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RE: Heise: Bundesregierung foerdert und verletzt Logikpatente



On 15 Sep 2002, at 3:59, Alexander Stohr wrote:

> > Telepolis berichtet 
> > 
> >         http://www.heise.de/tp/deutsch/special/copy/13219/1.html
> > 
> > über unseren 
> > 
> >         Appell an die Bundesregierung
> >         http://swpat.ffii.org/briefe/bund028/
> 
> Der Artikel schliesst mit einem Verweis aus den Gegenvorschlag
> mit besonderer Heraushebung von Artikel 4. Nachzulesen unter:
>     http://swpat.ffii.org/papiere/eubsa-swpat0202/prop/index.de.html
> 
> Diesen Gegenvorschlag werde ich nun in Teilbereichen kommentieren.
> 
> Im Gegenvorschlag findet sich am Anfang (A.1) die Eingrenzung
> von Patenten auf den Bereich "der Serienfertigung materieller Gueter
> (gewerbliche Anwendung)" was somit automatisch jedwede Form von Werken
> (Texte, Musik, Computerprogramme, Grafiken) ausschlisst. 

Das mit der "Serienfertigung" ist einfach grotesk. Denken in den 
Kategorien des XIX., bestenfalls des fruehen XX. Jahrhunderts. Man 
will ja heute eher weg von der Serienfertigung hin zu einer (pseudo-) 
Individualfertigung. Wenn man sich bei einem Moebelversandhaendler 
individualisierte Moebel bestellt etc. pp.

Und warum soll eine Erfindung, die sich auf Einzelfertgung bezieht, 
nicht patentfaehig sein? Und: Woher weiss der arme Patentpruefer, 
welche Erfindungen im "Bereich der Serienfertigung" Anwendung finden 
und welche nicht? Selten einen derartigen Bloedsinn gelesen, selbst 
von ffii bekommt man das nicht alle Tage geboten.

Hmm, naja, und was ist z.B. mit der Serienproduktion von 
Mobiltelefonen, vulgo "Handies" genannt? Damit sind Patente auf 
"Mobiltelefongeraet, gekennzichnet durch [...]" weiter moeglich. Was 
ist aber nun mit dem famosen ffii-Vorschlag, wenn die 
erfindungsgemaesse Verbesserung des Mobiltelefones dadurch 
implementiert ist, indem in der Firmware etwas anders gemacht wird 
als vorher?  

> Diese sind ja
> bekanntlich bereits ueber das Urheberrecht geschuetzt. 

Das Urheberrecht schuetzt lediglich die konkrete textuelle 
Ausdrucksform. Das Patentrecht befasst sich insbesondere auch mit 
Erfindungen, die sich - bei computer-implementierten Erfindungen - 
auch in einer neuen und erfinderischen Funktionalitaet ausdruecken 
koennen, die aus dem Zusammenwirken eines per se nicht patentfaehigen 
Programmtextes mit einem dazugehoerigen Prozessor hervorgeht.  

Bizarr auch der Satz: "Die Ideen und Grundsaetze, die einem Element 
eines Computerprogramms zugrunde liegen, sind durch das Urheberrecht 
aus gutem Grund ausdruecklich vom Schutz ausgenommen."

Die Ideen und Grundsaetze sind nicht "nicht durch das Urheberrecht 
geschuetzt" - das ist etwas ganz anderes als "durch das Urheberrecht 
nicht geschuetzt". Kleine semantische Trickersei durch den ffii: Als 
ob das Urheberrecht fuer andere Rechtsgebiete bindend festellen 
wuerde / koennte, dass "Ideen und Grundsaetze" nicht schuetzbar seien.
Abwegige Argumentation und hoechst unserioes.

> Ergaenzend sei
> gesagt, dass durch den Vorschlag noch dazu eine Abgrenzung von
> Organisationrgeln getroffen wird, was insbesondere den in den USA
> moeglichen Weg der Patentierung von Geschaeftsmodellen, die ja
> bekanntlich in vielfaeltiger Form den Markt behindern, aussschliesst.
> Eine praeventive, aber in Anbetracht der Situation wichtige Massnahme.

Blah Blah. Das ffii-Papier behauptet nur und klaert (wieder einmal) 
gar nichts.
 
> Artikel 4 steht natuerlich sehr kontraer zu der Position der EUK, denn
> diese verlangt die Patentierbarkeit von Computerprogrammen, wenn diese
> einen neuen technischen Beitrag leisten, was einer sehr niedrigen
> Eintrittshuerde gleichkommt. Eine solche Huerde ist schlussendlich
> leider auch mit grosser Bewertungs-Unsicherheit behaftet. Aufhorchen
> laesst auch, dass fuer die Bewertung sowohl technische wie auch
> nichttechnische Merkmale herangezogen werden koennen. Schon das allein
> wuerde jeglichem Missbrauch Tuer und Tor oeffnen. Wuerde man einen
> seit langem bekannten Regelkreis in einer neuen Programmiersprache
> abfassen, so waere dies zwar keine technische Neuheit im Sinne des
> PatG aber dennoch eine neuheit in der Form des Ausdrucks und somit bei
> einer kleinen Portion Wohlwollen unmittelbar patentierbar.

