[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: (Fwd) [FYI] Vierzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission zu SWPAT



> Aber ohne Zweifel _kann_ man das EPC so lesen, wie das derzeitige Case
> Law es tut.

Mit dieser Aussage kann ich mich schon eher anfreunden.

Allerdings gibt es Lesarten die mehr Sinn ergeben als andere.  Bei manchen
Lesarten wird das Gesetz zu einem Haufen "Begriffsschrott" oder
"gesetzgeberischen Missgriffen".  Bei anderen nicht.  Nach üblicher
Auslegungsmethodik meidet man erstere Arten der Auslegung.

> Ich wehre mich an dieser Stelle nur vehement gegen die von Eurolinux
> pp. gebetsmuehlenartig wieder und wieder (sinngemaess) vorgetragene
> Behauptung, es sei voellig ausgeschlossen, das EPC im Case Law
> legitimerweise derart auszulegen, dass Patente auf
> computerimplementierte Erfindungen zulaessig seien.

S.o.
Natürlich sind Patente auf computerimplementierte Erfindungen zulässig,
ebenso wie auf alle anderen Erfindungen.
Aber Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind ebenso wie mathematische
Methoden und andere Organisations- und Rechenregeln keine Erfindungen.
Egal ob sie mit einem Computer implementiert werden oder nicht.

> > > > Die Gesetze aller Laender sind Kopien des EPUe.  An was sollen die
> > > > noch angeglichen werden?
> > >
> > > Das stimmt so nicht. Es gibt derzeit keine EU-weite Harmonisierung
> > > des Patentrechtes. Die einzelnen Laender haben sich z.T. freiwillig
> > > nur dort an das EPC angelehnt, wo sie das fuer zweckmaessig hielten.
> > > In anderen Bereichen eben nicht.
> >
> > In dem Bereich, um den es bei dem Richtlinienentwurf geht, nämlich der
> > Frage der Voraussetzungen der Patentierbarkeit (Art 52ff EPÜ), sind
> > die Gesetzte bereits 100% harmonisiert.
> >
> > Oder wo denn nicht?
>
> Es waere eine nette Aufgabe fuer ein entsprechendes Institut im
> akademischen Bereich, hier einmal eine rechtsvergleichende Studie
> hinsichtlich aller EU Member States + Beitrittskandidaten anzustellen
...
> Hinweise darauf gibt es in dem Vorspann zum EU RiLi-Entwurf.

Damit ist die Frage beantwortet:  es gibt keine Unterschiede in den
Gesetzen, nur solche in der Rechtsprechung.  Und letztere kann und will
auch die EU-RiLi nicht ausräumen.

> Und diese "DV-Programme als solche"-Ausschlussklauseln lassen sich
> nicht als Verbote fuer Patente auf computer-implementierte
> Erfindungen lesen.

Es gibt im EPÜ nicht den Begriff "DV-Programme als solche".

> > Diesen Begriffsschrott haben die Richter des EPA geschaffen.
> > Er kommt im EPÜ nicht vor.
>
> Offenbar haben wir verschiedene Ausgaben des EPC.

Es gibt allerlei Nicht-Erfindungen, und diese können als solche nicht
Gegenstand von Patentansprüchen sein.

Es ist unzulässig, das Appositiv "als solche" in anderer Weise auf
DV-Programme anzuwenden als man es etwa auf ästhetische Formschöpfungen
anwendet.  Ferner ist es unzulässig, dieses Appositiv so anzuwenden, dass
Leistungen der genannten Arten zu patentfährigen Erfindungen werden.  Es
zeugt auch von mangelndem grammatischen Verständnis, wenn man einen
Begriff "X als solches" bildet und dann nach dessen Definition fragt.  Das
ist als würde man nach der Definition von "es" in "es regnet" fragen.
Das EPÜ legt eine solche unsachgemäße Auslegungsmethodik nicht nahe.

PA König hat dazu einen sehr schönen Artikel in GRUR geschrieben.

> Auch nach der im Case Law zum EPC kommenden Auffassung ist nicht jede
> computerimplementierte Erfindung (verflixt, ich schreibe jetzt nur
> noch "CIE") automatisch patentfaehig - ein "technischer Beitrag" wird
> gefordert. Dadurch ist u.a. sichergestellt, dass Erfindungen reiner
> Organisations- und Rechenregeln nicht patentfaehig sind.

"Technischer Beitrag" ist ein Synonym für "Erfindung".
Der Beitrag zum Stand der Technik kann nicht im Rechnen
mit abstrakten Größen bestehen.
Das tut er aber bei den computer-implementierten Organisations- und
Rechenregeln, welche das EPA irreführend computer-implementierte
Erfindungen nennt.

> > Sicherlich ist nicht entnehmbar, dass Patente auf Erfindungen
> > untersagt sind.  Ganz im Gegenteil.  Wenn etwas eine Erfindung ist,
> > dann ist es patentfähig.  Aber Programme für Datenverarbeitungsanlagen
> > sind ebenso wie andere Pläne und Regeln für geistige Tätigkeit,
> > mathematische Methoden usw keine Erfindungen.  Und sie werden auch
> > nicht dadurch zu Erfindungen, dass man sie irgendwie anders sprachlich
> > einkleidet.
>
> Es geht nicht nur um sprachliche "Einkleidungen". Im
> Verletzungsprozess zeigt sich, dass die "Einkleiung" mehr ist als nur
> ein "Maentelchen". Alles, was man vor dem EPA in den Claim
> reingeschrieben hat, um ein Patent durchzubekommen, muss sich im
> Verletzungsprozess an der Verletzungsform demonstrieren lassen.

