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Re: [FYI] Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten
- To: Tim Schlotfeldt <ml4@tfly.toppoint.de>
- Subject: Re: [FYI] Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten
- From: Peter Ross <peter.ross@alumni.tu-berlin.de>
- Date: Mon, 6 May 2002 09:51:50 +0200 (CEST)
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Hallo Tim,
das
> Abreagieren an Sandsäcken, Joysticks ..
ist nicht das Gleiche wie der von Dir beschriebene Fernsehkonsum.
Fernsehen ermöglicht keine Reaktion inerhalb des Mediums - die findet dann
"in der Realität" statt (sogar der screen shot auf den Fernseher;)
Gruß
Peter
On Mon, 6 May 2002, Tim Schlotfeldt wrote:
> Joerg-Olaf Schaefers wrote:
>
> > Tuesday, April 30, 2002, 10:26:55 AM, Peter wrote:
> >
> >> Hi Liste,
> >
> >> gibt es nicht auch den Aspekt, daß Gewalt durch Abreagieren an Sandsäcken,
> >> Joysticks... abgeleitet wird, bevor sie, durch eine restriktive Umgebung
> >> aufgestaut, sich viel gefährlicher "in der Realität" entlädt?
> >
> > Sicher, das gilt auch als Normalfall.
>
> Nein, dass gilt nur für Freudianer. Nach Freud gibt es den
> Katharsiseffekt. Allerdings konnte dieser Effekt nicht festgestellt
> werden, sondern eher das /Gegenteil/.
>
>
> > Gleichwohl ist man sich in der
> > Mediennutzungsforschung nicht einig, wie gross der Einfluss von Ge-
> > waltkonsum wirklich ist. Konsens besteht eigentlich nur in einem
> > Punkt, bei entsprechend veranlagten Menschen kann Gewaltkonsum wie
> > ein Katalysator wirken - was eigentlich eine Nullaussage ist. Das
> > entsprechend veranlagte Menschen sich in ihrer Freizeit mit Dingen
> > beschaeftigen, deren Gewaltlevel ueber dem Durchschnitt liegt, ist
> > eine weitere Binsenweisheit. Interessant ist hier allenfalls der
> > Umkehrschluss, der ist so ohne weiteres naemlich nicht moeglich.
> >
> > Ob Gewaltkonsum generell auch als Ursache von Gewalttaten herhal-
> > ten kann, ist heftig umstritten. Sicher, es gibt einige Studien,
> > mit denen man es zu belegen versucht. Allerdings gibts es auch
> > viele, die genau das Gegenteil aussagen.
>
>
> ,----
> | "Liebert und Baron[1] ließen eine Gruppe von Kindern eine Folge
> | der [für damalige Verhältnisse -ts] extrem gewalttätigen
> | Krimiserie "Die Unbestechlichen" sehen. in einer
> | Kontrollbedingung sahen vergleichbare Kinder ein ebenso
> | langes, extrem actionreiches Sportereignis. Anschließend ließ
> | man die Kinder in einem anderen Raum mit einer weiteren Gruppe
> | Kinder spielen. Kinder, die die gewalttätige Krimiserie
> | gesehen hatten, verhielten sich den anderen Kindern gegenüber
> | sehr viel aggressiver als Kinder, die die Sportveranstaltung
> | gesehen hatten.
> |
> | Ross Parke und seine Kollegen[2] konnten diese Ergebnisse in
> | einer natürlichen Umgebung bestätigen. Sie zeigten den Jungen
> | in einigen Häusern von Jugenstrafanstalten in den USA und in
> | Belgien gewalttätige Filme, un den Jungen in andern Häusern
> | dieser Einrichtungen gewaltlose Filme. Sowohl während als auch
> | nach der Filmwoche verhielten sich die Jungen, die die
> | aggressiven Filme sahen, den anderen Jungen gegenüber
> | körperlich und verbal aggressiver. Weiter Studien zeigten,
> | dass dieser Effekt schon durch das Anschauen eines /einzigen/
> | Films enstehen kann und dass die Aggressionssteigerung bei
> | denjemigen Jungen am ausgeprägesten war, die ursprünglich
> | /geringe/ Aggressivität gezeigt hatten. Leonar Eron und
> | Rowell Huesemann[3] stellten in einer Längsschnittuntersuchung
> | bei achtjährigen Jungen eine hohe Korrelation zwischen dem
> | Fernsehkonsum von Gewalt und eigenem aggressiven Verhalten
> | fest. Etwa elf Jahre später führten sie mit 211 dieser Jungen
> | eine Nachuntersuchung durch. Die Neunzehnjährigen, die im
> | Alter von acht Jahren viel Gewalt im Fernsehen gesehen hatten,
> | waren aggressiver als diejenigen, die dies nicht getan hatten.
