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protokoll workshop in muenchen, teil I




hi all

sollte eine zusammenfassung werden, wurde ein protokoll.
bitte nicht schlagen :). den rest (top 2-4) gibts morgen.

protokoll des workshops "freier datenaustausch und verhinderung von
missbrauechen im internet" der anwaltskanzlei "beiten burkhardt
mittl & wegener" am 18. Juli 1996 in muenchen.

tagesordnung
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top 1)	strafrechtliche verantwortlichkeit fuer den datenverkehr in
	internationalen computernetzen, prof. dr. ulrich sieber, lehrstuhl
	fuer strafprozessrecht und rechtsphilosophie, universitaet wuerzburg.

top 2)	der entwurf eines informations- und kommunikationsdienste-gesetzes der
	bundesregierung, oberregierungsrat frithjof A. maennel,
	bundesministerium fuer bildung, wissenschaft, forschung und
	technologie.

top 3)	diskussion

top 4)	PICS, the platform for internet content selection - antidote to
	internet content concern ? paul resnik, AT&T research, murray hill, NJ

top 5)	(anm. des verfassers: ich war ab hier leider nicht mehr anwesend)
	podiumsdiskussion der online-wirtschaft ueber die rechtlichen
	rahmenbedingungen in deutschland und die notwendigkeit einer
	effizienten repraesentation ihrer interessen.

top 6)	(vorsorglich)
	gruendung des "verband der online-wirtschaft e.V."

top 7)	(vorsorglich)
	mitgliederversammlung und wahl der vorstandsmitglieder und des
	geschaeftsfuehrers sowie des beirats.

teilnehmer
==========

geschaeftsfuehrer von online-dienste-anbietern, internet-providern und
verwandten unternehmen.

top 1
=====

als einfuehrung stellt prof. sieber in einem schaubild den zeitlichen
zusammenhang zwischen innovationen in der informationstechnik, entwicklung
diesbezueglicher computerkriminalitaet und der reaktion des gesetzgebers mit
entsprechendem informationsrecht von 1950 bis heute dar. waehrend neue
technologien in immer kleineren zeitlichen abstaenden entstehen und der
entsprechende missbrauch nicht lange auf sich warten laesst, braucht der
gesetzgeber bis zu 20 jahre, um zu reagieren. so geschehen beim
Wirtschaftskriminalitaetsgesetz als reaktion auf sabotage,spionage,hacking und
kartenbetrug. eine tendenz zur schnelleren reaktion ist jedoch, z.b. bei der
aenderung der vorschriften zum geistigen eigentum als schutz gegen raubkopien,
zu erkennen. heute ergeben sich rechtliche probleme bei aeusserungsdelikten in
datennetzen, insb. dem internet, ueber denen man laut prof. sieber nicht
die kernprobleme wie hacking,sabotage und spionage vergessen sollte.

anschliessend wird die problemstellung skizziert: das zugaenglichmachen
bestimmter inhalte sei aufgrund der ausfallresistenten und dezentralen struktur
des internet durch manipulation einzelner rechner nicht zu verhindern.
ausserdem sei die moeglichkeit des zurueckverfolgens aufgrund der
faelschungsanfaelligen technologie nicht immer gegeben. in einem schaubild
stellt prof. sieber die kontrollmoeglichkeiten des providers den
missbrauchsmoeglichkeiten der nutzer fuer die einzelnen dienste gegenueber.
es wird hier zwischen unmoderierten oder fremd-moderierten und eigen-moderierten
newsgroups bzw. mailing-listen unterschieden. entsprechend steigen die
kontroll- waehrend die missbrauchsmoeglichkeiten sinken. beim WWW
gibt es laut prof. sieber hohe missbrauchs- und kontrollmoeglichkeiten.

den hauptteil des vortrags, die rechtliche beurteilung der gestellten probleme,
eroeffnet prof. sieber mit der differenzierung zwischen content-providern,
welche urheber und anbieter von daten sind, und service-providern, die fremde
daten auswaehlen (eigenmoderierte newsgroups), speichern (mail-server) und
transportieren (IP, proxy-cache). um den geist der bisherigen rechtssprechung
nicht zu verletzen, wurden von prof. sieber faelle bei klassischen datenmittlern
zusammengetragen und ausgewertet. hier kaemen in frage: printmedien,
rundfunk/fernsehen, post/telekom und BTX. es wird analog zwischen den funktionen
aeusserung eigener meinungen (autor,redakteur) und auswahl (verleger,
redakteur,lektor), technischer unterstuetzung (drucker, nachrichtensprecher)
sowie transport (zeitungsaustraeger,techniker) fremder meinungen unterschieden.
die bisherige rechtssprechung ergaebe volle verantwortlichkeit fuer eigene
aeusserungen, freiraum fuer redaktionelle auswahltaetigkeit und kaum
verantwortlichkeit fuer technische unterstuetzung und transport. die
gesetzlichen grundlagen fuer die strafbarkeit, insb. der urheber, von
aeusserungen im internet werden von prof. sieber in verbotsnormen des StGB
und verwaltungsrechtliche regelungen unterteilt:

