist die
>beste, die wir heute für Netzdebatten haben. Sie hat sich über mehr als 20
>Jahre entwickelt und ist den Gegebenheiten asynchroner Kommunikation
>hervorragend angepaßt.
Ich habe das mit der "Authentizität der Diskussionskultur" wirklich ernst
gemeint.
Alle Beiträge in dieser Debatte empfinde ich als authentisch.
Auch der BTag verfügt über mehrere Diskussionskulturen: Offiziell im
Bundestag in der Debatte, gegenüber den Medien, gegenüber den eigenen
Fraktionskollegen, in den Ausschüssen und Beratungen, gegenüber einzelnen
Bürgern, gegenüber Experten, gegenüber Lobbyisten etc.
>Diese Diskussionskultur gibt es natürlich nicht umsonst - sie muß erlernt
>werden.
Zustimmung.
Auf diesen Umstand versuche ich - vielleicht etwas glücklos - die ganze
Zeit hinzuweisen. Mir ist das statement, "alle anderen sollen lernen, ich
muss es nicht, ich kann es schon - zu billig". Ein solches Argument weckt
ja schon fast reflexhaft Widerspruch: Jede Diskussionskultur wächst und
entsteht mit ihren Teilnehmern - da muss man eben auch eine gewisse
Offenheit gegenüber anderen Personen und Diskussionskulturen aufbringen.
Wenn man da nur nach dem Motto "immer auf die Kacke hauen und den Deppen
Volksvertretern mal richtig den Marsch blasen" kommt, muss man sich nicht
wundern, dass niemand mehr zuhören mag.
Leider ist es nun mal so, dass man auch in der Kommunikation häufig "weite
Wege" (wie auf dem Fussballfeld) gehen muss. Manche müssen aber offenbar
erst einmal paternalistische Reflexe abarbeiten.
>>Die von Ihnen genannten Foren sind die Graswurzel der elektronischen
>>Willensbildung von unten. Das Projet e@demokratie will hierzu kein Ersatz sein.
>
>>Es verfolgt ein anderes Ziel vor dem Hintergrund eines Problems, dass die
>>von Ihnen genannten Foren nicht lösen können - nämlich den Link zwischen
>>verschiedenen Diskussionskulturen.
>
>Diesen Link wird man kaum dadurch herstellen können, daß man eine neue
>Diskussionskultur zu schaffen versucht, die irgendein schlecht
>funktionierendes Hybrid zwischen der bestehenden Netzkultur und den
>Konsultationsprozessen im Bundestag ist.
>
>Man könnte auch sagen: Versuchen Sie lieber nicht, das Rad viereckig neu
>zu erfinden. Es sind schon andere daran gescheitert.
Vielen Dank für den sympathischen Hinweis.
Ich bilanziere mal:
"Die Abgeordneten sollen zu uns ins Forum kommen, denn wir sind das Volk"
ABER: Die Abgeordneten kommen nicht (aus welchen Gründen auch immer)
Was also machen?
Option1: Wir machen ein Webforum beim BTag mit einem Moderator als
Vermittler und Themen, die einen Link zur BT-Arbeit bieten sollen.
(natürlich technisch viel besser als das laufende)
Option 2: Wir machen eine Mailinglist beim BTag mit einem Moderator als
Vermittler, das wir im WWW archivieren. (Tenor aus dieser Liste)
Option 3: Wir bieten 1 und 2 an.
In allen drei Fällen ist das Kernproblem die Vermittlung der Diskussion:
* Sie hängt von der Qualität der Beiträge der Teilnehmer ab
Voraussetzung: Gewinne für die MdB, wenn Orientierug an der Arbeit des BTages.
Meine Bewertung: Dieser Aspekt wird von den meisten in dieser Debatte
unterschätzt.
* Sie hängt von der Qualität der Beiträge der MdB ab
Voraussetzung: Gewinne für die Teilnehmer, wenn Rezeption der jeweiligen
Problemlage durch die MdB
Meine Bewertung: Dies bedeutet für die MdB bzw. ihre Mitarbeiter
zusätzliche Arbeit .
* Sie hängt von der Qualität der Moderation ab (dito)
Voraussetzung: Sprach und Fachkompetenz des Moderators
Meine Bewertung: Enthaltung
Generelll gilt: Ohne vernünftige Technik auch kein Erfolg des Forums
(Die Botschaft ist natürlich angekommen)
Die vielfältige Kritik im Forum, per Email an mich oder in dieser Liste,
hat unseren eigenen Einwänden einen gewissen Rückenwind verliehen. Vielen
Dank auch.
Die Kritik an der Technik führte bereits zu einigen internen Diskussionen.
Welche Konsequenzen sie haben wird, überblicke ich im Moment aber noch
nicht. Projekte dieser Art mit mehreren Partnern und Auftraggebern mit
komplexen Organisationsstrukturen brauchen einfach unglaublich viel Zeit
für die interne Kommunikation. Das soll keine Entschuldigung sein, aber
eine Erläuterung für diejenigen, die in vergleichbaren Strukturen noch
nicht gearbeitet haben.
Meine persönliche Einschätzung ist, dass man nicht die ganze Zeit auf dem
Stadium des Piloten hängenbleiben kann. Dieses Argument wird mit der Zeit
eine gewisse Eigendynamik entwickeln - hoffe ich jedenfalls. Nur als
Fussnote: Hätte man nicht als Pilot angefangen, wäre das Projekt immer noch
nicht gestartet und wir könnten nicht öffentlich darüber diskutieren.
Insofern ist mir als Moderator der unvollkommene Pilot zu Beginn lieber als
keiner. Insofern gebührt aus meiner Sicht, den Abg. die das Projekt
schließlich im Konsens zum Start verholfen haben, ein großer Dank.
Johann Bizer (Moderator www.elektronische-demokratie.de)