> | Außerdem wurde ziemlich deutlich, dass Fernsehen aggressiv
> | macht (und nicht umgekehrt), da die Neunzehnjährigen, die im
> | Alter von acht Jahren viele gewalttätige Sendungen gesehen
> | hatten, sich jetzt nicht unbedingt viel Gewalt im Fernsehen
> | anahen. Kurzum, Gewaltdarstellungen im Fernsehen im Alter von
> | acht Jahren anzuschauen erwies sich als ein Prädiktor für
> | späteres aggressives Verhalten, während aggressives Verhalten
> | im Alter von acht Jahren kein Prädiktor für spätern Konsum von
> | gewalttätigen Sendungen war. Neuere Längsschnittuntersuchungen
> | haben diesen Zusammenhang sowohl in den Vereinigten Staaten
> | als auch in Finnland nachgwiesen.
> |
> | [...]
> |
> | In ähnlicher Weise haben Margaret Hanratty Thomas und ihre
> | Kollegen[4] gezeigt, dass Gewalt im Fernsehen nachfolgend die
> | Reaktionen von Menschen abstumpft, wenn sie im wirklichen
> | Leben mit Agressionen konfrontiert sind. Thomas ließ eine Reihe
> | von Kinder entweder einen gewalttätigen Krimi oder aber ein
> | aufrgendes (aber gewaltloses) Volleyballspiel ansehen. Nach
> | einer kurzen Pause beobachteten die Kinder eine verbal und
> | physisch aggressive Interaktion zwischen zwei
> | Vorschulkindern. Die Kinder, die den Krimi gesehen hatten,
> | reagierten weniger emotional als die Kinder, die das
> | Volleyballspiel gesehen hatten. Die anfängliche Beobachtung
> | von Gewalt /desensibilisiert/ also die Kinder für weitere
> | gewalttätige Handlungen -- sie regten sich nicht mehr über
> | einen Vorfall auf, der sie eigentlich hätte aufregen müssen.
> | Eine solche Reaktion mag uns zwar psychologisch vor den
> | schädlichen Auswirkungen wiederholter Gewalterfahrung
> | schützen, doch sie verhärtet auch unsere Gefühle gegenüber den
> | Opfern von Gewalt, und sie macht es uns vielleicht auch
> | einfacher, selbst gewalttätig zu werden.
> |
> | [...]
> |
> | Phillips untersuchte beispielsweise in einer Studie[5], welche
> | Auswirkungen eine spezielle Art von Gewalt in den Medien, die
> | Ausstrahlung von Profi-Boxkämpfen, auf gewalttätiges Verhalten
> | hat. Er entschied sich gerade deshalb für solche Boxkämpfe,
> | weil es sich hier um eine echte, interessante und weithin
> | akzeptierte und belohnte Form von Gewalt handelt. Zudem werden
> | die Akteure dieser Sportveranstaltung so dargestellt, als
> | wollten sie ihr Opfer verletzen.
> |
> | Die Ergebnisse von Phillips Untersuchung sind ernüchternd. in
> | den Tagen nach der Ausstrahlung eines Schwergewichts-Boxkampfes
> | verzeichnete man in den USA einen Anstieg an Mordfällen, und
> | zwar sowohl, wenn der Kampf in den USA selbst ausgetragen
> | wurde, als /auch/, wenn er in Übersee stattfand, so wie der
> | weithin übertragene Kampf zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier
> | ("the Thrilla in Manila"). Überraschender ist, dass die
> | Rassenzugehörigkeit der "Verlierer" in diesen Profi-Kämpfen mit
> | der Rassenzugehörigkeit der Mordopfer nach den Boxkämpfen
> | korrespndierte: Nachdem weiße Boxer einen Kampf verloren
> | hatten, nahmen die Morde an weißen, aber nicht an schwarzen
> | Männern zu. Wenn dagegen schwarze Boxer einen Kampf verloren
> | hatten, nahmen die Morde an schwarzen, aber nicht an weißen
> | Männern zu."
> |
> |
> |
> | [1] Liebert, R. & Baron, R.: Some immediate effects of televised
> | violence on children's behavior. In: Developmental Psychology
> | 6(1972).
> |
> | [2] Park, R. et. al: Some effects of violent and nonviolent movies
> | on the behavior of juvenile delinquents. In: Berkowitz, L.
> | (Hg.): Advances in experimental social psychology. New York
> | (Academic Press) 1977.
> |
> | [3] Eron, L. & Huesmann, R.: Adolescent aggression and television.
> | In: Annals of the New York Academy of Science 347 (1980).
> |
> | [4] Thomas, M.H. et al: Desensitization to portayals of real-life
> | aggression as a function of exposure to television violence.
> | In: Journal of Personality and Socail Psychology 35(1977).
> |
> | [5] Drop that gun, Captain Video. In: Newsweek (10. März 1975).
> `----
>
> -Tim
> --
> Tim Schlotfeldt, Kiel/Frankfurt, FRG
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