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Re: [FYI] Stoiber will Gewalt in Computerspielen verbieten



Joerg-Olaf Schaefers wrote:

> Tuesday, April 30, 2002, 10:26:55 AM, Peter wrote:
> 
>> Hi Liste,
> 
>> gibt es nicht auch den Aspekt, daß Gewalt durch Abreagieren an Sandsäcken,
>> Joysticks... abgeleitet wird, bevor sie, durch eine restriktive Umgebung
>> aufgestaut, sich viel gefährlicher "in der Realität" entlädt?
> 
> Sicher, das gilt auch als Normalfall.

Nein, dass gilt nur für Freudianer. Nach Freud gibt es den
Katharsiseffekt. Allerdings konnte dieser Effekt nicht festgestellt
werden, sondern eher das /Gegenteil/.


> Gleichwohl ist man sich in der
> Mediennutzungsforschung nicht einig, wie gross der Einfluss von Ge-
> waltkonsum wirklich ist. Konsens besteht eigentlich nur in einem
> Punkt, bei entsprechend veranlagten Menschen kann Gewaltkonsum wie
> ein Katalysator wirken - was eigentlich eine Nullaussage ist. Das
> entsprechend veranlagte Menschen sich in ihrer Freizeit mit Dingen
> beschaeftigen, deren Gewaltlevel ueber dem Durchschnitt liegt, ist
> eine weitere Binsenweisheit. Interessant ist hier allenfalls der
> Umkehrschluss, der ist so ohne weiteres naemlich nicht moeglich.
> 
> Ob Gewaltkonsum generell auch als Ursache von Gewalttaten herhal-
> ten kann, ist heftig umstritten. Sicher, es gibt einige Studien,
> mit denen man es zu belegen versucht. Allerdings gibts es auch
> viele, die genau das Gegenteil aussagen.


