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Re: FITUG: Meinungsfreiheit braucht Linkfreiheit



* Alvar Freude:

> naja, eine IP aus dem Belwue-Pool, die sich nicht zu einem Namen auflösen
> lässt, und die bei einem Whois auch nur Belwue liefert, das ist auf den
> ersten Blick nun auch nicht wirklich verdächtig.

Offizielle BelWue-Policy ist, daß IP-Adresse nicht anonym sein
(d.h. einen Reverse Lookup haben) sollten. Das steht auch in einem der
Arbeitsberichte.

Ich bin anderer Ansicht und halte ein funktionierendes internes WHOIS
(kombiniert mit einem Remailer für Externe, so daß man nicht in die
Teufelsküche Einwilligungsverfahren kommt) für wichtiger. DNS als
Dokumentationsersatz versagt spätestens dann, wenn man das irgendwohin
delegiert, wo ist dann nicht gepflegt wird (was in wunderbarer Weise
vom DNS-Protokoll unterstützt wird).

>> Das tat ich bereits am Wochenende, und zog entsprechende Konsequenzen.
>> Allerdings entzieht sich das FITUG-Archiv meinem Zugriff (zumindest
>> gehe ich bis auf weiteres davon aus).
>
> Also ist Löschen für Dich die Konsequenz, und in Zukunft nicht mehr darüber
> reden?

Nein, sauber darüber reden. Ich kann über eine Gerichtsverhandlung
auch berichten, wenn ich die Zeugen und den Angeklagten nicht beim
vollen Namen nenne. Bei den beiden Webseiten ist es für die Diskussion
um die Sperrverfügung auch völlig ausreichend, auf entsprechende
aufklärende Seiten zu verlinken -- eben weil es überhaupt nicht um die
gesperrten Inhalte geht, sondern ums Filtern an sich.

Aber klar, wenn wir mal vom vorliegenden Beispiel abstrahieren, sieht
das vielleicht anders aus.

> Diejenigen unter Euch, die Links pauschal als potentiell strafbares
> Verbreiten und Zugänglichmachen ansehen, müssen auch sagen dass ...
>
>   - eine Antwort auf die Frage "Was soll denn konkret gesperrt werden"
>     strafbar ist wäre

Nicht zwangsläufig, siehe oben.

>   - sich die Verantwortlichen des FITUG e.V. strafbar machen würden, 
>     da auf der Website bekanntermaßen im Archiv die URLs verlinkt sind

Mein Mitleid mit FITUG ist in diesem Punkt ziemlich begrenzt, was aus
deren Einstellung zur Integrität des Archives und den damit
verbundenen Konsequenzen resultiert.

>   - diejenigen, die die URLs in Newsgroups, Mailinglisten, Chats 
>     und Foren nennen, sich strafbar machen würden

Chats als Form der Veröffentlichung? Na ich weiß nicht. Auf alle
Mailinglisten trifft dies sicherlich auch nicht zu. Ohne Webarchiv
sieht es bei Mailinglisten auch eher etwas mau aus, je nach
Listenpolicy.

>   - die Frage "hallo, was haltet Ihr von ..." strafbar wäre

Ich mußte beim ersten Mal, als ich das las, irgendwie an Peter H.
denken. 8-)

>   - die Linkliste von Burks ebenso illegal wäre wie ein Verweisen
>     auf diese

Naja, ich glaube halt nicht an solche Automatismen. Das Strafrecht
kennt keine vollständige Induktion.

>   - Links auf zweifelhafte Websites, auch zivilrechtlich zweifelhafte,
>     verboten sein sollten

Bei zivilrechtlichen Sachen bist Du als Linksetzender heute schon
regelmäßig der Dumme, da es auf ein Verschulden meist überhaupt nicht
ankommt. Beim Strafrecht wird immerhin die Schuld berücksichtigt.

> Hier würde jegliche Diskussion über entsprechende Inhalte zensiert.

Ich halte das ein wenig für übertrieben. Schrieb Rigo nicht mal vor
einiger Zeit, daß selbst das Bundesverfassungsgericht nicht in seine
Urteil hineinschreiben könne, was es eigentlich meine, und man die
Urteile deswegen zwischen den Zeilen lesen müsse. (Wolfgang Leonhard
erläuterte mal in einem Vortrag diese Lesetechnik, allerdings mit
Blick auf die Prawda.)