Wo steht das? Ich gaube nicht, dass ein Patentanspruch

"Reglereinrichtung [...], dadurch gekennzeichnet, dass die 
Reglersoftware in PASCAL geschrieben ist"

auch nur irgendeinen Hauch einer Chance haette, erteilt zu werden. 
Alles FUD seitens ffii.  

> Bemerkenswert, dass der Gegenvorschlag auf die Pruefungsrichtlinien
> des Europaeischen Patentamtes 1978-06-01 querverweist und somit auf
> ein jahrzehntelang bewaehrtes Handlungs-Verfahren zurueckgreift. Es
> wird weiter ausgefuehrt dass die Pruefbehoerde Form und Fachgebiet im
> Rahmen der Anspruchsbewertung nicht zu beruecksichtigen braucht
> sondern sich auf den ausschlaggebenden erfindersichen Beitrag zu
> konzentrieren hat.

Jaja, ich weiss, ffii mag die Patentansprueche nicht, weil sie 
offenbar zu kompliziert sind, um verstanden zu werden ...

Wer rechtssichere Patente haben will, muss dicht an den 
Patentanspruechen bleiben, sond sind wir wieder beim "allgemeinen 
Erfindungsgedanken" unseligen Andenkens, den man zum Glueck vor 
langer Zeit abgeschafft hat.

> Ich finde gerade den Querverweis auf diese doch schon etwas aeltere
> Richtilinie sehr wegweisend, denn sie hat offenbar gute Dienste in den
> vergangenen Jahrzehnten geleistet. Wer sich also mit der angeblichen
> Unzulaenglichkeiten des Patentwesens auseinandersetzen will muss erst
> einmal auf den Punkt bringen wo diese RiLi heute nicht mehr wie
> gewuesncht arbeitet. Dabei wird es aber fuer ein sauberes Resultat
> unablaessig sein die Implementierungsgedanken der Vorvaeter
> nachzugehen, sowie zumindest die wesentlichsten Fachwerke die seit
> damals entstanden sind ebenso zu konsultieren und ihren Inhalt zu Rate
> zu ziehen. Kurzum, ein Umbau wird nicht einfach so mal aus dem Aermel
> geschuettelt sondern mit allen zur Verfuegung stehenden Quellen und
> Mitteln in Form eines fundierten Rechtsgutachtens zur Diskussion
> gestellt. Erst hierueber wird eine qualitaetssteigernde
> Weiterentwicklung ermoeglicht. Dementsprechend duerfte das Ergebnis
> auch weitaus tragfaehiger sein und der spaeteren Tragweite des
> angehenden neuen Gesetzeswerkes weitaus eher angemessen.

Diese fruehe Interpretation hat eben _keine_ guten Dienste geleistet, 
da sie Rechtsunsicherheit zuruekgelassen hat ... warum sind denn wohl 
Anmelder wieder und immer wieder mit erheblichem Kostenaufwand bis 
zum BGH oder bis zu den Beschwerdekammern des EPA gezogen, wenn alles 
so wunderbar klar gewesen waere? Die historisch ueberhoten Versuche, 
die Informatik aus dem Patentwesen herauszuhalten, sind hinstorisch 
gescheitert und haben nichts zum Rechtsfrieden beigetragen.

> Kurz gesagt, das Patenrecht war nie ein Leichtgewicht.

Ack.  ;-)

> Als teilweise neuartig wuerde ich den Absatz 5 des FFII einordnen.

Geradezu revolutionaer. Die Biotech-Industrie wird sich z.B. darueber 
freuen, dass gemaess Artikel 5.7 des ffii-Entwurfes ein Patent 
automatisch dazu fuehrt, dass man die Erfindung auch ausueben darf.

Oder sollte es sich nur um eine schlampige sprachliche Formulierung 
handeln, wie sie im uebrigen den gesamten ffii-Entwurf 
charakterisiert?

> Hier werden Forderungen nach einer Pflicht dem Anspruch ggf. eine
> freie Programm-Implemtierung des Patentanspruchs beizulegen
> ausformuliert, 

Ufff... kaum noch eine Patentschrift unter fuenftausend Druckseiten 
Umfang ??

die illegale Erlangung von Patentbezogenen
> Informationen wird legalisiert. 

Grins ... das haette man wohl auch etwas professioneller ausdruecken 
koennen.

Es werden nochmals die Patentkriterien
> wiederholt 

Gesetztestexte werden durch Redundanzen nicht besser.

sowie die Freiheit der Kommunikation (=Datentransfer) auch
> auf digitalem Weg festgeschrieben. Gleichzeitig wird noch die Freiheit
> der Nutzung, F. des Vertriebs und F. der Weiterentwicklung von
> Software die vor der Patenoffenlegung existierte garantiert, was
> natuerlich im Fall des Rechtsstreites von sehr hoher Bedeutung sein
> kann, insbesondere fuer vorlaeufige richterliche Anordnungen und
> insgesamt fuer die Beweisfuehrung in der Hauptsache. Die
> Rechtssicherheit wuerde erhoeht und die Gefahr von
> rechtsmissbraeuchlichem Klagewesen minimiert.

