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Re: Massverhaeltnisse des Politischen



At 10:36 05.02.02 +0100, Holger Koepke wrote:
>On Tue, 5 Feb 2002 10:03:27 +0100 (CET), Heiko Recktenwald
><uzs106@ibm.rhrz.uni-bonn.de> wrote:
>
> >> Du waerst also auch im Grunde der Ansicht, man solle Bagatelldelikte
> >> pauschal legalisieren - gibt ja genuegend Schlimmeres. So lasset uns
> >> denn alle die Supermaerkte ausrauben, solange wir nicht die Kassiererin
> >> dabei umnieten (das waere schlimm). Seltsame Rechtsauffassung, die
> >> "Harmloses" und "Schlimmes" gegeneinander aufrechnet.
> >
> >Was der RP gemacht hat war ueberhaupt nichts.
>
>Noetigung, Rechtsbeugung, Verstoss gegen Datenschutz etc  durch eine
>REGIERUNGSBEHGOERDE sind nichts?

Das wird doch eben bestritten; die Tatbestände sind schlicht nicht erfüllt. Bei
dieser Diskussion werden zwei völlig verschiedene Themen vermischt. Zum einen
die Frage, ob das Verhalten des RP juristisch zu beanstanden ist, zum anderen,
ob dieses Verhalten sinnvoll, vernünftig, was weiss ich ... ist. Eng damit 
verbunden
ist die Frage, ob die Straftatbestände der Leugnung des Holocaust etc. unter
den derzeitigen Prämissen noch aufrecht erhalten werden können.

Um es vorweg zu nehmen: Ich halte das Verhalten Büssows für völlig 
überzogen und
habe dies auch in einer Pressemitteilung deutlich gemacht. Vgl.
http://www.isoc.de/presse/

Die geltende Rechtslage unterscheidet sich nunmal von dem, was man 
umgangssprachlich
darunter versteht. Das heisst nicht, das alle Vorwürfe per se unbegründet sind.
Insbesondere das Abfangen des E-Mail Verkehrs finde ich nicht 
unproblematisch ...
Trotzdem kann man sich ja über ein paar Punkte unterhalten:

1. Zensur:

Das BVerfG (E 33, 52/71) versteht unter dem Zensurverbot nur die
Vorzensur, also ein Verfahren, vor dessen Abschluss ein Werk nicht
veröffentlicht werden darf. Die "Nachzensur" kann über die Schranke in
Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden, also durch allgemeine Gesetze
zu denen auch die Strafgesetze gehören.

2. Art. 5 GG:

Auch die Informationsfreiheit wird nicht Schrankenlos gewährt. BVerfGE 30,
336/347 führt aus, dass der Jugendschutz Regelungen gestattet, die zur Abwehr
der Jugend drohenden Gefahren dienen, wie sie vor allem von Medienprodukten 
ausgehen
können, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Hass auf andere
Menschen provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob
schamverletzender Weise darstellen.

3. Nötigung

Eine Drohung mit einem Bußgeld für den Fall einer Zuwiderhandlung ist schlicht
nicht rechtswidrig. Das ist blanker Unsinn. Egal ob man das TDG, den MDStV oder
allgemeine Haftungsnormen anwendet, der Provider ist bei positiver Kenntnis von
rechtswidrigen Inhalten zur Sperrung der Nutzung verpflichtet; dies gilt
verschuldensunabhängig. Selbst wenn man § 18 MDStV für nicht anwendbar hält,
liegt in diesem Fall ein Verstoß gegen das nordrhein-westphälische Ordnungs-
behördengesetz vor, was auch zu Bußgeldern führt.

Wer meint, er sei aber im Recht, kann die Verfügung anfechten und den 
Verwaltungs-
rechtsweg bestreiten.

4. Datenmanipulation

Hier verstehe ich Alvar's Konstruktion nicht. Soweit ich das sehe, haben die
Provider doch nur ihre eigenen Nameserver manipuliert und nicht fremde, oder?
Dies begründet aber keine Strafbarkeit, sondern höchstens eine zivilrechtliche
Schlechtleistung im Verhältnis Provider - Kunde (der u.U. Anspruch auf 100%
Internet hat).

Mir scheint auf den ersten Blick lediglich das Abfangen (und lesen) von 
nicht an
einen selbst bestimmte E-Mails problematisch.

so long,

Henning


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