Kurzum: Mit ein bißchen Verrenkung müssen wir immer leben müssen, und
ein Teil ist schlicht aus, wie soll ich sagen, metaphysischen Gründen
unvermeidbar.

> in diesem Falle mag das unnötig sein. Aber sollen wir uns
> tatsächlich Sprache und Unterhaltung zensieren lassen, nur weil
> etwas möglicherweise unötig ist?  Soll niemand mehr fragen dürfen:
> "Hallo, was hälst Du von [Lauck-URL]"?

Privat ist das völlig in Ordnung. In der Öffentlichkeit ist das etwas
völlig anderes. Nun ist es zugegebenermaßen etwas schwierig, sich
z.B. via Blog nicht öffentlich zu äußern.

> Sollen wir uns jedes mal in einer Diskussion Gedanken machen müssen,
> ob die Nennung einer URL nötig sein ist?

Als Richtschnur könnte ich mir so etwas schon vorstellen -- unter der
Prämisse, daß man wirklich davon ausgehen muß, daß die Inhalte zum
einen gefährlich sind, zum anderen auch tatsächlich von
Schutzbedürftigen eingesehen werden.

Ich habe allerdings auch ein bißchen Probleme damit, daß man mit dem
richtigen Parteibuch in den Medien ganz gemütlich gegen Türken hetzen
kann, solange es bloß echte Türken sind und nicht die, die man immer
gequält als "Mitbürger" bezeichnet (was offenbar wie "Mitfahrer" zu
verstehen ist). Den Extremismus von Stormfront & Co. halte ich für
deutlich harmloser, da er wesentlich leichter als Extremismus zu
erkennen ist.

> Ncohmal: Dies betrifft nicht nur Nazi-Kram, sondern auch anderes
> beispielsweise aus dem zivilrechtlichen Bereich, siehe FTP-Explorer.

Diejenigen, die Inhalte gewerblich ins Netz stellen, machen das.

Bricolage, ein Content-Management-System (das ursprünglich für
Salon.com entwickelt wurde), hat deswegen z.B. eine Stufe "Legal Desk"
im Veröffentlichungsprozeß. SPIEGEL ONLINE hat eine zeitlang *gar*
*keine* Links veröffentlicht, die über das oberste Dutzend
hinauswiesen.

Entsprechende Konstrukte wären zumindest für Blogs denkbar, bei
öffentlich archivierten Mailinglisten geht das zur Not auch. (Wir
hatten mal so eine Mailingliste, aber waren ganz dankbar, daß sie nie
wirklich angenommen wurde, weil man sich dadurch erst so richtig aus
dem Fenster lehnt, und das in diesem Fall nicht wirklich unser Job
war.)

> Wenn ich wegen so einem Dreck vor Gericht stehe, geht es mir
> mitnichten darum nur den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Wir haben
> hier auch die Gelegenheit, endlich mal Klarheit bzgl. Links zu
> schaffen.

Höchstens im strafrechtlichen Bereich. Im Wettbewerbsrecht kommt es
meist nicht auf das Verschulden an, und dort ist die Situation bereits
geklärt worden, wenn auch in einer höchst unbefriedigenden Weise.

> Und genau hier kommen wir meines Erachtens zu einem wichtigen Punkt:
>
> Solange sich jemand innerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung
> bewegt -- und das tust Du wenn Du Dich für eine weitergefaßte
> Meinungsfreiheit nach US-Vorbild einsetzt oder ich gegen die Büssowschen
> Sperrverfügungen argumentiere -- dann darf es keine Gesinnungsjustiz geben.

Klar, die Abschaffung des Föderalismus halte ich für einen weitaus
größeren (und auch riskanteren) Einschnitt als das Abschaffen einiger
Verbreitungsdelikte. Trotzdem kann man darüber relativ unverfangen
reden, auch wenn es direkt an die Grundfeste unserer Verfassung geht.

> Dann darf es auch keine Strafverschärfung geben wenn der Angeklagte
> der Ansicht ist, dass es richtig und im Rahmen der geltenden Gesetze
> ist was er tut, nur weil ein Staatsanwalt versucht anderes zu
> konstruieren.

Doch, natürlich -- wenn wirklich eine Strafbarkeit vorliegt, muß die
Strafe dem Handeln des Angeklagten in diesem Punkt angemessen sein.
Eine Privilegierung politischer Straftäter will man sich nicht mehr
leisten, genauso wenig, wie ein junger, vorbestrafter, staatenloser
Kunstmaler Kanzler werden soll.

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