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Re: Softwarepatente abgelehnt



Am Wednesday 13 July 2005 08:03 verlautbarte PILCH Hartmut :
> > > Da ist er wieder, der unsaubere Umkehrschluss. Der hält logisch
> > > nicht. Nur weil ich niemanden umbringen darf, muss ich nicht
> > > laufend Leben produzieren. Nur weil ich maximal 50km/h fahren
> > > darf, muss ich auch 50km/h fahren...
>
> Wie wuerdest du eine Strafrechtsbestimmung in Kannibalenland
> beurteilen, in der stuende:
>
>    Ziel dieser Richtlinie ist es, den Status Quo festzuschreiben
>    und Tendenzen zu unerlaubten oder unmotivierten Toetungen oder
>    Verspeisungen von Menschen einen Riegel vorzuschieben.

Das bringt schon weniger verspeiste Menschen, denn die unerlaubten und 
unmotivierten Toetungen, mit oder ohne Verspeisung, werden weniger, 
wenn man das auch umsetzt. Damit stellt sich die Frage, was "unerlaubt" 
im Kannibalenland bedeutet. Aber eigentlich wollte ich hier nicht die 
Kannibalen diskutieren.
>
> Ist das dann keine Legitimierung des kannibalischen Status Quo?

"unerlaubt" gibt Dir die Lösung: Es richtet sich gegen die 
"unerlaubten". Was erlaubt/unerlaubt heisst muss dann noch festgestellt 
werden. Es ist jedenfalls keine Regelung zu den "erlaubten" 
Verspeisungen und der 'status quo' ist nicht die Regel, sondern ein 
Zustand der Realität. Hier wird versucht, den 'status quo' wieder an 
das anzupassen, was von den Regeln (erlaubt) vorgegeben wird. Aber das 
hat mit Patenten nix zu tun. Die Probleme dort sind andere.
>
> Oder eine Geschwindigkeitsbestimmung fuer deutsche Autobahnen:
>
>    Ziel dieser Richtnlinie ist es, den Status Quo festzuschreiben
>    und Tendenzen zum ruecksichtslosen, Verkehrsregeln verletzenden
>    Ueberholen und Rasen entgegenzuwirken.
>
> Ginge hieraus nicht hervor, dass das Fehlen einer
> Geschwindigkeitsbegrenzung festgeschrieben wird ?

Danke, ich hatte schon Angst Du hättest "Gleichbehandlung im Unrecht" 
nicht angewendet. Das ist hier so ein queres Argument, das Dich ins 
juristische Nirvana bringt. Rücksichtloses Verhalten und Rasen sollen 
bekämpft werden. Nur weil manche Leute rücksichtlos Rasen, was ja 
bekämpft werden soll, heisst das nicht dass alle anderen auch 
rücksichtslos Rasen dürfen. Ausserdem fehlt jede Aussage zu einer 
Geschwindigkeitsbegrenzung im Obersatz. Die kommt erst als Überraschung 
im Schluss. Weil Orangen rund sind, schmecken sie fein ist eine 
ähnliche Überraschung ;)
>
> Warum toleriert man in der Patentgesetzgebung solche windigen
> Formulierungstricks?  Warum finden die sogar in Foren wie Fitug
> Anhaenger und Verteidiger?

Nein, Du machst logische Fehler in der Interpretation der 
Formulierungen. Der Treppenwitz hier ist, dass Du dadurch jenes 
Horrorszenario bestens heraufbeschwören konntest, das die Entwickler 
auf die Barrikaden brachte. Das Horrorszenario hat aber als solches nur 
in den Köpfen existiert, nicht in den Texten, die eingebracht wurden. 
Das hat Thomas versucht zu erklären.
>
> Wenn solche Tricks wirklich so schwer zu durchschauen sein sollten,
> wuerde ich vermuten, dass sie bei fast jedem Gesetzesvorhaben
> angewandt werden. Das muesste bedeuten, dass die
> Ministerialbuerorkratie immer durchbekommt, was sie will.
>
> Ist das so?

Was heisst so? Deine queren Beispiele von falschen Schlüssen sollten 
nicht Bestandteil von Gesetzesvorhaben sein. Sie spielen in der Politik 
allerdings eine Rolle. Der Rest sind keine Tricks, sondern einfach 
juristisches Handwerkszeug um komplexe Sachverhalte so beschreiben zu 
können, dass andere Juristen mit den vorgegebenen Auslegungsmethoden 
zum gewünschten Ergebnis kommen. Damit ist klar, dass sich die Gesetze 
ein Stück weit vom Bürger entfernt haben. Das kann man beklagen. Es ist 
eine Folge der Tatsache, dass Gesetze im Beamtenapparat entstehen, der 
zu weiten Teilen aus juristisch geschultem Personal besteht.  
>
> Sind der kritische Verstand der Oeffentlichkeit allgemein so benebelt
> wie in diesem Fall hier im Fitug-Forum?  Sind die Sitten der
> Gesetzgebung allgemein entsprechend verroht ?

Bin ich vernebelt? Wer ist der kritische Verstand der Öffentlichkeit? 
Du? Die Sitten der Gesetzgebung sind rauh, denn es geht um 
formalisierte Macht.

>
> Nach dem was ich ab und zu an Klagen aus der Justizwelt mitbekomme,
> koennte es durchaus so sein.  Man hoert viel von einer Flut
> minderwertiger Gesetze aus Berlin und vor allem Bruessel, mit der
> keiner ausser ein paar Spezialisten mit besonderem Herrschaftswissen
> mehr mitkommt.  Aber obige Patentrichtlinie erscheint mir doch
> extrem, und dass wir fuer die 21 Aenderungsantraege eine knappe
> Mehrheit bekamen, kann sowohl optimistisch als auch pessimistisch
> stimmen.

Jeder sagte, dass die Richtlinie nicht toll war (Die EU-Verfassung 
übrigens auch nicht). Es ist eine Folge ihrer Enstehung in einer 
harschen Kontroverse mit unversöhnlichen Meinungsblöcken und 
Maximalforderungen. Ein früher Dialog hätte sicherlich einen 
wesentlichen besseren Text erbracht. Aber das liegt _vor_ der _ersten_ 
Abstimmung im Parlament und es war ein Kardinalfehler der 
Softwarepatent Lobbyisten. Sogesehen ist sogar Axel ein Opfer.

Gruss

Rigo

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