StGB:

184 (pornographie)
131 (gewaltverherrlichung)
130 Abs. 2-5 (rassistische aeusserungen)
185 ff (beleidigungen)

verwaltungsrechtliche regelungen:

GjS
JOESchG
mediengesetze fuer presse, rundfunk, neue medien, btx

waehrend die verbotsnormen des StGB vorsatz erfordern wuerden, waere ein
tatbestand bei den verwaltungsrechtlichen regelungen meistens schon durch
fahrlaessigkeit gegeben, diese seien aber nur in spezialfaellen anwendbar. Prof.
Sieber geht kurz auf den zugrundeliegenden begriff der schrift (11,Abs 3
StGB) ein und erwaehnt hierbei, dass fluechtige bildschirmdarstellungen nicht
unter diesen begriff fallen, er sich diesbezueglich aber eine gesetzesaenderung
wuenschen wuerde. die (explizite) aufnahme von datenspeichern in 11,Abs 3
StGB ist bestandteil des in top 2 behandelten entwurfs eines informations-
und kommunikationsdienstegesetzes. zur strafbarkeit der service-provider stellt
prof. sieber die frage nach tun oder unterlassen. voraussetzung fuer einen
straftatbestand nach StGB ist endweder ein aktives tun oder das unterlassen
eines tuns, zu welchem der provider nach 13 StGB aufgrund einer sog.
garantenpflicht verpflichtet ist.

anm. d. verfassers: hier habe ich zur besseren klarheit und vollstaendigkeit
                    im umfangreicheren aufsatz von prof. sieber gespickt.

als aktives tun koenne lediglich die auswahl fremder aeusserungen angesehen
werden, unmittelbare (mail-server ?) und mittelbare unterstuetzung (transport)
fielen in den bereich des unterlassens, da das eroeffnen der dienste keinen
straftatbestand darstelle und kontrollen erst *nach* einem missbrauch bzw.
*nach* eroeffnen des dienstes moeglich waeren. prof. sieber gibt zu bedenken,
dass die praezisierung des begriffs der garantenpflicht ein umstrittenes und
ungeloestes problem darstelle und nennt folgende voraussetzungen einer
garantenpflicht, die nach seinem ermessen bei service-providern nicht oder nur
teilweise gegeben waeren:

1) garantenpflicht aus vorausgegangenem tun (ingerenz)
2) ueberwachung von gefahrenquellen 
3) handlungsmoeglichkeit
4) erfolgszurechnung (eine blosse verringerung der gefahr reicht nicht)
5) zumutbarkeit

1 und 2 wuerden entfallen, da die einrichtung des zugangs keine unmittelbare
gefahr schaffe, 3,4 und 5 seien aufgrund unkontrollierbarer datenmengen,
alternativer routing- und beschaffungsmoeglichkeiten sowie beeintraechtigung
von aeusserungen dritter (gruppensperrungen) problematisch.

prof. sieber fasst zusammen, dass eine strafbarkeit lediglich bei konkreter
kenntnis strafbarer auesserungen gegeben sein koenne.

michael schneider (ECO e.V.) stellt nochmals heraus, dass es sich hier
nicht um gesicherte erkenntnisse, sondern um eine ansicht von prof. sieber
handelt. Prof. Sieber stimmt dem zu und meint, dass eine endgueltige klaerung
wohl erst vom BGH zu erwarten waere. es folgt eine besprechung der anwendbarkeit
der normen bei providern, die telephonanrufe bei den POP's an einen server ins
ausland weiterleiten (compuserve). diese sei seiner ansicht nach gegeben. prof.
sieber geht noch kurz auf zustaendigkeits- und verfolgungsfragen ein: diese
seien, mit ausnahme des internationalen strafrechts, aufgrund der
internationalitaet des internets und den weiter oben erwaehnten
authentifizierungsproblemen, sehr problematisch.

abschliessend gibt prof. sieber vorschlaege fuer reformmassnahmen, darunter
die konzentration der ermittlungsbehoerden auf die urheber von aeusserungen
unter weitgehendem verzicht auf kontrollpflichten der provider, die schaffung
verbesserter moeglichkeiten zur authentifizierung, die bemuehung um
internationale loesungen, sowie die schaffung von zentralen pruefstellen,
insb. einer internet-FSK. diese koennte den provider stellvertretend, durch
aufnahme von beziehungen zu den verschiedenen behoerden wie StA,BPS,laender
(mediendienstestaatsvertrag) und solche anderer laender, entlasten.

in einer anschliessenden kurzen diskussion erwaehnt michael schneider die
bestrebungen des ECO e.V. eine internet-FSK zu schaffen und ruft zum anschluss
an diese auf.