Warum nicht vor dem Anmelde- bzw. Prioritaetstag?

> Eine strikte behoerdliche Trennung von Urheberrecht und Patenrecht
> werden bei der Behandlung eingefordert. 

Huii... nicht nur eine "strikte Trennung", nein, eine "strikte 
_behoerdliche_ Trennung" muss her. "Bundesreinheitsamt fuer die 
Trennung von Urheber- und Patentracht" oder so. Naja. Beide 
Rechtsgebiete haben in Wirklichkeit unterschiedliche Gegenstaende 
("Werke" vs. "Erfindungen") und ergaenzen sich bei computer-
implementierten Erfindungen komplementaer.    

>Gleichzeitig wird einem
> Programm jegliecher Schutz verweigert, wenn es noch nicht einmal die
> Bedingungen des Urheberrechts erfuellt. Fehlt also die Urheberschaft
> zu Gunsten des Antragstellers, so kann dieser auch kein Paten
> reklamieren, und selbst sonstige Ansprueche stehen ihm nicht zu. 

Sowas kommt eben heraus, wenn man die Grundlagen von Urheber- und 
Patentrecht nicht verstanden hat. Dem Erfinder kann und darf es 
voellig wurscht sein, ob jemand anders Schoepfer eines Werkes 
(Programmcode) ist - wenn er der erste war (Neuheit!) steht ihm das 
Patent auf die Erfindung zu. Auch gibt es ja den Ambivalenzbereich 
und die computer-implementierbaren Erfindungen, bei denen schon die 
blosse Existenzmoeglichkeit eines Computerprogrammes (als "Werk") 
ueberhaupt nicht im Patentanspruch ablesbar ist.  

> Dies
> koennte allerdings den Rahmen des PatG sprengen, auch wenn es
> wunschenswert ist z.B. die Kopierschutz-Gesetze so zu beschraenken,
> dass nur der Urheber mittels Kopierschutz seine Werke berechtigt zu
> weiterem Schutz und strafrechtlicher Konsequenz verhelfen kann.
> Schnittstellenbenutzung soll ausdruecklich aus dem Bereich der
> moeglichen Patenverletzungen herausgenommen werden. Wenn
> beispielsweise nur eine Haelfte eines Steckers patentiert waerde, so
> koennte somit Jedermann hergehen und ein passendes Gegenstueck hierzu
> ohne jede Androhung von Strafe bauen.

???

> Generell spricht die EUK von computerimplementierten Erfindungen, also
> einer Form oder Unterkategorie der Patente, waehrend der
> Gegenvorschlag konsequent allgemein bleibt und somit keinen
> scheinbaren Sonderweg fuer Computerprogramme gehen will sondern sich
> ganz konsequent zu einer dem Oberbegriff zugeordneten und dazu
> kompatiblen Regleungsform bekennt.

Quark. Die CEC bleibt in der Begrifflichkeit des Patentrechtes, 
waehrend gerade der ffii-Vorschlag ausbricht und durch heillose 
Vermengung von urheberrechtlichen und patentrechtlichen Kategorien 
einen Sonderweg schafft.

> 
> Als zusaetzliche Praemisse wird weiterhin die Beobachtung der
> Lizensierungspraxis und der damit verbundenen Vermoegenstransfers (das
> schliesst Patentaustausch mit ein) angemahnt, wie ebenso die
> Beobachtung der umfaenglichen Entwicklung des gesamten Patentwesens
> mit Betonung auf der Begrenzung ihres Anwachsen im Sinne der
> ledigliche dienenden Funktion der Patente zugunsten der Gesellschaft.
> Das Kontrollorgan soll in seiner Zusammensetzung nur zur Minderheit
> von Personen aus dem Zielbereich besetzt werden, was natuerlich
> weitgehend verhindert dass hier wohlwollende Selbstkontrolle
> stattfindet.

Ach so. 51% der Sitze fuer den ffii??

> Insgesamt sehr solide, auch wenn noch gewisse Feinarbeit an den
> Details via Diskussion denkbar waere, jedoch muessten ganz offenbar
> fuer eine tatsaechliche Realisierung gemaess diesem
> Alternativ-Vorschlag doch einige massive Verfechter aus der
> Patent-Industrie (allen voran in EUK, EPA und DPMA) vertrieben werden,
> denn diese werden nicht so leicht von ihren schon fast gesicherten
> Pfruenden abruecken.

"Feinarbeit" ist ein Euphemismus.

Im uebrigen stehen hinter dem ffii auch Unternehmen, die auf ihre 
Weise um ihre "Pfruenden" fuerchten, wenn das Patentsystem so bleibt, 
wie es ist. Es macht sich aber gegenueber der Oeffentlichkeit wohl 
besser, wenn die Bezugnahme auf wirtschaftliche Interessen nur einer 
Seite angehaengt werden.

--AHH


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