,----
|     "Liebert und Baron[1] ließen eine Gruppe von Kindern eine Folge
|     der [für damalige Verhältnisse -ts] extrem gewalttätigen
|     Krimiserie "Die Unbestechlichen" sehen. in einer
|     Kontrollbedingung sahen vergleichbare Kinder ein ebenso
|     langes, extrem actionreiches Sportereignis. Anschließend ließ
|     man die Kinder in einem anderen Raum mit einer weiteren Gruppe
|     Kinder spielen. Kinder, die die gewalttätige Krimiserie
|     gesehen hatten, verhielten sich den anderen Kindern gegenüber
|     sehr viel aggressiver als Kinder, die die Sportveranstaltung
|     gesehen hatten.
| 
|     Ross Parke und seine Kollegen[2] konnten diese Ergebnisse in
|     einer natürlichen Umgebung bestätigen. Sie zeigten den Jungen
|     in einigen Häusern von Jugenstrafanstalten in den USA und in
|     Belgien gewalttätige Filme, un den Jungen in andern Häusern
|     dieser Einrichtungen gewaltlose Filme. Sowohl während als auch
|     nach der Filmwoche verhielten sich die Jungen, die die
|     aggressiven Filme sahen, den anderen Jungen gegenüber
|     körperlich und verbal aggressiver. Weiter Studien zeigten,
|     dass dieser Effekt schon durch das Anschauen eines /einzigen/
|     Films enstehen kann und dass die Aggressionssteigerung bei
|     denjemigen Jungen am ausgeprägesten war, die ursprünglich
|     /geringe/ Aggressivität gezeigt hatten.  Leonar Eron und
|     Rowell Huesemann[3] stellten in einer Längsschnittuntersuchung
|     bei achtjährigen Jungen eine hohe Korrelation zwischen dem
|     Fernsehkonsum von Gewalt und eigenem aggressiven Verhalten
|     fest. Etwa elf Jahre später führten sie mit 211 dieser Jungen
|     eine Nachuntersuchung durch. Die Neunzehnjährigen, die im
|     Alter von acht Jahren viel Gewalt im Fernsehen gesehen hatten,
|     waren aggressiver als diejenigen, die dies nicht getan hatten.
|     Außerdem wurde ziemlich deutlich, dass Fernsehen aggressiv
|     macht (und nicht umgekehrt), da die Neunzehnjährigen, die im
|     Alter von acht Jahren viele gewalttätige Sendungen gesehen
|     hatten, sich jetzt nicht unbedingt viel Gewalt im Fernsehen
|     anahen. Kurzum, Gewaltdarstellungen im Fernsehen im Alter von
|     acht Jahren anzuschauen erwies sich als ein Prädiktor für
|     späteres aggressives Verhalten, während aggressives Verhalten
|     im Alter von acht Jahren kein Prädiktor für spätern Konsum von
|     gewalttätigen Sendungen war. Neuere Längsschnittuntersuchungen
|     haben diesen Zusammenhang sowohl in den Vereinigten Staaten
|     als auch in Finnland nachgwiesen.
| 
|     [...]
| 
|     In ähnlicher Weise haben Margaret Hanratty Thomas und ihre
|     Kollegen[4] gezeigt, dass Gewalt im Fernsehen nachfolgend die
|     Reaktionen von Menschen abstumpft, wenn sie im wirklichen
|     Leben mit Agressionen konfrontiert sind. Thomas ließ eine Reihe
|     von Kinder entweder einen gewalttätigen Krimi oder aber ein
|     aufrgendes (aber gewaltloses) Volleyballspiel ansehen. Nach
|     einer kurzen Pause beobachteten die Kinder eine verbal und
|     physisch aggressive Interaktion zwischen zwei
|     Vorschulkindern. Die Kinder, die den Krimi gesehen hatten,
|     reagierten weniger emotional als die Kinder, die das
|     Volleyballspiel gesehen hatten. Die anfängliche Beobachtung
|     von Gewalt /desensibilisiert/ also die Kinder für weitere
|     gewalttätige Handlungen -- sie regten sich nicht mehr über
|     einen Vorfall auf, der sie eigentlich hätte aufregen müssen.
|     Eine solche Reaktion mag uns zwar psychologisch vor den
|     schädlichen Auswirkungen wiederholter Gewalterfahrung
|     schützen, doch sie verhärtet auch unsere Gefühle gegenüber den
|     Opfern von Gewalt, und sie macht es uns vielleicht auch
|     einfacher, selbst gewalttätig zu werden.
|     
|     [...]
| 
|    Phillips untersuchte beispielsweise in einer Studie[5], welche
|    Auswirkungen eine spezielle Art von Gewalt in den Medien, die
|    Ausstrahlung von Profi-Boxkämpfen, auf gewalttätiges Verhalten
|    hat. Er entschied sich gerade deshalb für solche Boxkämpfe,
|    weil es sich hier um eine echte, interessante und weithin
|    akzeptierte und belohnte Form von Gewalt handelt. Zudem werden
|    die Akteure dieser Sportveranstaltung so dargestellt, als
|    wollten sie ihr Opfer verletzen.
| 
|    Die Ergebnisse von Phillips Untersuchung sind ernüchternd. in
|    den Tagen nach der Ausstrahlung eines Schwergewichts-Boxkampfes
|    verzeichnete man in den USA einen Anstieg an Mordfällen, und
|    zwar sowohl, wenn der Kampf in den USA selbst ausgetragen
|    wurde, als /auch/, wenn er in Übersee stattfand, so wie der
|    weithin übertragene Kampf zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier
|    ("the Thrilla in Manila"). Überraschender ist, dass die
|    Rassenzugehörigkeit der "Verlierer" in diesen Profi-Kämpfen mit
|    der Rassenzugehörigkeit der Mordopfer nach den Boxkämpfen
|    korrespndierte: Nachdem weiße Boxer einen Kampf verloren
|    hatten, nahmen die Morde an weißen, aber nicht an schwarzen
|    Männern zu. Wenn dagegen schwarze Boxer einen Kampf verloren
|    hatten, nahmen die Morde an schwarzen, aber nicht an weißen
|    Männern zu."
| 
| 
| 
| [1] Liebert, R. & Baron, R.: Some immediate effects of televised
|     violence on children's behavior. In: Developmental Psychology
|     6(1972).
| 
| [2] Park, R. et. al: Some effects of violent and nonviolent movies
|     on the behavior of juvenile delinquents. In: Berkowitz, L.
|     (Hg.): Advances in experimental social psychology. New York
|     (Academic Press) 1977.
| 
| [3] Eron, L. & Huesmann, R.: Adolescent aggression and television.
|     In: Annals of the New York Academy of Science 347 (1980).
| 
| [4] Thomas, M.H. et al: Desensitization to portayals of real-life
|     aggression as a function of exposure to television violence.
|     In: Journal of Personality and Socail Psychology 35(1977).
| 
| [5] Drop that gun, Captain Video. In: Newsweek (10. März 1975).
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  -Tim
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Tim Schlotfeldt, Kiel/Frankfurt, FRG
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