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Re: Kontrollverlust



Patrick Goltzsch meinte am 26.11.01 im Brett /ML/FITUG
zum Thema "Re: Kontrollverlust":

> Das meine ich nicht mit Asymmetrie. Wenn Du den Vergleich
> zum Fernsehen haben möchtest, stell Dir vor, dass jeder
> Zuschauer nur einen Bildpunkt sehen kann. Unter dieser
> Voraussetzung wüßtest du nicht, was Dein Nachbar sieht, noch
> gäbe es irgend jemanden, der wüßte, welcher Film läuft.

Die Wahrnehmung eines isolierten Bildpunktes auf dem Fernsehbildschirm  
macht i.d.R. keinen Sinn. Der Sinn ergibt sich erst aus der  
Aneinanderreihung von Bildpunkten zu einem Bild, und einer in der Zeit  
wechselnden Bildfolge. Schon deshalb muss ich Dir zustimmen, dass man bei  
einem Bildpunkt nicht erkennen kann, welcher Film läuft. Vielleicht macht  
aber einfach nur Dein Vergleich keinen Sinn, ich kann jedenfalls keinen  
entnehmen. Vermutlich liegt es daran, dass in dieser Perspektive der Blick  
zu eingeengt, zu detailliert ist. Da kann man nichts mehr erkennen. Wie  
wäre es, einen Schritt zurückzutreten und stattdessen die konkreten  
Nutzungen zu betrachten?

Also: Nutzer A rippt 'ne CD und stellt die MP3-Dateien in einem lokalen  
Verzeichnis seiner Festplatte zum Download über das P2P-Netz zur  
Verfügung. Man könnte allgemeiner formulieren: er veröffentlicht Dateien  
auf einem Server, d.h. er macht sie einer unbestimmten Anzahl von anderen  
Nutzern zugänglich. Auf diese Dateien greifen dann andere Nutzer - Clients  
- zu, vermittelt über ein flexibles Netzwerk von anderen Servern/Routern.

Worin soll eigentlich der Unterschied zu Abrufdiensten wie etwa dem WWW  
bestehen? Ich nehme mal an: nur in der Flüchtigkeit der Angebote. Diese  
ist beim WWW im Prinzip ja auch möglich; wenngleich man beim WWW meistens  
noch das statische Modell der WWW-Seite mit einer universellen Adresse im  
Kopf hat. Dennoch kann auch bei dynamischen Inhalten Öffentlichkeit  
entstehen, es kommt nur darauf an, ob und wieviele Nutzer den gleichen  
Inhalt rezipieren. Je kürzer die Rezeptions- (bzw. Download-) Möglichkeit  
besteht, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine breite  
Öffentlichkeit entsteht. Die Beschleunigungsproblematik ändert aber nichts  
an der prinzipiellen Einordnung als "öffentlich".

Wenn ich das Prinzip richtig verstanden habe, gibt es übrigens auch bei  
P2P-Netzen Mittler. Das Kopieren der Dateien läuft nicht über eine  
Direktverbindung zwischen den Clients, sondern über Zwischenstationen,  
andere P2P-Clients. Letztere sind dann aber nicht mehr nur Clients,  
sondern sie nehmen zugleich die Rolle von Mittlern ein. Derjenige, der  
sich also in ein P2P-Netz einklinkt, ist aufgrund der Wahrnehmung beider  
Funktionen rechtlich sowohl als Inhalte- als auch als Zugangsanbieter  
einzustufen. Inhalteanbieter deshalb, weil er eigene Inhalte Dritten  
anbietet, und Zugangsanbieter deshalb, weil der beim Zugang zur Nutzung  
anderer Inhalte zwischen Dritten vermittelt.

Ein Beharren auf der Position "das ist aber alles privat" scheint mir  
nicht erfolgversprechend. Es ist genauso naiv wie die Behauptung, es  
handele sich bei der Homepage um eine "private" und man habe ja nicht  
wissen können, dass man da nicht urheberrechtlich geschütztes Material  
anbieten darf. Die Nutzer werden u.U. schmerzhaft lernen müssen, dass auch  
ihr Handeln in den privaten Räumen, d.h. die Interaktionen über den PC, in  
einer öffentlichen Sphäre stattfindet und dass sich andere dadurch auch  
auf die Füsse getreten fühlen.


Gruß,
Mario

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