Was regelmäßig gelingt und dazu führt, dass die gesamte Organisations- und
Rechenregeln in allen ihren relevanten Anwendungen monopolisiert wird. Es
stört den Patentinhaber ja keineswegs, dass die "technischen Effekte", mit
denen seine Rechenregel eingekleidet wurde, längst zum standardisierten
Stand der Technik gehörten, als das Swpat erteilt wurde.  Das stört dafür
umso mehr den Verletzer und die Öffentlichkeit.

> > Das behaupten diejenigen, die unbedingt neue Gesetze wollen, um Swpat
> > zu legalisieren.  Eurolinux will keine neuen Gesetze und ist
> > zuversichtlich, dass sich die geltenden auf Dauer gegen das EPA
> > durchsetzen lassen werden.
>
> "Softwarepatente" (was auch immer das sein soll) will keiner, Patente
> auf CIE beduerfen keiner "Legalisierung" mehr.

Wie auch immer: du willst neue Gesetze und behauptest zudem, nichts ändern
zu wollen.

Swpat werden nach wie vor häufig von Gerichten wegen mangelnder
Technizität und wegen Verletzung des EPÜ abgelehnt.  Genau das ist der
Grund, warum einige Leute neue Gesetze haben wollen.

> Solange Rechtspolitik gemacht wird, muss man sich wohl oder uebel auf
> die Rechtssprache mit ihren manchmal verschlungenen Begrifflichkeiten
> einlassen.

Aber nicht auf eine weitere Formalisierung und Esoterisierung dieser
Sprache.  Dieser Tendenz muss man entgegenarbeiten.  Der Schwanz soll
nicht mit dem Hund wedeln.  Ansprüche sind ein sprachliches Mittel, um
Vorrechte auf Erfindungen abzugrenzen.  Was wir unter einer patentfähigen
Erfindung / technischen Lehre verstehen, ist eine vom Konstrukt des
Anspruchs unabhängige Frage.  Der Anspruch hat den Erfindungsbegriff
wiederzuspiegeln, nicht umgekehrt.

> Und der Anspruch ist nun mal der Kern des Patentes: Er definiert, was
> man vor Gericht damit machen kann. Er verkörpert eine Verbalisierung
> der durch das Patent monopolisierten Erfindung. Was will man mehr?

Und er muss immer wieder auf Sachregerechtigkeit geprüft werden.

> Irgendwo habe ich neulichs einen spassigen Vorschlag gelesen,
> Patentansprueche abzuschaffen und durch Videoclips (!) zu ersetzen,

Der kam sicher von Erich Bierampel.

Davon halte ich eher wenig.  Allerdings halte ich ebenso wenig von den
Tendenzen der Patentgemeinde, ihre Begriffe zu formalisieren.  Der
"allgemeine Erfindungsgedanke" kehrt immer wieder zurück, egal ob man ihn
1978 abgeschafft zu haben glaubt oder nicht.  Auch Begriffe wie
"comprising" und "consisting" lassen sich nicht so formalisieren, wie man
im EPA zu glauben scheint.  Formalisierungen dienen der Denkfaulheit, und
die rächt sich.  Am Ende muss man doch immer wieder echte Intution
verwenden und zur eigentlichen Erfindungsleistung zurückkehren, um dann
alle Sprachkonstrukte von vorne neu zu erschließen.

Der EU-RiLi-Vorschlag lässt sich kurz charakterisieren als

 - Versuch, esoterische Formalismen des EPA (echten "Begriffsschrott")
   ins Gesetz hineinzupressen und sicherzustellen, dass niemand außer
   dem EPA und seinen Freunden mehr mitdiskutieren kann
 - Versuch, dem EPA erweiterte Regelsetzungsvollmachten zu sichern
   und es von lästigen Diskussionen zu befreien

Ähnliche Versuche haben die japanischen Militaristen in den 30er Jahren
immer wieder unternommen.  Es handelt sich in beiden Fällen um
überzüchtete gemeinschaftsartige Organisationen, die lange um sich selbst
gekreist sind und dabei so viel Macht gewonnen haben, dass niemand sie
mehr auf den Boden der Wirklichkeit und des gesunden Verstandes (bon sens)
zurückzuholen in der Lage ist.

Organisations- und Denkverbote sind letzlich mit unserer
Verfassungsordnung unvereinbar, und dass nur deren Anwendung auf unserem
Standard-Logikgerät verbietbar wird, macht sie nicht besser.

Selbst wenn nur ein EPA-Status-Quo zum Gesetz erhoben wird, haben wir es
hier mit einem Zivilisationsbruch zu tun.  Es ist nämlich ein riesiger
Unterschied, ob das EPA sich auf eigene Verantwortung verrennt oder dazu
noch einen Freibrief von einem demokratischen Gesetzgeber bekommt.  Das
EPA und seine Freunde wissen sehr gut, warum sie diesen Freibrief haben
wollen.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/





--
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@lists.fitug.de
For additional commands, e-mail: debate-help@lists.fitug.de