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Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Web unddie Meinungsfreiheit



Am 21 May 2007, um 11:27 hat Rigo Wenning geschrieben:

> Und genau da steckt ein dickes Problem, denn das Recht auf Vergessen und
> Verzeihen steht da im Widerspruch zur Archivierung, Meinungsfreiheit
> etc. 
> 
> Einerseits ist eine Abwägung all dieser Rechte erforderlich (und sie
> findet derzeit nicht statt, weil wir nur über den Datenhunger der
> berechtigten Behörden diskutieren). Andererseits ist das Vergessen im
> Netz schlicht ein immenses technisches Problem. Da Vergessen keinen
> Gewinn verspricht, ist die Industrie schlicht nicht bereit zu
> investieren, egal ob sie das gut findet oder nicht. Sollte der Staat
> etwas tun? Was kann ein Staat oder Europa überhaupt tun?

Was man - rein rechtstechnisch betrachtet - machen koennte, ist die 
Schaffung einer Rechtsgrundlage dafuer, dass namentlich gekennzeichnete 
Textbeitraege nach einer gewissen Zeit vom Plattformbetreiber geloescht 
werden muessen, bzw. unter bestimmten Voraussetzungen ein 
Loeschungsanspruch geschaffen wird.

Die Frage ist nur, ob das sinnvoll ist.

Nehmen wir doch als naheliegendes Beispiel mal das Archiv dieser 
Mailingliste auf dem Fitug-Server. Wenn ich meinen Namen bei Google 
eingebe, dann stosse ich auf eine ganze Reihe alter Postings von mir.

Habe ich ein legitimes Interesse daran, zu verhindern, dass meine 
Postings auf der Mailingliste auch auf unbestimmte Zeit ueber das Web 
abrufbar sind? Und wen ja, unter welchen Voraussetzungen?

Moeglicherweise gehen ja einige Diskutanten - hier vermutlich eher 
weniger - davon aus, dass ihr Posting nur einmal ueber die Liste laeuft 
und damit fluechtig ist.

Auch wenn das nicht der Fall ist, wollen einige evtl. ihr Geschwaetz 
von gestern nicht mehr lesen.

Lutz sprach vorher den Aspekt der gewandelten Ueberzeugung aus dem 
Urheberrecht an. Wenn der Text Werkscharakter erreicht, waere das u.U. 
ein Ansatzpunkt. Wenn nicht, dann stellt sich aber auch die Frage, ob 
es berechtigt ist, die Loeschung alter Postings zu verlangen, weil man 
zwischenzeitlich z.B. seine Meinung geaendert hat und nicht mehr 
moechte, dass die alten Beitraege weiterhin von Hinz und Kunz gelesen 
werden koennen. Oder muss man sich das einfach vorher ueberlegen?

Ich glaube, dass das ganz interessante Fragen sind, die man 
unterschiedlich beantworten kann.

Der juristische Ansatz ist IMHO aber weniger das Datenschutzrecht, 
sondern eher das Recht am eigenen Wort und evtl. das Urheberrecht.

Bereits nach geltendem Recht kann ich eine Loeschung m.E. dann 
verlangen, wenn ich die konkrete Speicherung nicht selbst veranlasst 
oder ihr nicht zugestimmt habe.

Schoene Gruesse

Thomas




Thomas Stadler
Fachanwalt fuer IT-Recht
Fachanwalt fuer gewerblichen Rechtsschutz
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